Das “Denken” der europäischen politischen Eliten unserer Idiokratien ist primitiv und brachial. Das lässt sich auch nicht durch die Komplexität der Durchführung ihres jüngsten Streichs verschleiern: Die Türkei wird zum (noch nicht einsatzbereiten) Söldner der EU. Sie soll durchführen, was Europa nicht darf bzw. dürfte: Die Deportation von Flüchtlingen in ein Land, das deren Rechte nicht anerkennt – dies sogar von europäischem Boden weg, auf dem das Recht auf ein Asylverfahren innerhalb des jeweiligen EU-Staates bestünde. Es wird ignoriert. Auf der rechtlichen Grundlage von... “wen kümmert's”.

Ausreden

Die EU-Regierungen werden sich mit der Behauptung herausreden, dass sie das Asylrecht lediglich verschieben würden. Kriegsflüchtlinge würden von der Türkei aus sogar auf sicherem Wege in die EU transferiert und dort verteilt werden. Stimmt. Allerdings nur dann, wenn andere Flüchtlinge – aus welchem Grund auch immer – nicht in der Türkei, sondern auf einer der Ägäisinseln erwischt werden. Diese werden dann in die Türkei verschleppt, woraufhin die selbe Anzahl der bereits internierten Flüchtlinge nach Europa darf. Wenn sie z.B. aus Syrien oder dem Irak stammen. Wenn nicht, bleiben sie in den türkischen Lagern bis niemand mehr nach ihnen fragt.

Perfide Strafen eines perfiden Systems

Flüchtlinge, die auf den griechischen Inseln aufgehalten werden, will man überdies bestrafen. Sie werden auf den Warteplätzen für den Transfer in die EU an die letzten Stellen gereiht. Das darf man sich auch in menschlichen Dimensionen vorstellen: Menschen, die eventuell noch nichts von den glorreichen Verhandlungen zwischen EU und Erdoganistan gehört haben, schaffen es in größter Not über das verdammte Mittelmeer auf die nächstbeste Insel. Daraufhin werden sie, ohne zu verstehen warum, von Militärs in die Türkei gebracht und dort in ein Lager gesteckt, wo sie vielleicht nur dann jemals wieder herauskommen, wenn es genügend anderen genauso ergeht wie ihnen. Flüchtlinge, die aus der Türkei nach Europa gebracht werden, profitieren also vom Unglück ihrer Leidensgenossinnen und Landsleute. Ein perfides System.

Ein Vorhang für die Festung

Zugegeben, das sind nur rechtliche und ethische Befindlichkeiten. Die ganze Welt steckt in der Dauerkrise. Alle kämpfen ums nackte Überleben... zumindest die Flüchtlinge. Wir, deren Überlebenskampf darin besteht, endlich mit dem Rauchen aufzuhören, machen uns dennoch in die Hosen vor dem Leid der Anderen. Vielleicht ist es ja ansteckend?! Deshalb baut auch unsere Innenministerin so gerne an der “Festung Europa”. Willkommen im Mittelalter!

Den Freund_innen der “Realpolitik” gebe ich jedoch zu bedenken, dass Festungen eine Baukultur des Feudalismus sind. In ihnen bunkerte man Waffen und Waren zu einer Zeit, als beides noch nicht quer über den ganzen Globus transportiert wurde. Vielleicht müsste man sich Europas Festung eher wie die chinesische Mauer vorstellen, die auf Dauer auch keine Sicherheit bot? Oder wie den eisernen Vorhang? Ja, das könnte sogar funktionieren.

Konzentration und Steigerung des Leides

Was allerdings nicht funktionieren wird, ist die Praxis, die menschlichen globalen Probleme auszusperren. Jede Barriere für Flüchtlinge, jeder Diktator, der in unserem Auftrag diese Menschen abfängt, damit sie in Lagern verelenden oder in Zwangsarbeit enden, wird das Leid in der Welt nicht einfach zum Stillstand bringen. Sondern steigern.

Die Systeme der Unterdrückung und Ausbeutung, die sich auch im Outsourcing der europäischen Flüchtlingspolitik widerspiegelen, werden an den Genzlinien konzentriert und dadurch verstärkt. Sie werden brutalen Regimen als Legitmationsgrundlage dienen und die demokratischen Menschenrechtsstaaten werden diese bei der Legitimation ihrer Tyranneien unterstützen, wenn nur die lästigen Flüchtlinge ferngehalten würden. Der Adel bezahlt die Kriegsknechte, um den Pöbel vor der Festungsmauer zu zerhauen. Eine Konzentration von Präkariat, Ausbeuterbetrieben und Tyrannei in den jeweiligen Söldner-Staaten wird zu deren Destabilisierung führen. Irgendwann werden Flüchtlinge nicht nur den türkischen Lagern entfliehen, sondern – als dessen Staatsbürger_innen – dem türkischen Staat selbst. Und was dann?

Nicht gegen sondern mit Flüchtlingen arbeiten

Die einzige europäische Flüchtlingspolitik, die das Leid der Menschen lindern und zugleich die Probleme relativ kontrollieren kann, ist eine auf europäischem Grund und Boden. Nur innerhalb der EU haben wir tatsächliche Kontrolle über den Einsatz unseres Geldes und Personals. Nur hier können wir gewährleisten, dass GEGEN sondern MIT den Flüchtlingen gemeinsam Lösungen erarbeitet werden. Das wäre die sinnvollere Herangehensweise: Nämlich das Potenzial jener Menschen miteinzubeziehen, die ihre Heimat nicht freiwillig verließen und sich nichts mehr wünschen, als diese wieder aufzubauen. Warum nicht auch mit Hilfe europäischer Investor_innen?

Warten auf das große Staunen

Auch werden die Idiokrat_innen der EU vermutlich bald recht dumm aus ihren Anzügen glotzen, wenn sie feststellen, dass sich Flüchtlinge neue Routen suchen, die abseits der Türkei liegen. Welchen Deal werden wir Putin unterbreiten? Schenken wir ihm die Ukraine? Denn vielleicht sollte man das unseren Außenminister_innen einmal erklären: Wer aus Asien (siehe auch Afghanistan) kommt – und von dort werden in Zukunft noch viel mehr kommen – muss nicht unbedingt den Umweg über Arabien bzw. das iranische Hochland nehmen.

Antonik Seidler

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Marian Eisler

Marian Eisler bewertete diesen Eintrag 22.03.2016 07:27:15

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