Das war, jüngst in der ZIB2, kein Zurückrudern auf die Hoppala-Insel. Kurz relativerte, irgendwie. Kritik an Internierungslagern wäre nur die halbe Wahrheit, womit er die katastrophalen Zustände dort indirekt (ansonsten nicht) bestätigte. Zwischendurch gab's rhetorische Ablenkungsmanöver. So muss er nicht beantworten, ob das Informieren seiner Regierungskolleg_innen per Zeitungsinterview ein Problem wäre. Weil er den Doskozil mag (der von dem Plan trotzdem nur aus den Medien erfuhr). Anscheinend weiß Kurz auch besser, was Lybien will als Lybien selbst. Außerdem findet er es gefährlich, zu glauben, dass europäische System wäre perfekt, auch wenn das kein Mensch glaubt. Man würde doch nicht wollen, dass Menschen ertrinken...

Lügen haben kurzsche Beine

Apropos: Sichere Meere? Australien fängt Flüchtlingsboote ab und schickt sie "zurück". Allein das stimmt nicht ganz. Australien schickt sie weg. Natürlich können dadurch keine Flüchtlinge vor seiner Küste, in seinen Hoheitsgewässern ertrinken. Ob die Boote aber woanders kentern und sinken, ist den australischen Behörden ziemlich egal. Auch, ob die zurückgeschickten Boote überhaupt in der Verfassung sind, ihre alternativen Ziele zu erreichen. Australiens Politik schafft also nicht mehr Sicherheit.

Kampf gegen Schlepper? Amnesty International hat Hinweise darauf, dass australische Beamte Schleppern Geld gaben, um Flüchtlinge zurück zu bringen. Das könnte Anreiz für Schlepper sein, doppelt abzusahnen: Einmal bei den Flüchtlingen, denen sie vorgaukeln, es gebe eine Möglichkeit australisches Festland zu erreichen; noch einmal beim australischen Staat. Der überdies weniger Geld für die ganze Geschichte ausgeben müsste, wenn er Flüchtlinge auf seinem Terretorium integrierte. Denn wo er keine Schlepper bezahlt, leistet er sich einen ganzen Inselstaat als Gefangenenkolonie für Unschuldige, was - gerade angesichts der Geschichte Australiens - moralisch auch nicht besser ist.

Australien wäre kleiner als Europa? Sprechen wir von Europapolitik, meinen wir die EU. Die ist gute 3 Millionen km² kleiner als Australien. Bei uns gibt's zwar weniger Buschland, aber dafür um 476 Millionen mehr Einwohner_innen. Und nicht jedem unserer Mitgliedsstaaten geht es wirtschaftlich so gut wie Australien (3% Wirtschaftswachstum, Rang 12 beim BIP). 20.000 von Australien aufgenommene Flüchtlinge - ich nehme an, Kurz meinte die jährliche resettlement Quote - sind daher immer noch wenig.

Viel hingegen sind Milliarden auch an australischen Dollars, die man insgesamt für ca. 1600 Flüchtlinge in den Internierungslagern ausgibt. Damit wäre das System für die EU, mit hundertausenden Flüchtlingen, selbst dann unerschwinglich, wenn Lesbos damit einverstanden wäre, dass unser Außenminister, das fesche Kommunikationstalent, es zur Gefängnisinsel erklärte - selbstverständlich ohne zu fragen. Vielleicht braucht's einen neuen Außenminister, bevor es Neuwahlen gibt?

NACHTRAG:

Eine humanere, günstigere Lösung? Würde man tausende Menschen (voraussichtlich) in Zeltlagern internieren, egal ob auf einer Insel (welche?) oder einem nordafrikanischen Staat (welcher?), würde das die Menschenwürde bereits ausschließen. Es wäre auch bei besseren Bedingungen als den australischen inhuman, es sei denn, man würde ein Vielfaches dessen investieren, was man bis jetzt für Flüchtlinge ausgibt.

Aber auch wenn man auf die Menschlichkeit pfeift, muss ein an einem Ort konzentriertes Massencamp nicht unbedingt kostengünstiger sein. Da europäische Inseln bereits von Europäer_innen bewohnt werden, müssten vermutlich Nicht-EU-Staaten bestochen, pardon, geschmiert werden, um diese Flüchtlingszeltlager (FZ) zu akzeptieren. Hinzu kommen hohe Ausgaben für Sicherheit in einer Krisenregion, der Aufbau von Infrastruktur, die den Belastungen subtropischer Länder entspricht. Je mehr Menschen, umso größer die oder das FZ.

Innerhalb der EU aufgeteilt, könnte man hingegen auf bereits existierende Infrastruktur zurückgreifen. Kleinere, verteilte Gruppen ließen sich leichter "integrieren" und deren Potenzial entsprechend nützen. Der Gefahr von Krankheiten und Konflikten wäre vorgebeugt. Die Sicherheitsmaßnahmen minimal. Die Möglichkeit der Selbstverwaltung und Eigeninitiative für Flüchtlinge, innerhalb unserer Gesellschaften, würde weiters Kosten vermeiden.

wikicommons Harald Bischoff

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 07.06.2016 23:20:13

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