Eine Sonderbehandlung

Drei Frauen sitzen in der U-Bahn beisammen. Sie tragen verschiedenfarbige Kopftücher, die auch Hals und Schultern bedecken. Muslimas wahrscheinlich. Sie unterhalten sich miteinander. Über irgendwas. Klingt wie Türkisch, vielleicht die einzige Sprache neben dem Deutschen, die's gerne Ü-bertreibt.

Zwei Männer und eine Frau sitzen beisammen in der Ü-Bahn (die in Wien auch Ü-berirdisch, sogar über Donau fährt). Die Männer tragen sehr viel Gel im Haar. Die Frau nicht. Die kreuzförmigen Ohrstecker sehen christlich aus. Die Drei unterhalten sich. Ich verstehe kein Wort. Klingt wie Niederösterreichisch. Oft werden die exotischen Endungungen "-dner" oder "-dna" verwendet.

Drei Männer sitzen beisammen in der U-Bahn. Sie tragen Nudelsiebe auf dem Kopf. Pastafaris. Sie unterhalten sich. Ich verstehe zwar die Sprache, nicht aber den Sinn ihres Inhalts. Sie sprechen nicht nur über ihre Smartphones, sondern auch über ihren Smartphones.

Die österreichische Bundesregierung beschloss unlängst, einer dieser drei Gruppen eine gesetzliche Sonderbehandlung zukommen zu lassen. Ihre Vertreter und Vertreterinnen behaupten, dass dem nicht so wäre. Sie behaupten, es ginge lediglich um die symbolische Neutralität der Kleiderordnung im öffentlichen Dienst. Das betrifft vor allem Richter*innen und Polizist*innen. Diese müssen sich an eine Kleiderordnung halten. Diese Ordnung schreibt gewisse Uniformen vor. Sie schließt nicht unbedingt gewisse Zusätze aus. Daher wurde im Interesse der öffentlichen Wahrnehmung und des Abschneidens der Regierung im nationalen „Wos woar mei Leistung-Index“, ein Zusatz in den Kleidervorschriften für öffentlich Beamtete eingebaut. Er betrifft ausschließlich einen Teil der Anhängerschaft einer einzelnen Religion. Hätte aber angeblich trotzdem nix damit zu tun. Auch wenn gerade diese Religion ständig in den Medien vorkommt. Dort wird sie hauptsächlich mit Angst, Gewalt, Terror in Verbindung gebracht. Diese Medien befinden sich zwar auch ständig in der Wiener U-Bahn, ihre Macher*innen aber offenbar nie.

Eine dieser U-Bahn-Gruppen wird indirekt oder direkt mit islamistischen Terror-Organisationen und Menschenschlächtern in Verbindung gebracht. Auch ihre Mitglieder halten Alkohol für etwas Schädliches. Sie trinken ihn trotzdem heimlich. Sie praktizieren auch nicht das Ritual des Kopfabschneidens. Sie führen und brauchen keinen Krieg, auch nicht gegen Andersgläubige. Sie tragen keine Waffen. Ihre Frauen dürfen Autofahren. Sie erlauben Musik nicht nur, sie drehen sie gerne sehr laut auf (am liebsten beim Autofahren). Sie verstehen Humor, ich sehe sie lachen. Sie lieben sowieso. Manche von ihnen sind auch homosexuell – heimlich. Sie werden also zu Unrecht mit islamistischen Terror-Organisationen und Menschenschlächtern in Verbindung gebracht, q.e.d.

Und was für die Niederösterreicher*innen gilt, gilt auch für die Muslimas.

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Leonie Rajani

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sisterect

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