Ich bin depressiv.

Und selbst wenn hie und da nicht, ein reinweg fröhlicher Mensch bin ich nie. Aber selbst wenn mir mal eine kurze Pause vom allgemeinen Elend gegönnt ist, schaltet sich der Fernseher garantiert auf irgend so eine Scheiß-Sendung; vorzugsweise solche, in der Tiere gedemütigt und gequält werden.

An diesem Samstag heute landete ich sofort angeekelt bei Herrn Rütter, dem Hunde-Experten.

Dem TIER-PSYCHOLOGEN!

Selbst bei Menschen ist Psychologie ein heikles Pflaster, was gute Psychologen als Erste zugeben würden. Immerhin. Menschen könnten über ihr Leid, ihren Kummer, ihre Ängste reden. Wenn sie wollen. Oder können.

FinisNoXx

Ein Tier-Psychologe dagegen ist ein aufgeblasener Lügner, ein Scharlatan, ein hochstapelnder Aufschneider – im besten Fall. Und will nur Ihr Geld.

Komische Sache.

Möglicherweise liegt es an meinem nie erlahmenden Misstrauen den meisten Menschen gegenüber, möglicherweise ist dieses Misstrauen aber auch gerechtfertigt.

Ja. Wenn ich all diese selbsternannte Experten heutzutage sehe oder höre, die eine ‚Botschaft‘ verbreiten wollen und – wie jeder gute Quacksalber – seine Methoden für das Ur-Gelbe vom Ei hält, das notwendigerweise unter der ganzen Menschheit Verbreitung finden muss, erfasst mich ein längst vergraben geglaubtes Verlangen, dem zu wiederstehen immer schwerer wird.

Ok, ja, genug Vor-Geschwafel.

Worum geht’s eigentlich?

Um die Laura und ihren Hund Don Peppino.

Die Laura, eine typische Will-noch-Teenager-sein - Tussi der heutigen Zeit rettete einen Hund aus einer Tötungs-Station. Wo er – davon kann jeder ausgehen – unsägliche Qualen erlitten hat. Wie mit ziemlicher Sicherheit auch in seinem Leben davor.

Und dann kam die Laura daher.

Beseelt vom schönen Mainstream-Rettungs-Gedanken so vieler junger Idioten, dass gute Taten sich ganz von selbst belohnen. Und einen natürlich moralisch über alle anderen erheben.

Wie erhebend!

Nicht wahr.

Wen kümmern da die Folgen. Oder der Alltag mit all seinen Problemen? Eine Laura und ihresgleichen sicher nicht. Denn es ist ja geradezu exemplarisch, dass dieses Tier fortan jede Sekunde seines ihr zu verdankenden Lebens enthusiastische, dramatische, am besten mit donnernder Musik unterlegte Dankbarkeit empfindet. Und vor allem AUSDRÜCKT! Aber sowas von sichtbar! Ihr schmeichelt, sie anhimmelt, eben ganz und gar ein Teil ihres armseligen völlig Ich-bezogenen Lebens wird.

Zumindest aber sollte sich das Scheiß-Vieh – immer wenn sie es in der Öffentlichkeit stolz rumführt (Das ist ein PODENCO! ICH habe ihn aus einer Tötungs-Station gerettet!) vor ihr niederknien, sie anschmachten und vor lauter Liebe vergehen.

Das ist ja wohl das Mindeste!

Genau! Dieser auf langes, schnelles Laufen gezüchtete Windhund - dem Kenner ein gewisses ADHS-ähnliches Verhalten nachsagen, wie übrigens den meisten Windhunden - soll wie eine Statue stundenlang in ihren In-Café's rumsitzen, sich bei Bedarf (sprich: wenn SIE das so will) an sie pressen, sie zutraulich angaffen und – sobald sich ein anderer Mensch interessiert erkundigt – auf der Stelle und vor allem DEUTLICH SICHTBAR seine Liebe und Verehrung für sie bekunden.

Stattdessen ist das Scheiß-Vieh ein ‚Nörgler

Diagnostiziert Herr Rütter schon in der ersten Sekunde, als der Hund – dem zu allem Elend auch noch der verblödete Name ‚Don Peppino‘ aufgehalst wurde – mit krummen Rücken, eingezogenem Schwanz und fast auf der Erde schleifender Schnauze versucht, seinen bitteren Erinnerungen zu entkommen.

Menschen mit lauten, kalten Stimmen?

Menschen, die ihm drohende Befehle erteilen?

Die er – das nebenbei – nicht verstehen kann.

Menschen, die auf ihn zu getrampelt kommen, keinen Abstand halten, an ihm rum tatschen und jederzeit zutreten können?

Daraufhin wimmert (NÖLT) das arme Wesen.

Jetzt kommen ein paar Tipps, wie der Hund gemaßregelt werden soll. Einige der gruseligeren werden folgendermaßen begründet: Weil der Hund auf einer Spielwiese, wo er mal unangeleint (nicht mit einem würgenden Halsband um) rumlaufen darf, doch allen Ernstes nicht auf der Stelle kommt als die Laura hysterisch ruft - und dann auch noch – um das Maß voll zu machen – sich irgendwie weigert mit Herrn Rütter und seinem abgehäuteten Hasen an der Stange zu spielen. Ja. Da müssen drastische Maßnahmen her!

