Panama Leaks: im überlaufendem Fass globaler Korruption

Was leckt uns da (am AdW)? Noch mehr Daten über Steuerhinterziehung als bei früheren Leaks. Überall braucht's Wachstum. Ob das zu mehr Konsequenzen führen wird? Sicher. Aber nicht unbedingt zu solchen, die sich die Steuerzahler_innen wünschen.

"Oh, wie schön ist Panama!" Der Witz im Witz ist, dass Tiger und Bär dort nie ankommen. Sie riechen nur Banane. Aber sie lernen, was alle Briefkastenfirmlinge auch schon wissen: Der verheißungsvolle A der Welt ist überall. Panamammon, Liechtausstein, Luxusburg und all die praktischen, weil lokalpolitisch unabhängigen, aber ansonsten in allen Belangen abhängigen Überseegebiete: Es ist seit langem bekannt, was an Orten passiert, an denen es mehr Briefkästen als Einwohner_innen gibt. Deshalb bleibt der jetztige Aufschrei politischer Persönlichkeiten eine Scheinheiligen-Show. Rechtlich ist diese - nicht zum ersten Mal geleakte - Form der Steuerhinterz... der Steuervermeidung großteils gar kein Skandal. Und Moral allein ist selten eine Motivation für politischen Wandel.

Die Luxemburg Leaks führten nur zu Versprechungen. Der Mitverantwortliche Jean-Claude ist immer noch unser Kommissions-Junker. Das Volk ist zum Glück vergesslich. Es stellt sich für seinen überteuerten Steuervermeider-Kaffee bei Starbucks in die Warteschlange, telefoniert währenddessen auf seinem neuesten Steuervermeider-iPhone, bevor es in seinen Steuervermeider-Nikes an all den Steuervermeider-Markenshops vorüberschlendert. Und während es bei den Steuervermeider_innen shoppen geht, zahlt es selbst brav alle im Preis inkludierten Steuern. Das ist zuviel Alltag, um sich dagegen aufzulehnen.

Ein gut geklebtes "House of Cards"

Wenn die Mächtigen nun ihre Empörung in die Kameras greinen, obwohl ihnen die unverschämten Praktiken längst bekannt sind, darf man aufhorchen. Man geht gerne in die Offensive, ehe man in die Defensive gerät. Erinnert an "House of Cards". Was machen da die skrupellosen Underwoods (US-Adaption), kurz bevor ihr Lügengebäude einstürzt? Sie machen Lärm!

Es ist durchaus möglich, dass es sich bei den Panama Papers um ein kontrolliertes Leck handelt. Warum die Mossack Fonseca Group, als eine von vielen, erwischt wurde? Das könnte genauso im Geheimen bleiben wie das, was man mit dem Lärm übertönen will, den dieses Leck nun verursacht. Während wir auf die Spitze des Kartenhauses gaffen, werden die übrigen Karten vermutlich gerade mit Superkleber fixiert. So wird es nicht nur am FACTA liegen, dass die Enthüllungen erstaunlich wenig über die USA zu erzählen haben.

Wenn das Schiffsleck die Fische ärgert

Die gespielte Empörung der Mächtigen grenzt manchmal an Irrsinn, z.B. über das IMF-Gesprächs-Leak. Der Internationale Währungs-Fonds will, wie alle seriösen Expert_innen, einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland. Das ist auch nicht neu. Im Ernstfall steige der Fonds sonst bei den "Hilfszahlungen" aus. Das einzig Skandalöse an diesem politics as ususal ist die Unhöflichkeit: Der Wahrheit fehlt der diplomatische Sprachfilter. Dass sich die deutsche Regierung nun offiziell über das beklagt, was sie inoffiziell bereits wusste, liegt nicht am Inhalt, sondern am Leck selbst. Deshalb pudelt sich auch die griechische Regierung künstlich auf, obwohl sie von der IWF-Forderung am meisten profitieren würde.

Plötzlich sind nicht mehr die Deutschen und andere Spardiktatoren die Bösen, sondern die Schuldenbefreier? So sehr hasst die Berufspolitik unkontrollierte Datenlecks (und ihre unkontrollierte Sprachlichkeit). Man fühlt sich entblößt wie eine Pokerspielerin, der man in die Karten blickt. Die unkontrollierte Transparenz, die Datenlecks schaffen, nützt der (demokratischen) Bevölkerung. Dass sie Berufspolitiker_innen aller Farben in Aufregung versetzt, sagt viel über das System globalisierter Politik und Korruption aus. Dieses System wird sich schützen wollen. Darum müssen wir in Zukunft mit mehr staatlicher Verschleierung, anstelle von mehr echter Transparenz (und Pseudo-Transparenz als Verschleierung), rechnen. Es könnte zu Gegenmaßnahmen kommen, z.B. zu harten Strafen für Whistleblower (vielleicht unter dem Cover der Terrorismusbekämpfung).

Systeminhärent - man darf nichteinmal böse sein

Das neueste Leck sagt nicht nur etwas über weltweite Steuervermeidungspraktiken aus. Es spricht auch gegen das globale Wirtschaftssystem. Wir leben alle von Schulden - direkt oder indirekt. Nur durch sie wächts diese Weltwirtschaft. Die Armen wie die Reichen sind Zinsknechte der Zukunft. Je mehr Gewinn, umso mehr Schulden, Zinsen und Zinseszinsen; umso mehr virtuelles Geld wird aufgehäuft, in Erwartung zukünftiger, noch höherer Gewinne. Und wenn irgendwann das größte Wachstum, der größte Gewinn nicht mehr ausreicht, um den Schuldenberg, den virtuellen Geldberg aufzuwiegen? Dann muss neuer Gewinn erspart werden - z.B. indem man sich Steuern erspart. Man "spart" nicht wirklich. Man entnimmt sie den Gesellschaften, von denen man lebt (auch indem man behauptet, dass es "Gesellschaften" gar nicht gebe). Daran gehen Staaten zugrunde, damit Unternehmen nicht zugrunde gehen, damit den "systemrelevanten" bzw. systemverantwortlichen Banken nicht die platzenden Blasen um die Ohren knallen.

Dennoch und deshalb muss man einem Jean-Claude Juncker fürs luxemburgische Steuerinseldasein oder dem isländischen Regierungschef fürs private Steuervermeiden auch nicht böse sein. Sie spielen nur das globale Spiel, dessen Figürchen wir alle sind. Sie spielen es nur manchmal besser oder schlechter. Wenn die Panama Papers ein Skandal sind, dann ist es unser gesamtes (Finanz-)Wirtschaftssystem ebenso.

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fgroe

fgroe bewertete diesen Eintrag 07.04.2016 03:31:40

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