Über Medien mit eigenartigen Pro-TTIP-Argumenten und warum Greenpeace eben doch Recht hat

Nervöse Medien und ihre Pseudoargumente

1 und 2: Rotkäppchen verzeiht dem Wolf

Es ist erstaunlich, wie schnell sich nach den Veröffentlichungen der TTIP-Verhandlungspapiere, durch Greenpeace, diverse Medien beeilten, sie Sache klein zu reden. Dabei spricht man sich nie direkt für TTIP aus, aber immer gegen das Dagegensein (Illusion von Objektivität). Weil 1) teilweise nicht wortwörtlich bzw. explizit drinnen stünde, was die Umweltaktivist_innen heraus-lesen. Weil 2) die Androhung von Importerschwernissen (z.B. für europäische Autohersteller) eine ganz normale Verhandlungstaktik sei.

Auch der angeblich linke(re) Standard stellt sich naiv wie das Rotkäppchen vor den Wolf. "Was könne man nur gegen 'freien Handel' haben?", fragt man mit einer Unschuld, die gespielt sein muss. Wer glaubt, dass weniger Handelshemmnis (und damit weniger Kontrolle) automatisch zu mehr Jobs und Wohlstand eh überall führen würde, hat entweder seine Wirtschaftstheorien bei Dagobert Duck gelernt oder die letzten Jahrzehnte im Koma verbracht. Sogar ein Guter, wie Andras Szidgetvari streut uns u.a. Adam Smith als angeblichen Freihandelsvater in die Augen. Dieser nicht wenig kritisierte Ökonom konnte vom 18.Jhd. aus vieles nicht vorausahnen, was später kommen sollte.

3 und 4: Trump und wir und unsere blöden Prinzipien

Nikolaus Piper kommt wie beiläufig mit dem Smoot-Hawley Act (1930) daher, als wäre eine plötzliche massive Zollerhöhung das selbe wie ein nicht unterzeichnetes Abkommen über einen ohnehin schon relativ liberalisierten Handel. Er lässt auch unerwähnt, dass es ausgerechnet Roosevelt war, der neben dem Vorläufer unseres Neoliberalismus auch gleich dieses Gesetz in die Schranken wies.

Piper essayte ansonsten, dass alle, die gegen TTIP sind, sich noch wundern würden. Eine Anspielung auf einen unserer Präsidentschaftskandidaten, von denen beide gegen das Abkommen sind. Er suggeriert das nicht seltene Argument 3): Es würde quasi für TTIP sprechen, dass sowohl extreme Linke als auch extreme Rechte dagegen seien. Diese Scheinargument taucht öfter auf, seit TTIP-Gegner Donald Trump ohne Konkurrenz in der GOP dasteht. Wobei wieder einmal - neben seriöseren TTIP-Gegnern - das moderate Volk zwischen den Extremen ignoriert wird, das ebenfalls dagegen ist. Zählt seine Meinung nicht, weil seine Stimmen so vielseitig sind? Oder weil sie nicht der Meinung des Essayisten entspricht?

Der führt uns auch noch zu Pseudoargument 4). Es würde den Gegner_innen doch nur um Prinzipien gehen, die Details wären egal. Abgesehen davon, dass Prinzipien nicht prinzipiell schlecht sind, (nur weil sich weigert über ihre Inhalte zu sprechen,) ist es genau umgekehrt: Die EU selbst ist ein Freihandelsprojekt und in diesen Tagen liefern sich europäische Demonstrant_innen Gefechte mit der italienischen Polizei, weil sie (vielleicht unbewusst) auch diese Freiheit am Brenner verteidigen wollen. Den seriösen Abkommens-Gegner_innen geht es vor allem um die Details, denn gerade diese zeigen: TTIP ist kein gewöhnliches Freihandelsabkommen.