Auf die Idee, dass das arme Geschöpf überhaupt nicht weiß, was die beiden Armleuchter von ihm wollen, kommen beide nicht.

Diagnose: Fieser Hund! Muss dringend diszipliniert werden.

Eine halbe Stunde später – ich dachte Rütter wäre im Experten-Nirwana für derlei Gestörte verschwunden und nun wäre die Sendung mit den Menschen, die ihre Tiere lieben, was muss ich sehen?

Und hören?!

Herrn Rütter mit seinem (immer wieder spaßigen) Vorschlag den Hund mal hungern zu lassen und so richtig zu mobben.

Also hält LAURA zuerst dem verstörten Tier den Freßnapf vor die Nase - und als der NICHT AUF DER STELLE ihr genuscheltes Kommando HINLEGEN (!) befolgt - vermutlich, weil der Hund völlig verwirrt war, denn wieso sollte er beim Fressen liegen - reißt Laura den Napf von der Schnauze weg. Und geht davon. Mit dem Napf. Wieder und wieder und wieder.

Aber natürlich geht's immer noch besser. Beachten Sie ihren Hund absolut NIE! Rät Rütter. Auch und BESONDERS dann nicht, wenn er wimmernd ankommt und gestreichelt oder getröstet werden will. Weil er nicht mehr weiter weiß und sich zu Tode fürchtet.

Nein. Rütter würde nie im Fernseh-Sender VOX dazu aufrufen, den Hund dann wegzutreten. Oder zu prügeln. Soviel hat er dazu gelernt. Und als die Besitzerin eines anderen Hundes, der zu ‚anhänglich‘ ist das verstörte Tier heftig an der HALS-Leine (!) reißt, fühlt sich Rütter sogar bemüßigt einzuwerfen: Nicht so fest!

Dabei lacht er.

Klar.

Und wenn SIE Rütters Vorschläge und anschaulichen Vorgaben fleißig nachmachen, dann haben sie alsbald ein Zombie-artiges Angst-Bündel – das regungslos in einer Ecke hockt.

Oder – wie im Fall des kläglich schlotternden Peppinos, der mit ‚allerlei Mitteln‘ darauf trainiert wurde, nun bei jeder Gelegenheit seine wunderbare Retterin LAURA mit weit aufgerissenen Augen anzustarren, denn dass dieses undankbare Vieh sie einfach nicht anschauen wollte, war ihr ein besonderes Gräuel, ein Etwas, das mir Schauder verursacht.

Ich empfehle allen sich dieses Experten-Ergebnis mal ganz genau anzuschauen. Geht ganz leicht bei VOX. Der Hund, der gegen alle seine Instinkte, die ihm auf der Straße das Leben retteten, nun voller Angst und Entsetzen mit starrem, totem Blick seine entzückte LAURA anstarrt. Als hätte ihm Experte Rütter die Augenlider weggeschnitten.

Besitzerin Laura dagegen, die anscheinend nie auf die Idee kam, dass sie – wenn sie ein so schwer misshandeltes Tier zu sich nimmt – es womöglich trotzdem nicht schafft auch mit unendlich viel Liebe und Geduld diesem Tier wieder Vertrauen in Menschen zu schenken, ist mit ihrem Zombie-Hund zufrieden.

Wie geht das, fragen Sie sich vielleicht. Vielleicht aber auch nicht, weil auch sie eine Menge Geld für so einen Experten vergeudet haben, der ihren Hund in eine willenlose, erbarmungswürdige Kreatur verwandelt hat, die eher an ein ausgestopftes als ein lebendes Tier gemahnt.

Immerhin. EINEN GEWINNER hat die schmierige Story. Außer Rütter natürlich. LAURA war im Fernsehen, hatte ihre Minute Ruhm und konnte aller Welt zeigen, was für ein edler Mensch sie doch ist.

Mir fällt da immer wieder ein, was würden wohl alle schreien, wären das traumatisierte Kinder, die Rütter da disziplinierte.

Ja. Klar. Das ist kein Vergleich.

Natürlich ist es einer.

Ein Lebewesen, das Todes-Angst haben kann, Schmerz erleidet, Freude empfindet, Liebe geben will – beinahe jede Emotion hat, die auch Menschen empfinden und dessen Intelligenz zumindest dem eines kleinen Menschen-Kindes gleichgestellt werden kann, ist auch in jeder Hinsicht gleichwertig.

Wenn es darum geht, wie wir es behandeln sollten.

FinisNoXx

Das es auch ganz anders geht, zeigen die BBC-Sendungen über Hilfe für alle unbedarften Hunde-Liebhaber.

(Und vielleicht auch ein paar Menschen, die Hunde lieben, Erfahrung haben und diese weitergeben.)

Wie zum Beispiel Herr Patel, der Hunden UND ihren Besitzern auf spielerische - und für die Hunde nicht Angst erregende - Weise helfen will.

Herr Patel erzieht - beziehungsweise versucht es - vor allem aber auch sogenannte (selbsternannte) Hunde-Trainer hierzulande.

Zumindest VERSUCHT Herr Patel zu vermitteln, dass Geduld, Verständnis und Liebe - und gelegentlich mal ein mahnendes Wort, wer wollte da zweifeln - immer genügen.

Um dem Mensch zu lehren, dass sein Hund eben ein Hund ist.

Und kein Roboter.

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