Der erste Schritt aus einem krankmachenden System

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Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit und Kohärenz für alle!

„Das Besondere ist das Normale und das Normale ist das Besondere.“ Friedrich von Metzler (Deutscher Bankier)

Seit den 1980er-Jahren gibt es eine neue wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Erhaltung der Gesundheit beschäftigt. (1) Die Salutogenese sieht Gesundheit nicht als einen Zustand, sondern als einen Prozess.

Der israelisch-amerikanische Professor und Medizinsoziologe Aaron Antonovsky (2) wertete die Daten der kleinen Gruppe von Frauen aus, die es geschafft haben, trotz Gefangenschaft in nationalsozialistischen Konzentrationslagern ihre körperliche sowie psychische Gesundheit zu erhalten. Er kam zu dem Schluss, dass es eine Ressource war, die all diese Frauen gemeinsam hatten.

"Neurobiologisch gesehen wollen alle Menschen einen Zustand erreichen. Den Zustand von Kohärenz." -Prof. Dr. Gerald Hüther- (3)

Heißt: Wir hätten gerne, dass alles passt. Diesen Zustand können wir jedoch niemals auf Dauer erreichen. Das Leben wirft uns ständig in verschiedenen Art und Weisen aus einem einmal erreichten Gleichgewichtszustand, den wir angestrebt haben, wieder hinaus. Menschen mit einem ausgeprägten Kohärenzgefühl haben gelernt, dass sie es aus eigener aktiver Handlungskraft schaffen, einen nicht passenden Zustand wieder zu einem Zustand zu machen, der passt. Neurobiologisch gesehen machen wir das aus einem speziellen Grund: Im Zustand der Kohärenz verbraucht Gehirn und Körper weniger Energie.

Alle sich selbst organisierenden Systeme, also auch das Gehirn, streben einen Zustand an, in dem alle Mitglieder so wenig Energie wie möglich verbrauchen. Das Hirn ist also derart organisiert, dass es immer Energie sparen möchte. Und das tut es, indem es kohärente Zustände anstrebt.

Kohärenz hat nur noch wenig mit Selbstbewusstsein zu tun.

Selbstbewusstsein ist eine Haltung, eine innere Überzeugung. Es ist auch nicht immer nur eine positive Eigenschaft.

Dr. Hüther (4): „Ich kann mit sehr viel Selbstbewusstsein Menschen demütigen. Ich kann mit viel Selbstbewusstsein ein Sklavenhändler werden. Ich kann mit sehr viel Selbstbewusstsein einen Krieg anzetteln. Selbstbewusstsein allein hat noch nicht den Wert, den wir uns als Gesellschaft vom Einzelnen wünschen sollten. Es heißt ja eigentlich nur, dass ich einer bin, der nicht lange nachdenkt, der überzeugt ist, dass er die Dinge toll hinkriegt. Arroganz kann schnell mit Selbstbewusstsein verwechselt werden. Dann sagen die Leute über denjenigen: >Der hat aber viel Selbstbewusstsein.<“

Kohärenz hingegen ist das Gefühl, das man entwickelt, wenn man es immer wieder aufs Neue schafft, seine Krisen und Probleme in den Griff zu bekommen, auszugleichen und wieder ein für sich selbst passendes System zu schaffen.

Wer die Erfahrung gemacht hat, dass er zwar immer wieder aus dem Gefühl der Kohärenz herausfällt, aber diesen Zustand aus eigenen Kräften wiederherstellen kann, entwickelt er ein Kohärenzgefühl. Ein Gefühl, dass man die vielen Konflikte, Krisen und Probleme in seinem Leben immer aus Eigenem lösen konnte und deshalb weiterhin können wird.

Menschen mit hohem Kohärenzgefühl sind weniger anfällig auf Angststörungen und Depressionen und haben trotz erfahrenen Rückschlägen eine höhere Frustrationstoleranz. Sie können mehr Erfolge im Beruf und der Ausbildung vorweisen.