"Freihandel": Klug würde sagen “interpretationselastisch”

"Freihandel" kann vieles bedeuten. Der Begriff ist so interpretationsanfällig wie die Verhandlungsführer_innen von sich aus intransparent. Zollerleichterungen zwischen Staaten? Gibt es weitgehend. Wären auch nicht das Problem. Aber das, was eigentlich verhandelt wird - und das können die kapitalistischen Linken nunmehr genauso wenig verleugnen wie patriotisch-konservative Globalisierungsfans - ist die Beseitigung unterschiedlicher Konsument_innenschutz- und Umweltstandards im Namen einer "Angleichung". Darauf macht Greenpeace als Umweltschutzorganisation zu Recht aufmerksam.

Notwendige Folgerungen

Wenn von den USA nur gefordert würde, dass Produktzulassungsverfahren auf wissenschaftlicher Grundlage stattfinden müssten (,Herr Szigetvari), ist das eine Anspielung: In den USA muss der Staat erst wissenschaftlich beweisen, dass ein Produkt schädlich ist. In der EU genügt der wissenschaftlich begründete Verdacht, um es zu verbieten. Es muss also NOTWENDIG weiter verhandelt werden, für welche der beiden Möglichkeiten, Verfahren und Wissenschaftlichkeit anzuwenden, man sich entscheidet.

Die USA werden die EU jedenfalls nicht darum bitten, amerikanische Unternehmen zur wissenschaftlichen Beweisführung zu zwingen - was z.B im Fall von Glyphosat (Patent liegt bei US-Konzern Monsanto) jetzt schon schwierig genug zu sein scheint. Logischerweise wird man also weiterhin fordern, dass europäische Staaten die Gefährlichkeit, durch langwierige und kostspielige Prozesse, beweisen, ehe sie ein Produkt verbieten dürfen. "Corporations are people" lautet in den USA ein oberster Richtspruch. Allerdings haben EU-Staaten, im Vergleich zu US-amerikanischen, nicht die Möglichkeit, Unternehmen auf Milliarden zu verklagen, wenn im Nachhinein etwas schief geht.

Auch wenn's seit PEGIDA blöd klingt: “Wir sind das Volk”

Das europäische Volk - quer durch die politische Landschaft - ist zu Recht skeptisch. Aber das amerikanische ebenso. Der Buy American Act soll als Klausel im TTIP erhalten bleiben. Amerikanische Regierungsorganisationen sollen also lokale Produkte kaufen. Im Zeitalter des menschgemachten Klimawandels wäre das für alle Erdlinge sinnvoll, also auch ein "Buy European Act" und simpel ein "Buy Local Act" empfehlenswert.

Vielleicht sollten wir als gewöhnliche Europäer_innen vermehrt auf die gewöhnlichen Amerikaner_innen achten. Immerhin gibt es die nordamerikanische Freihandelszone (Nafta) mit Mexiko, USA und Kanada, seit 1994. Dessen einzig positiver Effekt laut US-Kongress: "Nafta hat nicht so viele Arbeitsplätze vernichtet, wie seine Kritiker befürchteten“.

Leider müssen wir - durch die Verhandlungspapiere nicht weniger - feststellen, dass hinter verschlossenen Türen nicht Vertreter_innen beider Völker verhandeln, sondern Wirtschaftslobbyist_innen und deren Vertreter_innen in Regierung und Kommission. Könnten die jeweiligen Völker (Vertreter_innen der Arbeiter_innen, der Klein- und Mittelbetriebe, der Bauern und Bäuerinnen) unmittelbar miteinander verhandeln, würden die Tendenzen anders aussehen. Wir, die Völker, sind jedoch von den Verhandlungen ausgeschlossen. Ebenso vom geplanten System aus Schiedsgerichten durch jene Konzerne, die es sich leisten können, Staaten in den Gehorsam zu klagen (wie es z.B. Tabak-Konzerne mit ärmeren Staaten bereits tun). Versucht das mal als Bürger_innen. Corporations sind also doch nicht People wie alle anderen.

Stefan Antonik-Seidler

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