Die Klimakonferenz ist tot, es lebe die Klimakonferenz.

Dabei ist es simpel: Bei allen Entscheidungen, die wir im Zusammenhang mit Klimagipfeln treffen, eines dürfen wir niemals vergessen: Bedrohter als der Planet sind dessen Bewohner. Ihr größter Feind sind sie selbst. Werden wir das noch rechtzeitig begreifen und nicht nur umdenken, sondern auch sofort danach handeln?

Dieser blaue Planet am Rand der Milchstraße, er ist perfekt geschaffen fürs Leben. Es gibt Luft zum Atmen, Wasser zum Trinken, an den Bäumen wachsen Früchte, in den Meeren schwimmen Fische, und in den Wäldern tiriliert ein buntes Vogelvolk, und die Böcke suchen in jedem Herbst ihr scheues Reh. Es gibt einen Nord- und einen Südpol. Die Himmelsrichtungen sind also klar vorgegeben, man kann sich nicht verlieren. Alles in allem eigentlich ein Paradies, eine Welt, in der wir leben wollen.

Ein Jahr auf diesem Planeten zählt 365 Tage. Fantastisch, Zeit genug für vier Jahreszeiten! Es gibt einen Mond. Als Sichel oder vollständig rund leuchtet er am Nachthimmel zwischen Milliarden funkelnder Sterne. Tagsüber scheint die Sonne, wenn es nicht regnet, und passiert beides zugleich, gibt es einen Regenbogen. Und da, wo dieser mit seinem in allen Spektralfarben leuchtenden himmlischen fast Halbrund den Boden berührt, da, so heißt es, liegt ein Schatz begraben. Und damit sind wir bei dem Problem dieses Planeten am Rand der Milchstraße angekommen.

Diese Legende vom Regenbogen und dem Schatz stammt nicht von einem Reh, Fisch oder Vogel, nein, geboren wurde sie in der Fantasie eines Homo sapiens – eine intelligente, von Affen abstammende Lebensform. Diese Intelligenzbestien – vielleicht weil sie mehr der inneren Bestie als der gemeinsamen Intelligenz gefolgt sind – strengen sich seit den letzten 150 Jahren ihrer immerhin schon 150 000 Jahre währenden Existenz auf diesem Planeten mächtig an, sich selbst abzuschaffen.

Was sollen wir tun? Was können wir tun?

Die ökologische Ausbeutung des Planeten, gnadenloser Neoliberalismus, digitale Kontrollgesellschaft, naturwissenschaftlicher Machbarkeitswahn, die Entsolidarisierung der Gesellschaft, der dramatische Klimawandel und seine Folgen – das alles lässt uns an Grenzen stoßen. Überall spielt Geld die Rolle des Ziels. Möglichst mit allem muss Geld verdient werden, auch mit der Pflege der Alten und Kranken, der Betreuung unserer Kinder, mit Gemeineigentum. Fast immer zählen nur noch wirtschaftliche Argumente. Der stärkste Minister ist der Finanzminister. Als ob ein Kassenwart bestimmen könnte, wohin die Reise geht. Die Durchökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche beraubt uns mehr und mehr unserer demokratischen Freiheiten. Wir erleben eine elementare Krise unserer Gesellschaft. Sie scheint durch die schiere Zahl und Komplexität der Herausforderungen ebenso gelähmt wie der Einzelne.

Was können wir, was kann der Einzelne tun gegen Hunger, Krieg, Umweltzerstörung, Armut, Ungerechtigkeit, Machtmissbrauch – für eine zukunftsfähige, vermögende, gedeihliche Gesellschaft, für eine Welt, in der wir leben wollen? Wie lassen sich die ökologischen, ökonomischen, politischen, sozialen Probleme konstruktiv, nachhaltig, lokal und global lösen? Berginnen wir endlich, die grenzlose Verantwortung wahrzunehmen, denn viel Zeit haben wir nicht mehr, wir müssen uns beeilen. Wir müssen uns entscheiden, wir müssen handeln. In der Entscheidung – und wir können uns jeden Tag neu entscheiden -, in der Tat des Einzelnen liegt das reine Vermögen, die Lösung.

Um dieses Entscheiden für jeden von uns zu erleichtern, brauchen wir nicht nur stabile und sozial gerechte Gesellschaften, sondern auch entsprechende politische Rahmenbedingungen und Strukturen. Wir brauchen eine neue Erzählung, die uns auch emotional erreicht und die neue Werte vermittelt. Anders gesagt: Wie können wir uns und die anderen inspirieren, motivieren, uns Tag für Tag für ein nachhaltiges Handeln zu entscheiden, ohne dass wir lange darüber nachdenken müssen?

Wie können wir den Menschen Lust machen, ihr Leben umzukrempeln? Wir können Lösungsansätze aufzeigen! Interessante und spannende! Durch die Summe von Lösungen entsteht nach und nach, wie bei einem Puzzle, ein immer deutlicheres, klareres Bild einer Welt, die noch nicht existiert, das Bild einer anderen Zukunft. Das Bild einer lebenswerten Zukunft. Schütten wir diese Puzzleteilchen also auf den Tisch, damit ein Bild entstehen kann. Puzzles mit 10 000 Teilchen kennen Sie? Das ist doch eine Herausforderung, wenn man diese Teilchen auf den Tisch schüttet, und ein großartiges Erlebnis, wenn man die ersten beiden Puzzlestückchen zusammensteckt, jetzt geht es nämlich los, da passt was zusammen. Mal sehen, welche Teile noch passen. Ja, ja, ja! Natürlich gibt es beim Puzzle auch Phasen, in denen nichts richtig vorwärtsgeht.

Man sucht und sucht, und nichts passt, bis, ja bis dann doch wieder ein passendes Teilchen das Bild ergänzt. So entsteht allmählich ein Bild. Hier und da fehlt vielleicht noch was, aber wir wissen, wie es aussehen soll. Und genau darum geht es, Teilchen für Teilchen zu einem Bild zusammenzusetzen. Natürlich, wir basteln hier an einem Zehntausenderpuzzle, das ist ein komplexes Ding, da heißt es, mit Demut, Geduld und mit Spaß bei der Sache bleiben. Ernährung und Landwirtschaft, Energie, Mobilität, Städte, Klima, Industrie, Konsum, Finanzwesen, soziale Gerechtigkeit, Big Data und künstliche Intelligenz (als ob wir sicher sein könnten, dass wir über natürliche Intelligenz verfügen!), Macht, Bildung, Biodiversität, Krieg und Frieden und last, but not least die Ethik einer Transformation zu einer ökologischen Welt – das ist der bunte Teilchenhaufen der erdacht, erträumt, erforscht und neu zusammengesetzt werden muss.

Wir mussten nach Glasgow dennoch freudig feststellen, dass wir viele klugen Köpfe unter uns haben. Viele Staaten, die keine Lippenbekenntnisse abgaben, sondern ehrlich einsahen, dass es so und mit diesem Tempo nicht weitergehen kann. Das lässt uns hoffen. Die nächsten Jahre werden zeigen ob diese Erkenntnisse Wirkung zeigen. Ob wir unsere klügsten Köpfe der Welt für ein Puzzle mobilisieren können, für ein Handeln – in einer Welt, in der wir leben wollen.

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