Brüste sind auch nur Bindegewebe, Fett und Drüsen

Es gab durchaus Momente, da fühlte er sich Frauen gegenüber stark, unangreifbar, konnte sie klar, mit großer Distanz als das, was sie waren sehen: Geschöpfe, die verzweifelt mit sich und den sie bedrängenden Problemen des Lebens rangen, die - so wie er - nichts Anderes wollten als zu leben. Ja, in diesen Momenten sah er in ihren Brüsten nichts anderes als ein Gebilde aus Bindegewebe, Fett und Drüsen, war er sich ihrer körperlichen Leiden wie Ausfluss, Blasenschwäche, Hämorriden, Regelschmerzen, Migräne, ihres Mundgeruchs, ihrer Blähungen, wie auch ihrer Ängste, Verzweiflung, Gier und seelischen Abgründe vollkommen bewusst. Zumeist jedoch waren es magische Momente der Verzauberung, in denen sich pralle Brüste vor seinen Augen machtvoll wölbten, bei jedem Atemzug aufreizend auf und ab hüpften, leicht geöffnete, glänzend schimmernde, feuchte, rosa Lippen verführerisch lockten, zufällige Berührungen brennendes Verlangen auslösten, an den Brüsten zu saugen, in die dunkle, geheimnisvolle, feuchte Wärme einzudringen, sich mit diesem Geschöpf zu vereinen, eins zu werden. Diese Lockungen waren meist so überwältigend, dass es ihm unmöglich war sich ihnen zu entziehen. Unbewusst hatte er die Lust als Mittel zur Bändigung seiner Angst entdeckt, und er ließ sie uneingeschränkt gewähren. Aber Lust duldet keinen Rivalen, verdrängt alle anderen Gedanken und Gefühle. Sie denkt nicht, sie begehrt, sie erinnert und: sie versklavt.

Jetzt, in diesem Moment, er wusste zwar nicht wieso, es geschah einfach ohne sein Zutun, wurde es ihm bewusst: er hatte gar nicht anders gekonnt, um überhaupt existieren zu können, weil er so konditioniert war. Der Gedanke tat ihm gut. Ja, wirklich gut, er atmete tief ein und lang aus, konnte förmlich spüren wie er ihm die drückende Last vermeintlicher Schuld, die tonnenschwer auf seinen Schultern lastete, nahm und ihm eine bis dahin ungekannte Leichtigkeit verschaffte. Er konnte erstmals alles in einem anderen Licht sehen. Bis jetzt war sein Leben nichts anderes als eine Aneinanderreihung von Versäumnissen, von versäumten Hätte-sollen-Augenblicken, unscheinbare Ereignisse, auf den ersten Blick bedeutungslos, die unbemerkt und plötzlich aus dem Nichts auftauchten und ebenso schnell wieder dorthin verschwanden, aber sein ganzes Leben auf den Kopf stellten. In diesen Augenblicken hätte er fühlen, gehorchen, bleiben, gehen, zuhören, lächeln, weinen, verstehen, trösten, in die Armen nehmen, küssen, lieben sollen. Alleine er tat es, warum auch immer, nicht, doch schlussendlich war das jetzt egal. Ab jetzt war er nicht nur mehr Täter und sie alle seine Opfer. Nein, sie, er und sie, waren Täter und Opfer zugleich, waren die zwei Seiten einer Medaille, hatten gar keine andere Wahl gehabt. Sie waren sich begegnet, weil sie sich gegenseitig bedingten, waren sich Prüfung und Strafe zugleich. Der Gedanke tat ihm gut. Es war da plötzlich nichts mehr, was sie ihm verzeihen hätten müssen, um ihm Erleichterung zu verschaffen. Seine Angespanntheit ließ jetzt plötzlich ganz von selbst nach. Eine verspürte eine ungekannte Leichtigkeit und er war jetzt überzeugt: nicht er liebte nicht, und sie doch, nicht er verriet, und sie wurden verraten. Sie liebten und liebten gleichzeitig nicht, sie verrieten und enttäuschten sich gegenseitig. Sie sollten sich wechselseitig der Anlass sein die Abgründe in ihnen zu erkunden und zu erforschen, zu erkennen, dass niemand außer ihnen selbst dafür verantwortlich ist, ihre ausgetrockneten, verdorrten Seelenlandschaften wieder in blühende Wiesen zu verwandeln. Er wusste jetzt auch warum alles so geschehen war: um die Wahrheit zu finden. Sie mussten ihm nicht leidtun, wegen der vermeintlich erlittenen Schmerzen, die bis jetzt immer auch die seinen gewesen waren. Wer die Wahrheit sucht, muss eben Schmerz ertragen können, um den Lohn dafür zu kassieren: Wachstum und Stärke.

