meine Damen und Herren wird nach dem, was man heute so weiß
etwa folgendermaßen vor sich gehn:
Am Anfang wird auf einer ziemlich kleinen Insel
im südlichen Pazifik ein Käfer verschwinden
ein unangenehmer
und alle werden sagen Gott sei Dank ist dieser Käfer endlich weg
dieses widerliche Jucken, das er brachte
und er war immer voller Dreck.
Wenig später werden die Bewohner dieser Insel merken
dass am Morgen früh
wenn die Vögel singen
eine Stimme fehlt
eine hohe, eher schrille
wie das Zirpen einer Grille
die Stimme jenes Vogels, dessen Nahrung, es ist klar
der kleine, dreckige Käfer war. Wenig später werden die Fischer dieser Insel
bemerken
dass in ihren Netzen
eine Sorte fehlt
jene kleine, aber ganz besonders zarte, die –
hier muss ich unterbrechen und erwähnen
dass der Vogel mit der eher schrillen Stimme
die Gewohnheit hat oder gehabt haben wird
in einer langen Schlaufe
auf das Meer hinaus zu kehren
und während dieses Fluges seinen Kot zu entleeren
und für die kleine
aber ganz besonders zarte Sorte Fisch war dieser Kot
das tägliche Brot. Wenig später werden die Bewohner des Kontinents
in dessen Nähe
die ziemlich kleine Insel im Pazifik liegt
bemerken, dass sich überall
an den Bäumen, auf den Gräsern
an den Klinken ihrer Türen
auf dem Essen, an den Kleidern
auf der Haut und in den Haaren
winzige schwarze Insekten versammeln
die sie niemals gesehen
und sie werden’s nicht verstehen
denn sie können ja nicht wissen
dass die kleine
aber ganz besonders zarte Sorte Fisch
die Nahrung eines größeren
gar nicht zarten Fisches war
welcher seinerseits nun einfach eine andre Sorte jagte
einen kleinen, gelben Stichling vom selben Maß
der vor allem diese schwarzen Insekten fraß. Wenig später werden die Bewohner Europas
also wir
merken, dass die Eierpreise steigen
und zwar gewaltig
und die Hühnerfarmbesitzer werden sagen
dass der Mais
aus dem ein Großteil des Futters
für die Hühner besteht
vom Kontinent
in dessen Nähe
die ziemlich kleine Insel im Pazifik liegt
plötzlich nicht mehr zu kriegen sei
wegen irgendeiner Plage von Insekten
die man mit Giften erfolgreich abgefangen
nur leider sei dabei auch der Mais draufgegangen.
Wenig später
jetzt geht es immer schneller
kommt überhaupt kein Huhn mehr auf den Teller.
Auf der Suche nach Ersatz
für den Mais im Hühnerfutter
hat man den Anteil an Fischmehl verdoppelt
doch jeder Fisch hat heutzutage halt
seinen ganz bestimmten Quecksilbergehalt
bis jetzt war er tief genug, um niemand zu verderben
doch nun geht’s an ein weltweites Hühnersterben. Wenig später
werden die Bewohner jener ziemlich kleinen Insel
im südlichen Pazifik
erschreckt vom Ufer in die Häuser rennen
weil sie das, was sie gesehen haben
absolut nicht kennen.
Die Flut hat heute
und dazu muss man bemerken
der Himmel war blau und Wind gab es keinen
und der Wellengang war niedrig
wie stets bei schönem Wetter
und trotzdem lagen heute Nachmittag
die Ufer der Insel unter Wasser
und natürlich wusste niemand
dass am selben Tag auf der ganzen Welt
die Leute von den Ufern in die Häuser rannten
und die Steigung des Meeres beim Namen nannten. Wenig später
werden die Bewohner jener ziemlich kleinen Insel
im südlichen Pazifik
von den Dächern ihrer Häuser
in die Fischerboote steigen
um in Richtung jenes Kontinents zu fahren
wo seinerzeit die Sache mit dem Mais passierte.