Es hat sich gezeigt, dass diese neue Disziplin der Wissenschaft, die Salutogenese, nebenbei auch eine Lehre vom Glücklichsein ist. Anscheinend geht Gesundheit und Glücklichsein Hand in Hand.

Menschen mit schlechtem Selbstbewusstsein sind in der Regel an den Urteilen und Wertmaßstäben der anderen gescheitert.

Denn grundsätzlich kommen wir alle mit dem Mut, alles hinzukriegen, auf die Welt. Durch individuelle Erfahrungen werden wir entweder vorsichtiger oder mutiger. Viele geniale Menschen lassen sich schon sehr früh durch Normen einschränken und hören auf, sich selbst auszudrücken. So wissen sie oft gar nicht, wie genial sie eigentlich sind.

Wer sich immer an den Normen der Gesellschaft orientiert und sich dabei selbst vergisst, macht sich selbst zum Objekt der anderen

Man entwickelt sich zum Objekt fremder Erwartungen, Wünsche und Ziele. Man ist Objekt von Unterrichtsmaßnahmen, Belehrungen, Strafvollzugsmaßnahmen, Verkaufsmaßnahmen oder Planungen. Wir werden sehr häufig benutzt. Das ist Teil unserer Kultur.

Sobald man zum Objekt gemacht worden ist, beispielsweise zum Objekt von Strafvollzugsmaßnahmen, kann man sich jedoch nicht mehr weiterentwickeln.

„Und auch der, der andere zum Objekt macht, entwickelt sich nicht weiter. Er schmort im eigenen Saft seines Herrschaftskreises. Er bestimmt zwar alles, was andere Leute so rund um ihn tun, ihm selbst fehlt aber auch die Anregung, die er brauchen würde, um sich weiterentwickeln zu können. Es fehlt die kritische Rückmeldung, die Anerkennung, die Wertschätzung. Auch er fühlt sich nicht als Subjekt, obwohl er ständig so tut, als ob er eines wäre. Warum machen wir das? Das ist doch vollkommener Blödsinn!“ Dr. G. Hüther (4)

Dabei haben wir alle dieses tiefe Wissen in uns, wie es eigentlich richtig wäre. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir, wie es für uns gut und richtig wäre. Und: Machen es trotzdem falsch. Auf diese Weise lassen wir zu, dass wir uns gegenseitig eine Menge Energie rauben, die wir für Wichtigeres nutzen könnten.

Viele, vor allem junge Menschen, steigen derzeit aus dem System aus, weil sie sich nicht mehr zum Objekt ihres Lebenslaufes machen lassen wollen.

Trotzdem lassen sich viel zu viele noch wie Objekte behandeln. Sie lassen es zu, dass irgendjemand zu ihnen sagt, dass das, was sie tun, nicht genug sei. So entwickeln sie von sich selbst ein Bild der Bedeutungslosigkeit und verlieren im gleichen Moment, in dem sie sich zum Objekt haben machen lassen, die Beziehung zu sich selbst. Sie verlieren ihr Selbstbewusstsein.

Um ihr Selbstbewusstsein aufzubessern, wollen sie dann zumindest viel Leistung erbringen. Sie wollen allen beweisen, dass sie das, was man von ihnen erwartet, können. Und zwar noch besser, als von ihnen erwartet. Damit verharren sie aber in einem Gefühl der Inkohärenz.

Tag für Tag werden Menschen dazu gezwungen oder zwingen sich selbst, in einem inkohärenten Zustand zu verharren. Diesen Zustand bekämpfen sie dann beispielsweise mit Alkohol, Medikamenten, Drogen oder Einkaufsräuschen. Manche lassen sich auch einfach von einem Krimi im TV berieseln. Sie gehen brav ihrer Tätigkeit nach, die sie machen müssen, um der Gesellschaft als Objekt zu genügen, aber in ihrer Freizeit finden sie dann keinen Weg zurück in die Kohärenz.

Diese „Hilfsmittel gegen Inkohärenz“ sind eine Art, wenigstens eine kurze Zeitlang aus dem unguten Zustand herauszukommen. Das Problem kommt jedoch gleich im Anschluss wieder wie ein Boomerang zurück, weil man sich ja nicht wirklich damit auseinandergesetzt und gelöst hat.

