Was für eine Woche! Ihr Anfang hielt auch die internationale Presse in ängstlichem Atem. Wobei dort die Bedrohung durch einen far-right Politiker in Austria ein wenig ernsthafter klingt. Im Österreichischen ist die FPÖ schließlich nur “rechtspopulistisch”. Aber zum befürchteten “Rechtsruck” kam es nun doch nicht und in dieser allgemeinen Feststellung zeigt sich eine gewisse Absurdität der repräsentativen Demokratie.

50:50, hieß es am Stichwahlsonntag noch und das Endergebnis blieb knapp. 50,3% gegenüber 49,7% (sind das 0,6% Differenz!?) entschieden also, dass ein atheistischer Tiroler mit Migrationshintergrund und grünem Touch Bundespräsident wird und nicht ein evangelischer und chemtrail-gläubiger Burgenländer mit Migrationsallergie und deutschnationalistischer Populismus-Gesinnung. Manche deuten das Land nun offiziell als gespalten. Ob sich der nun angeblich drohende Bürgerkrieg hätte verhindern lassen, wenn das Ergebnis 45:55 gelautet hätte?

Wie man in die Zeitung schimpft, so kommt es zurück

Vielleicht entschwindet das Medienecho aber auch wieder in seine Bedeutungslosigkeit. Weil man feststellt, dass man bei einer Stichwahl immer nur zwischen zwei Kandidat_innen entscheiden kann. Weil viele VdB-Wähler_innen, die bei der Stichwahl dazukamen, eigentlich nur Hofer-Nichtwähler_innen waren, die zuvor für ganz andere Kandidat_innen stimmten. Und weil Menschen, die Hofer wählten, so real bleiben wie vor der Wahl.

Die Vielschichtigkeit menschlichen Denkens und Empfindens, kann sich nicht allein in einer von zwei repräsentativen Personen akkumulieren. Und selbst wenn man jeweils 50% zu einem Menschen zusammenfassen würde, wären es eben zwei Menschen, die sich lediglich über einen Punkt uneins sind: Nämlich ob dieser oder jener Kandidat Präsident sein sollte. Weitere Uneinigkeiten, die im Land herrschen, anhand des Wahlergebnisses zu interpretieren, wäre bzw. ist spekulativ und schlampig.

Natürlich könnte man bzw. Medien es so hindrehen, dass die Staatsbürger_innen glaubten, das Land würde sich von nun an in VdB- und Hofer-Menschen teilen. Aber selbst die Krone, das Selbstbeweihräucherungsinstitut und Einschleimorgan der besten Nation der Welt, ist sich sich uneins ob ihrer generellen Abneigung gegenüber Van der Bellen. Ihr “halber Präsident” war in Vorarlberg und Tirol doch nur ein “Grüner”.

Abwarten... vor allem aufs Sommerloch

Am Ende der ganzen Spannung und Aufregung weiß ich nicht, ob wir einen Paradigmenwechsel erleben. Noch nicht. Wir sind zunächst an einer Katastrophe haarscharf vorbeigeschrammt und konnten uns mit knapper Not zurück ans Ufer der “Normalität” retten. Van der Bellen ist genausowenig ein Messias wie der neue Sozi-Chef, Bundeskanzler und Wortspielvorleger Chrisian Kern. Auch wenn beide bereits jetzt bessere Ansätze in Kommunikation und Engagement zeigen. Kern scheint auch gerade einen schlauen Weg zu finden, sein Zugeständnis zur Flüchtlings-Obergrenze beizubehalten, ohne es in der nächsten Katastrophe enden zu lassen, indem er einfach die Konsequenzen eines Überschreitens neu verhandelt. Aber ob die beiden Neuen in ein besseres Österreich führen? Wir haben bis zur nächsten Nationalratswahl genug Zeit, es herauszufinden.

Vermisstenanzeige

PS: Seit seinem Erwachen unter einem designierten BuPrä Van der Bellen ist mein rechter “Freind”, der Gscheidler Toni, verschwunden. Vielleicht hat ihn irgendwer gesehen? Er ist um die 40, 1,77 m groß, hat braunes, glatt gegeltes Haar, trägt meist Sonnenbrille (wegen den massiven Augenringen) sowie einen Blazer in Kornblumenblau. Er verbringt seine Freizeit gerne in Online-Foren, wo er sich über seine Angst vor Chemtrails und dem “faschistischen grünen Diktator (Zitat: Norbert Hofer)” austauscht. Möglicherweise hat er sich im Vereinskeller einer deutschnationalen Burschenschaft verkrochen. Wer ihn findet, darf ihn behalten.

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 29.05.2016 22:35:55

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