Doch auch dort ist das Meer
schon meterhoch gestiegen
und die Städte an der Küste und die Häfen
die liegen
schon tief unter Wasser
denn die Sache ist die
man musste das gesamte Federvieh
also sechs Milliarden Stück
vergiftet wie es war, verbrennen
und der Kohlenstaub, der davon entstand
gab der Atmosphäre
durch Wärme und Verbrennung
schon bis anhin strapaziert
den Rest.
Sie ließ das Sonnenlicht wie bisher herein
aber nicht mehr hinaus
wodurch sich die Luft dermaßen erwärmte
dass das Eis an den Polen zu schmelzen begann
die Kälte kam zum Erliegen
und die Meere stiegen. Wenig später werden die Leute
die mittlerweile in die Berge flohen
hinter den Gipfeln
weit am Horizont
ein seltsam fahles Licht erblicken
und sie wissen nicht, was sie denken sollen
denn man hört dazu ein leises Grollen
und wenn einer der Ältern jetzt vermutet
dass nun der Kampf der Großen beginnt
um den letzten verbleibenden Raum für ihre Völker
da fragt ein andrer voller Bitterkeit
wie um Himmels willen kam es soweit? Tja, meine Damen und Herren
das Meer ist gestiegen, weil die Luft sich erwärmte
die Luft hat sich erwärmt
weil die Hühner verbrannten
die Hühner verbrannten, weil sie Quecksilber hatten
Quecksilber hatten sie, weil Fisch gefüttert wurde
Fisch hat man gefüttert, weil der Mais nicht mehr kam
der Mais kam nicht mehr, weil man Gift benutzte
das Gift musste her, weil die Insekten kamen
die Insekten kamen, weil ein Fisch sie nicht mehr fraß
der Fisch fraß sie nicht, weil er gefressen wurde
gefressen wurde er, weil ein anderer krepierte
der andere krepierte, weil ein Vogel nicht mehr flog
der Vogel flog nicht mehr, weil ein Käfer verschwand
dieser dreckige Käfer, der am Anfang stand.
Bleibt die Frage
stellen Sie sie unumwunden
warum ist denn dieser Käfer verschwunden? Das, meine Damen und Herren
ist leider noch nicht richtig geklärt
ich glaube aber fast, er hat sich falsch ernährt.
Statt Gräser zu fressen, fraß er Gräser mit Öl
statt Blätter zu fressen, fraß er Blätter mit Ruß
statt Wasser zu trinken
trank er Wasser mit Schwefel –
so treibt man auf die Dauer
an sich selber eben Frevel. Bliebe noch die Frage
ich stell mich schon drauf ein
wann
wird das sein? Da kratzen sich die Wissenschaftler
meistens in den Haaren
sie sagen
in zehn, in zwanzig Jahren
in fünfzig vielleicht oder auch erst in hundert
ich selber habe mich anders besonnen
ich bin sicher
der Weltuntergang, meine Damen und Herren
hat schon begonnen.
Die grimmige Vision des Schweizer Schriftstellers, Kabarettisten und Liedermachers Franz Hohler aus dem Jahr 1974 wurde durch eine Nachricht im Oktober 2017 auf dramatische Weise unterstrichen: Sie haben sich doch sicher auch schon gewundert, wo all die Insekten hin sind, die sonst tot an Ihrer Windschutzscheibe klebten, wenn Sie im Frühjahr oder Sommer eine längere Strecke auf der Autobahn gefahren sind. Forscher schlagen jetzt Alarm: In den letzten 27 Jahren hat die Biomasse der fliegenden Insekten in Deutschland um 76 Prozent, im Hochsommer sogar um bis zu 82 Prozent abgenommen, so das Ergebnis einer Langzeitstudie von Biologen der Radboud-Universität im niederländischen Nijmegen, die Naturschutzgebiete in Deutschland untersuchten.