Wahrer Mut

Um die Probleme, die zu Inkohärenz führen, zu lösen, brauche ich Mut. Denn das erfordert, dass ich mir ernsthaft darüber Gedanken mache, was mich dazu bringt, immer wieder diese Hilfsmittel gegen Inkohärenz benutzen zu müssen. Da erscheint es doch viel einfacher, den Gedanken gleich wieder zu verwerfen und zur Abwechslung wieder einkaufen zu gehen.

>Mut ist, wer sich ernsthaft traut und sich den Abgrund seiner selbst anschaut.<

Um das Gefühl der Kohärenz wiederherzustellen, muss ich bereit sein, in meine Abgründe zu blicken. Und da tun sich oft Höllenschluchten voll von ungünstigen Erfahrungen auf, an die ich mich eigentlich lieber nicht erinnern möchte. Es heißt gleichzeitig auch, mir meiner Opferrolle bewusst zu werden und mich damit auseinanderzusetzen. Niemand ist gerne Opfer. Keiner gibt es gerne zu, dass auch er schon einmal Opfer war. Und wir waren es alle schon einmal.

„Das Besondere ist das Normale und das Normale ist das Besondere.“ Friedrich von Metzler (Deutscher Bankier)

Du bist ein einzigartiges Geschöpf unter 8 Milliarden einzigartigen menschlichen Geschöpfen. Wenn wir es schaffen, unser jeweiliges Gegenüber auch als ein solches zu sehen, dann entsteht etwas, das die Kraft hat, ein gewaltiges Potential freizusetzen: Co-Kreativität.

Wenn ich mich und den anderen so betrachten kann, dann kann ich nicht arrogant sein. Und DAS ist wahres Selbstbewusstsein! Damit einher geht der Prozess, inkohärente Zustände auszuhalten, bis man wieder kohärente Zustände erschaffen hat.

„Es ist aber nicht nur die Arroganz, die aus Objektdenken entsteht. Es ist auch das Machtstreben, die Überheblichkeit, die Bereitschaft, Gewalt gegenüber anderen anzuwenden. Das sind alles Eigenschaften, die daraus resultieren, dass Menschen irgendwann in ihrem Leben erfahren mussten, dass sie für irgendetwas benutzt worden sind.“ G. Hüther

Wenn Unternehmen erkennen, wie viel Potential in Co-Kreativität steckt, werden sie die Fronten wechseln

„Wir alle haben gelernt, uns selbst zum Objekt unserer eigenen Vorstellungen zu machen. Das macht kein Mensch freiwillig. Dazu muss er erst von einem anderen zum Objekt gemacht worden sein.“ Dr. Gerald Hüther

Kohärenzstörungen vernichten das Potential eines Teams

Wenn der Chef dem Angestellten beim Mitarbeitergespräch immer wieder aufzählt, welche Ziele er nicht erreicht hat, wird sich der mental starke Mitarbeiter denken: „So ein Trottel.“ Das führt zu einer Kohärenzstörung. Sie lösen durch ihr Denken („Welch ein Trottel“) einen Beziehungsabbruch aus. Was dann nicht mehr stattfindet, ist ein Co-kreativer Prozess.

Der Chef oder der Kollege wüsste eigentlich eine ganze Menge. Wenn dieses Wissen von einem selbst und dem Kollegen oder dem Chef zusammenkommen könnte, würde ein Co-kreativer Prozess entstehen, der allen ungemein nützlich wäre. Das funktioniert aber nicht, solange der Kollege den anderen für einen Trottel hält.

Der Mensch ist nicht dafür gemacht, sich langfristig in kohärenzgestörten Gemeinschaften aufzuhalten. Im schlimmsten Fall entwickelt er körperliche oder psychische Störungen. Neurobiologen sprechen dann von Stress.

