Der Burkini im Nachrichtenkreislauf. Das müsste uns nicht interessieren. Ginge es um Mode. Leider geht es um Politik. Und um Angst, die genützt wird, um Muslimas zu deklassieren.

Französiche Fashion Police gegen Badehauben

Natürlich muss Frankreich - nicht nur Cannes – den Burkini verbieten. Schließlich gilt dort bereits das Tragen einer Burka als ordnungswidrig. Die französische Fashion Police ist bekanntlich immer und überall. Und Burkini ist nicht die Landessprache von Burkina-Faso, sondern die sexy Bade-Version der Burka – zumindest benahe. Das Gesicht bleibt unverhüllt und gegen das physikalische Verhalten, nassen Stoffes auf weiblichen Rundungen, hilft er auch nicht. Der Burkini ist also doch nur ein Badeanzug mit Haube.

Vielleicht ist er auch ein Kleidungsstück für Muslimas, denen antrainiert wurde, sich in der Öffentlichkeit für ihren geamten Körper zu schämen – und nicht nur für ihre Frisur. Schämen verboten! Wer sich schämt, hat Schuldgefühle. Wer Schuldgefühle hat, ist vielleicht Terroristin. Oder so ähnlich.

Nichtmuslimische Übergewichtige haben es zwar auch gelernt, dieses Körperschämen, aber entweder gehen sie nicht zum Strand oder trotzdem halbnackt. Schließlich ist eine der größten Errungenschaften des säkularen "Westen" das individualistische "Scheiß-drauf!". Danke, Punk! Deshalb würde auch niemand eine schüchterne Nichtmuslimin des Strandes verweisen, nur weil sie als einzige ein steampunkiges Badekleid trägt. Sie hat das Recht, sich mit ihrer Körperlichkeit wohlzufühlen.

Die Frage, die mir hochgrübelt: Warum muss mich das kümmern? Eine Grand Nation, die neben Weichkäse, fragilen Autos und einer sadistischen Art Zahlen auszusprechen vor allem Mode im Kopf hat, soll meinetwegen ein Mindestmaß an Haut für Frauen in der Öffentlichkeit vorschreiben, oder? Die spinnen, die Gallier!

Mit Haute Volee und Angst gegen “Europäische Werte”

Aber es geht bei dieser Deppatte nicht um Mode. Ansonsten ginge es um Islamismus, um Burka und Burkini als Symbol der pseudolegalistischen Sharia-Willkür sexistischer Männer, die nie gelernt haben, mit ihrer eigenen Sexualität umzugehen, weil sie bereits als Kleinkinder psychisch, ideologisch und moralisch von ihren Bezugspersonen missbraucht wurden, denen es wiederum genauso ergangen war.

Der Islam ist nicht die Voraussetzung dieses Teufelskreises. Früher gab es das gleiche Problem auch im Christentum und Judentum in ganz Europa. Heute gibt es das - mitsamt den "unsichtbaren Burkas" die manche Frauen tragen - dort zum Glück nur noch eingeschränkt.

Denn es passierte etwas: Der säkulare "Westen" erfand das individualistische "Scheiß-drauf, ich geh doch nicht am Sonntag in die Kirche, ich bin verkatert!" Moderner Humanismus: das bedeutet Freikörperkultur, 68er und "freie Liebe", Punk und Rock'n'Roll! Letzteren haben us-amerikanische Nachkommen afrikanischer Sklav_innen erfunden. Und eine libanesischstämmige Australierin erfand den Burkini, um strengvergläubigten Muslimas, die sich ihre Eltern auch nicht aussuchen konnten, das öffentliche Baden zu ermöglichen. Ein Stück Hilfe und Freiheit, das die Fashion Police von Südfrankreich nun beseitigt. Schließlich geht's dort um Haute Volee und volle Hosen vor allem Islamischen - und nicht um “Europäische Werte”.

Faschistoide Hirnis gegen Burkinis

Das wissen wir bereits. Deshalb reden die rechten Recken und Reckinnen auch nicht mehr so sehr über den Islam im Allgemeinen bzw. sämtliche Muslim_as als Gefahr für alle, alles und überall. Auch nicht mehr darüber, wie schockiert sie sind, dass sie zu Rock'n'Roll nicht mehr "Negermusik" sagen dürften.

Jetzt reden diese Hirnis über Burkas und Burkinis. Und wie ich wieder einmal feststellen durfte, reden sie erneut über Egalität als eine Art Krankheit; über Gleichberechtigung als Ursache all unserer Probleme. Natürlich sagen sie das nicht so unmittelbar. Sie weisen unterschwellig und unverbindlich darauf hin, bedienen sich philosophischer Versatzstücke und verdrehen deren Bedeutung. Gleiches machen sie mit Multikultur, Humanismus, Menschenrechten, Arbeitsrechten, Sozialstaat, Rechtsstaat und so weiter. Mut, es direkt zu sagen, kennen "Faschistopath_innen" nur, wenn sie nicht nüchtern und allein sind. Deshalb dürfen alle Badeanzüge und Badehauben tragen. Alle, außer Muslimas.

Völker, hört die Signale

Also der Burkini im News Cycle, der ist ein Signal. Da geht es nicht nur ums Sommerloch. Da geht es um einen Haufen Sommerlöcher. Um einen rechtspopulistischen "Endkampf" (der kein Ende kennt). Und darum, dass ich dem Nächsten (bei aller Nächstenliebe), der unterschwellig und unverbindlich erklärt, dass Rassismus doch in Wirklichkeit gar nicht existiere und seine Opfer sich ihren Status nur aus Neid auf andere einbilden würden... oder dass Burkas und Burkinis ein essentielles Problem wären... dass ich... jetzt sicher keine gefährliche Drohung gegen Unbekannt ausdrücken werde, Herr Staatsanwalt (als Linker kann man sich das nicht leisten). Sagen wir, Streiten wie ein echter Gallier wäre möglich.

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Leitwolf

Leitwolf bewertete diesen Eintrag 15.08.2016 17:51:12

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