Wahlkampf: Die "einzig linken" Grünen und die Vermarktung

Nun beginnt ein vorzeitiger – für manche Verantwortlichen rechtzeitiger – Wahlkampf in Österreich. Die drei Altparteien befinden sich Kopf an Kopf, auch wenn die ÖVP mit neuem Werbe-Sujet ins Rennen gehen will.

Auch bei den Grünen gab es eine Veränderung: Ulrike Lunacek ist Spitzenkandidatin, Ingrid Felipe Bundessprecherin. Was ihnen im Wahlkampf, im Gegensatz zur ÖVP, nicht als Vorteil ausgelegt wird. Wer will schon parteiinterne Machtbalance, Loyalität, langjährige Erfahrung und politische Inhalte, wenn er Sebastian Kurz haben kann?

Die Marke ist alles, hört man Experten sagen. Die Grünen hätten bis zur Wahl kaum Zeit, ihre Kandidatin auf dem Markt, der die Politik sein will, zu platzieren. Einer hatte es für problematisch befunden, dass die Partei sich überhaupt mit einem längeren, demokratisch organisierten Entscheidungsprozess aufhielt. Es würde in der allgemein chaotischen Stimmung für noch mehr Unsicherheit sorgen. Bei wem auch immer. Offenbar verwechselt man hier die typischen Grün-Wähler*innen mit geköpften Hühnern. Und als würde man in ruhigeren Zeiten nicht das gleiche Gejammer hören, dass diktatorisches Drüberfahren viel effektiver wäre als vernünftiger Konsens.

Die Grünen seien vor Experten gewarnt

Die Grünen entschieden sich schnell. Sie seien dennoch vor der Berufsexpertise gewarnt. Wer sich als einzig „linke“ Partei positionieren will, sollte die Berufspolitik nicht als Wirtschaftszweig betrachten.

Das Problem unserer Zeit besteht darin, dass sich alle einer gesamtgesellschaftlichen Vermarktung unterwerfen. Non-Profit-Organisationen, staatliche Institutionen, Parteien, Künstlerinnen und Poeten, alle im "sozialen Netzwerk", alle müssten sich heute vermarkten, wenn sie „wer“ sein wollten. Das behaupten Expert*innen, die damit ihr Geld und ihr Wer-sein verdienen, uns zu erklären, dass wir unbedingt das bräuchten, was sie uns anzubieten haben. Mensch werde Ware! Partei sei Unternehmen! Das ist alles andere als „links“.

Wer sich fragt, warum der „Schulz-Zug“ in Deutschland die Sozialdemokratie nicht aus der Bedeutungslosigkeit ziehen kann, darf nicht die Marketing-PR-Expert*innen fragen. Die sehen nur Promi-Effekte und Medienpräsenzen. Das vom Sozi Gerhard Schröder eingeleitete soziale Hartz-Elend, im Exportwunderland mit seinem stagnierenden Reallohnniveau und Binnenmarkt, sehen sie nicht. Sie sind – mit bestimmten Ausnahmen – systemblind. Die Welt der medialen Meinungsblasen, in denen Expert*innen uns so lange sagen, was wir denken, bis wir es denken; bis wir es als Normalität betrachten, weil wir fürchten, sonst zu den Freaks zu gehören, ist auch ihre Welt. Und wenn man sich die Kommentare der Jungpolitiker*innen nach der ÖH-Wahl anhört, stellt man fest, die reden bereits den gleichen oberflächlichen Werbe-Schwachsinn, im gleichen unverbindlichen Ton wie die Alten. Hier erwächst keine Alternative. Zumindest wird es nicht kommuniziert in der systematischen Kommunikation (Wahlbeteiligung 21,52%).

Peter Filzmaier sagte vermutlich richtig: Die Grünen könnten in ihrem Wahlkampf nicht die Kanzlerfrage stellen. Sie müssten sich auf bestimmte politische Themen konzentrieren. Gemeint sind relevante Themen, nicht Kopftuchverbot oder Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Interessant, dass man glaubt, einer politischen Partei hierzu raten zu müssen. Aber – und das ist doch alarmierend – man muss! Ich hoffe, Lunacek und ihr Team werden sich daran erinnern. Sie nannte immerhin Freda Meisner-Blau und Johanna Dohnal als ihre Vorbilder. Right on, sister!

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