Westliche Demokratien sind die erfolgreichsten Staaten der Menschheitsgeschichte. Danke Aufklärung! Aber die Lorbeeren, auf denen sie sich ausruhen, verrotten schneller als zu Zeiten ihres sprichwörtlichen Ursprungs.Hätte es im alten Rom Internet gegeben, hätte Spartakus deshalb nicht unbedingt überlebt, aber es hätte gleich mehrere Sklavenaufstände an allen Ecken und Enden des Reiches gegeben. So verfiel das Imperium jedoch langsam und Cicero, der mit Beginn des Endes und Kaiserreichs ermordet wurde, wusste auch warum: Ein Staat muss gerecht sein!

Stichwort Toleranz: Ein problematischer Begriff? Vor allem aber eine Pflicht aller Bürger_innen eines Rechtsstaates. Wir haben uns an dieses Prinzip glücklicherweise schon so sehr gewöhnt, dass es uns erst dann wieder einfällt, wenn der Nachbar die Gartenidylle per Bierstadldisko stört. Leider nicht laut und spät genug für eine Ruhestörungsklage. Ich muss das daher tolerieren.

Toleranz gegenüber Asylsuchenden? Im Rahmen welcher internationalen Rechte (i.e. juristische Serviervorschläge) auch immer, wesentlich ist, dass sich die Regierung entscheidet, was sie will. Helfen oder Asyl- und Menschenrechte ignorieren? Beides wäre möglich, aber beides zugleich führt nicht zum jeweiligen Ziel. Einen Kompromiss zwischen menschlicher Notwendigkeit und dümmlicher Grausamkeit zu finden? Das funktioniert selbst in Österreich, dem natürlichen Habitat fauler Kompromisspolitik, nicht.

Tu felix austria entscheide dich! In Deutschland setzt sich „Die Kanzlerin“ selbst gegen die weißbierseligen Eigenbretzler aus dem Freistaat Bayern durch. In Österreich regiert vor allem Titelgeilheit – auch unter Entscheidungsträger_innen. Auf Verantwortung ist natürlich niemand scharf, sonst würden sie Verantwortungsträger_innen heißen und so heißen bereits ihre Untergebenen. Deshalb schiebt man Verantwortung mitsamt den Flüchtlingen durch die Lande. Rot schiebt gegen Schwarz, Bund gegen Länder, Gutmenschen gegen Angsthasen: Auch so funktioniert ein Staat nicht.

Was hingegen immer gut funktioniert: Das Instrumentalisieren der Schutzlosen. Geflohene sind dieser Tage sogar an schlechten Wahlergebnissen schuld. Am Stau und an verspäteten Zügen sowieso: Vor den Flüchtlingsmassen gab es sowas gar nicht bei uns. Es hat auch niemand gewusst, dass die Menschenströme überhaupt kommen würden. Österreich hat die beste Innenministerin der Welt (hauptsache irgendwo eine Frau an ÖVP-Spitze) und die Kälte kam wie der Herbst völlig überraschend.

Ein Staat muss gerecht sein. Auch im ökonomischen Eigeninteresse. Unser Staat – der wir alle sind – hat sich dazu entschlossen, Flüchtlinge nicht zu verprügeln und auszurauben (Balkan), in Massengräbern verschwinden zu lassen (Indonesien) oder in Konzentrationslager zu sperren (Australien). Das ist ja schon mal ein Anfang.

Wir wollen helfen. Auch wenn jene Verwirrten dagegen anschreien und um sich schlagen, die Realität und Wandel dieser Menschenwelt nicht verarbeiten können. Muss man tolerieren. Die Berufspolitik aber sollte diesen ewigen Unheilsstatisten der Weltgeschichte nicht nach dem Unmund reden, sondern ungeachtet dessen alles unternehmen, um Schutz und Hilfe für danach Suchende zu organisieren. Ja, freilich mit unserem Geld! Hilfe kostet. Aber der Verlust unserer Menschlichkeit (und staatlichen Handlungsfähigkeit) wäre ein größerer.

Gerade das Herumwurschteln kostet noch mehr. Jeder Wechsel eines ungenügenden Quartiers, Chaos in der Verteilung, unbeheizte Zelte die gegen beheizte getauscht werden müssen, welche über keinerlei Energieeffizienz verfügen, etc. – all das vergeudet Ressourcen. Hätte man sich ersparen können, wenn man die Sache von Anfang an richtig gemanagt hätte.

Es bleibt beim Konjunktiv. Folge: Rechtspopulisten, die vom Rückgrat her weder Entscheidung noch Verantwortung tragen können, werden bei Wahlen belohnt. Motto: „Wos woar mei Leistung?“ Sie gewinnen als einzige mit null Aufwand, weil die Regierenden nicht glauben, mit Flüchtlingshilfe irgendetwas gewinnen zu können und darum ihrerseits so wenig Aufwand wie möglich betreiben. Deshalb aber verlieren sowohl die Asylsuchenden als auch die Staatsbürger_innen. Wir verlieren Geld, Nerven und politische Integrität – weil Cicero eben Recht hat.

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