Zwei Beispiele – Sebastian Kurz und die FPÖ – wie Populismus in der Akkretionssscheibe des Sommerlochs noch einmal aufleuchtet. Und warum er bewusst für den Popo ist.

Und so funktioniert der Schmäh: Der Kurz - sagt er selbst - dürfe sehr wohl, über die Köpfe aller hinweg, den Plan einer Gefängnisinsel für Flüchtlinge nach australischem Vorbild veröffentlichen. Schließlich wäre er Außenminister UND Europaminister. Dann kommt die Kritik fundiert: Es ginge sich finanziell, rechtlich und vor allem humanitär nicht aus. Also sagen seine Fans: Der Kurz müsse keinen fundierten Plan abliefern, die Details wären Aufgabe anderer. Er wäre ja NUR Außenminister, NUR mit einer Idee.

Kurz weiß, dass sich der Plan (vermutlich innerhalb dieses Jahrhunderts) nicht so leicht umsetzen ließe. Diese Aktion war eine Attacke auf seinen eigenen Parteivorsitzenden, den er, nach der Präsidentschaftswahl, geschwächt sieht. Damit will er sich vor den möglichen zukünftigen Verbündeten, unter den Idiotokratinnen und Barbaren, profilieren. Und sich vorm Volk als einsamer, aber schwiergermuttertauglicher Wolf der Politik darstellen. Jaul!

Der kleine Prinz will Fürst werden

Vom Machiavelli bekommt er dafür eine 1- ohne Sternchen. Weil's ein wenig zu offensichtlich war. Aber das Schöne an dem Plan ist gerade seine unwahrscheinliche Umsetzung. Die EU ist eben nicht Australien, weder größer, noch ein einzelner Staat. Und unsere bestechlichen Nachbarn ohne Menschenrechtsauflage verfügen nicht über das passende Terrain (Flüchtlingslager in der Wüste gibt es längst und halten niemaden auf).

Unser Prinz Basti kann also in Zukunft behaupten, er hätte längst einen vernünftigen Plan vorgelegt, aber die jeweiligen Kolleg_innen in Partei, Regierungskoalition, EU oder Uno hätten nicht auf ihn gehört; und nur deshalb käme es zu weiterer Flüchtlings-, Regierungs- (Neuwahlen), Europa- oder Weltkrise - je nachdem, gegen wen es gerade gehen und was gerade eintreten wird. Schwer zu sagen, ob Doskozil das auch kapiert hat.

Schöner als Sisi

Dass deutsche Kommentator_innen mit Kritik an Kurz zurückhaltender sind, ist auch kein Wunder. Im Vergleich zu ihren Spitzenpolitiker_innen ist Sebasian Kurz ein Supermodel, der schön sprechen und geradeaus artikulieren kann. Trotz exotisch-südlichem Akzent, poltert er nicht wie die Oberbayern. Im Gegenteil: Er behält Mimik, Gestik und Ton in der neutralen Zone. Und er weiß, bei rhetorischen Ausweichmanövern und Gegenangriffen weder zu zaudern noch zu übertreiben. Es beherrscht die Kunst so ein bisserl fast gar nix zu sagen, solange es sich nicht um unbeweisbare, große Worte handelt. In einer deutschen Gesellschaft, die medial-populistisch schon etwas weiter verkommen ist als die österreichische, ist diese Kunst alles, was Berufspolitiker_innen beherrschen müssen.

Die Zauber-Schow der FPÖ

Eine glatte 1, vielleicht vom Metternich, bekommt die FPÖ für ihre Wahlanfechtung. Vorwürfe in großer Menge, über deren Details nur sie selbst verfügt, weil sie Teil eines juristischen Verfahrens wären, in kleiner Menge bestätigt, deshalb leicht zu glauben, praktisch aber erst in mehreren Wochen für die Öffentlichkeit widerlegbar. Selbst wenn VdB dennoch am 8. Juli angelobt würde, bleibt ein Gewölk aus Gerüchten und Verschwörungstheorien über seiner Amtszeit hängen. Die FPÖ kann sich als die Antikorruptionspartei darstellen, die immerhin versucht hätte, dem Kleinen Mann Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Allein sie scheiterte am bösen rot-schwarzen und mittlerweile auch “grünfaschistischen” Staatsapparat.

Wenn die eine Hand weiß, was die andere tut

Der Zauberer schnippt mit dem Finger und das Publikum verliert seine andere Hand aus den Augen. Bei dieser politischen Zauber-Show könnte man leicht vergessen, dass FPÖ-Anwalt Böhmdorfer in der ZIB 2, ohne Wimpernzucken, offenbar die Unwahrheit sagte. Oder dass auch Wahlbeisitzende der FPÖ anwesend waren, als angeblich hunderttausende Briefwahlkarten misshandelt wurden. Ihre Unterschriften bestätigten zunächst eine saubere Wahl. Danach kommt ihr Partei-Chef mit der Wahlanfechtung daher, zu einem relativ späten Zeitpunkt, den er natürlich mit vorläufiger Überprüfung der Materie entschuldigen kann. In diesem Zusammenhang erscheint auch Hofers damals relativ schnelles Eingeständnis seiner Niederlage, bei einem so knappen Ergebnis, etwas eigenartig.

Jedenfalls könnte sich die Angelobung verschieben und kurzfristig Norbert Hofer, als 3. Nationalratspräsident (gemeinsam mit seinen beiden Kolleg_innen), die Amtsgeschäfte von Heinz Fischer übernehmen – also noch vor Van der Bellen. Damit macht man sich wichtig, ohne alleinige, wirkliche Verantwortung übernehmen zu müssen. Sobald VdB dann doch Bundespräsident ist, wird man das Zustandekommen der Wahlabsonderlichkeiten wieder vergessen haben. Weshalb sich auch niemand mehr für die Rolle der FPÖ darin interessieren wird. Vielleicht geht es im Profi-Populismus genau darum, knapp nicht regieren zu müssen, um stets unangreifbar zu bleiben, aber doch genug Macht anzusammeln, um Einfluss nehmen zu können.

Fazit: Der Populismus müsste Popolismus heißen, denn er ist 1) für den Arsch und 2) nur für die... na, lassen wir das.

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Mona Loga

Mona Loga bewertete diesen Eintrag 11.06.2016 22:59:36

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