„Durch Stress kommt das ganze Körpersystem auseinander. Das hält auf Dauer keiner aus.“ Dr. G. Hüther

Auch die mental schwächeren suchen nach einer Weise, wie sie mit Kohärenzstörungen umgehen können. Sie sagen sich „ICH bin ein Trottel.“ Das ist eine Selbstabwertung. Aber fortan tut es nicht mehr weh, wenn der Chef oder die Kollegen sagen, dass man etwas nicht auf die Reihe bringt. So wird man zu einem Menschen, der eine schlechte Beziehung zu sich selbst hat. Dann bekommen sie auch keine Beziehung zu anderen Menschen hin.

Unternehmen können sich das Fehlen des Co-kreativen-Prozesses nicht leisten

„Warum haben wir als Gesellschaft solche Eigenschaften überhaupt entwickelt? Das ist ein offenkundig ungünstiges Miteinander. Ungünstig deshalb, weil wir durch solch ein Verhalten nichts voneinander lernen können. Wir treten auf der Stelle und können auf das Wissen des anderen nicht zugreifen. Wir können uns nicht gegenseitig inspirieren. Es ist für die Entfaltung der im Menschen angelegten Potentiale äußerst ungünstig.“ G. Hüther

Kohärenzstörungen sind wirtschaftlich gesehen eine Katastrophe

Ohne Co-Kreativität kann eine Firma auf Dauer nicht wirklich erfolgreich sein. Unternehmen sollten einmal ehrlich Daten erheben, inwieweit unsere heutigen Konkurrenzgemeinschaften das bringen, was ihnen nachgesagt wird. Wie wäre es mit einer Erhebung, inwieweit Kooperationsgemeinschaften die wirtschaftlichen Interessen fördern?

Das, was heute als Team bezeichnet wird, ist ein guter Ansatz, aber noch nicht die Lösung

Denn auch hier benutzen sich alle gegenseitig als Objekte. Die nächste Stufe wären Gemeinschaften, in denen man sich nicht mehr als Objekt behandelt, sondern als Subjekt. DAS sind Co-Kreative Gemeinschaften. Und das sind die Gemeinschaften, die Großes schaffen und auch wirtschaftlich gesehen mehr erreichen.

Prof. Dr. Gerald Hüther zeigt in seiner Akademie für Potentialentfaltung in Wien, wie solche Gemeinschaften in der Praxis aussehen können. (5)

Co-Kreativität wird in Zukunft immer wichtiger werden.

Denn wenn alle Handgriffe von Robotern und Computern ersetzt werden, wird den Gemeinschaften nur eines übrigbleiben. Etwas zu tun, das Computer nie können werden: Kreativ arbeiten und dafür ihren Sinn für Bedeutsamkeit einsetzen.

pixabay

Wie kann ich Kohärenz und damit Selbstbewusstsein oder Selbstwirksamkeit lernen?

Es reicht dazu weder, ein Coaching zu absolvieren, noch sich Glaubenssätze vorzusagen, um sich zu verändern. Man muss sein gesamtes Umfeld und damit einhergehend seine ganzen Erfahrungen verändern. Deshalb klappt es auch nicht, Selbstbewusstsein in einem Umfeld erlernen zu wollen, indem man keine Wertschätzung erfährt.

Sich etwas vorzusagen, beispielsweise Glaubenssätze, reicht nicht aus. Man braucht zu den neuen Glaubenssätzen auch die passenden neuen Erfahrungen, damit das Gehirn alte Denkmuster mit neuen Emotionen verbindet.

Derjenige, der sich immer zum Objekt abwerten ließ, hat gute Chancen, seine Persönlichkeit zu verändern, wenn er in eine Gemeinschaft kommt, in der er Wertschätzung erfährt. Dann ist Veränderung möglich. Dann kommt es zu Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit und Kohärenz.

Weiterführende Links:

Offizielle Seite von Prof. Dr. Gerald Hüther: http://www.gerald-huether.de

Quellen:

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Salutogenese

(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Aaron_Antonovsky

(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Gerald_Hüther

(4) https://www.youtube.com/watch?v=mqPMduxo2DY&index=34&list=WL&t=788s

(5) http://www.akademiefuerpotentialentfaltung.org

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