Sie hatten die Beine breitgemacht, hatten gestöhnt, gewispert, wie sie eben glaubten stöhnen und wispern zu sollen, alles nur um sich selbst glauben zu machen, sie gäben sich aus Liebe hin. Sie taten es nicht für ihn, sie taten es ausschließlich für sich, waren aber zu feige es sich einzugestehen, weshalb sie sich selbst belogen, sich vortäuschten es aus Liebe zu ihm zu tun. Aber was sollte das für eine Liebe sein, die nur von ihm und seinem Verhalten abhing? Was sollten sie den schon so großartig an ihm lieben, außer der erwarteten Willfährigkeit, der notwendigen Selbstverleugnung? Die Motive menschlichen Handelns sind komplex, gleichzeitig aber auch sehr einfach, in gewissen Sinne sogar primitiv. Alles, was Menschen tun, sie antreibt, ist letztendlich nur auf sie selbst bezogen. Menschen lieben, weil sie sich dabei wohlfühlen. Jede Liebe ist daher zu allererst Selbstliebe. Wer oder was geliebt wird ist ohne Bedeutung. Sie waren sich gegenseitig einfach Mittel zum Zweck gewesen.

Und was war mit ihm? Er liebte es zu begehren und zu besitzen. Er liebte ihren Geruch, ihren Geschmack. Er fühlte sich zu jeder von ihnen magnetisch hingezogen, gab dem unbändigen, unerklärlichen Drang sie zu lecken, ihre Brüste zu kneten bei jeder sich bietenden Gelegenheit ohne Widerstand zu leisten nach, gab sich der von ihren willig gespreizten Schenkeln versprochenen Geborgenheit hin, tauchte in die dunkle, feuchtwarme Einsamkeit ihrer Unterleiber ab, saugte an ihnen wie ein Verdurstender, leckte sie sauber, schluckte was sie ausschieden, bis sie ihre Ärsche wimmernd, stöhnend hochstemmten und wieder hinunterklatschen ließen, er ihren kantigen Bewegungen mit dem Kopf kaum noch folgen konnte, sie ihn voller Ungeduld, dass er zu Ende bringt, was seine Zunge, routiniert, technisch perfekt, scheinbar leidenschaftlich begonnen hatte, wie einen Ertrinkenden bevor er untergeht zurück an die Oberfläche zogen, er - auf Autopilot geschaltet - seinen Schwanz wie einen Kolben mechanisch in sie hineinstieß und sie einfach mit einem Schwall als sein Eigentum markierte. Keine von ihnen interessierte ihn, sie alle waren austauschbar, irgendwann einmal einfach dagewesen und sie waren bereit, das genügte ihm, mehr hatte er auch nicht erwartet und wenn nicht, war es ihm auch egal, dann träumte er sich eben gesichtslose Leidenschaften und onanierte sie ins Klo. Ja, das ist unmoralisch, klar. Aber unmoralisch zu sein, heißt authentisch bleiben, moralisch sein hingegen, heißt sich verleugnen. Die meisten von ihnen hatten nichts zu verlieren, nicht einmal die Unschuld ihres Mundes. Also wirklich, was soll’s. Warum sollte er sie bemitleiden, oder sie gar um Verzeihung bitten?

© Dosto F. Jewski 2017

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