Von Freiheit und Abenteuer – oder: Nach Herzen fischen in Gaza

In den frühen 90ern bildete Antje Pieper mit Stefan Pinnow und Ralf Bauer das gutgelaunte Trio beim "Disney Club" (ARD).

Was die polyglotte und politologisch studierte Reporterin und Moderatorin nun beim ZDF "auslandsjournal" tut, ist vom Niveau ähnlich. Abenteurliches soll geboten werden. Dazu wurde Benjamin Daniel, ihr Reporter-Kollege, zum "Außendienst bei den Fischern von Gaza" entsendet.

In der letzten Ausgabe des "auslandsjournal" vom 11. Januar 2017 leitet sie den (in der Themenübersicht fehlenden, gleichsam als Bonbon oben draufgepackten) Schlussbeitrag sensibel ein mit den Worten: "Enttäuscht wurden sie ihr Leben lang – die Fischer von Gaza: von den Israelis, die ihr Arbeitsgebiet einengen, aber auch von der Hamas, die sie in Misskredit bringt."

Man beachte die Reihenfolge der Nennung – und ihre spätere Wiederkehr. Die Hamas überhaupt zu erwähnen, war bestimmt kein leichter Entschluss.

Wie beim Dokudrama, timbriert der Sprecher wirkungsvoll seinen Kommentar; ein Schlüsselwort lautet "Lebensgefahr". Sogleich erzählt der porträtierte Fischer namens Ali, die "größte Bedrohung" für ihn und seine Kollegen seien "die israelischen Kriegsschiffe", durch die bei Überschreiten der Sicherheitszone Beschuss droht. Und der Kommentar: "Fischer zwischen den Fronten: Sie leiden unter der Politik Israels – aber auch unter der der Hamas." – Wieder korrekte Reihenfolge mit Hauptakzent Israel.

In seiner knapp siebenminütigen Reportage zeigt der von drolliger Abenteuerlust angetriebene Benjamin Daniel, wie er für eine Nacht – unter "Lebensgefahr" – auf Alis Fischerboot mitfahren und sogar mal ans Ruder darf, worüber er stolz wie Bolle ist. Zwischenrein kommentiert er in die Kamera, was das schlichte Gemüt spontan so hergibt.

Durch zwei stylisch animierte Infoclips erfährt der Zuschauer jeweils aus Sicht der UNO, dass 1. Israels Seeblockade zum Schutz vor Waffenschmuggel durch die Hamas zwar völkerrechtskonform, 2. aber vor allem Israel verantwortlich für die wirtschaftliche Rückentwicklung Gazas sei, inklusive der immer geringeren Fischmengen aus der verknappten Meereszone. – Eine typische Umpolung von Ursache und Wirkung ist wohl redaktionelle Linie, narrativen Widersprüchen zum Trotz.

Manche seiner befreundeten Fischerkollegen hätten einen israelischen Beschuss nicht überlebt, klagt Ali. "Heutzutage sagen schon kleine Kinder: Wenn mein Vater zum Fischen rausfährt, weiß nur Gott, ob er wieder nach Hause kommt." – Am Herzen soll gerührt werden, weniger am Verstand.

Immerhin wird zugegeben: "Über die Hamas" – also das eigentliche Problem – "will niemand so richtig sprechen". Man leide halt unter der Auswirkung. Ohne dies zu vertiefen, folgt schon der nächste, musikalisch schwungvoll unterlegte Akt des Geschehens: das Einholen des Fischnetzes nach drei Stunden Kaffeepause – "Stress" für den zünftig anpackenden Reporter, der bei "starkem Schwanken und extrem rutschigen Boden" nur schwer Halt findet.

Empathisch korrekt teilt uns Benjamin Daniel am nächsten Morgen seine persönliche Enttäuschung über die unbefriedigende Ausbeute an hauptsächlich kleinen Sardinen mit. Für Ali und seine Familie reicht es gerade so. Ausreisen kann und will Ali nicht, sondern durchhalten und dafür "kämpfen" – etwa im Sinne der Hamas? –, "dass es unseren Kindern und Enkelkindern einmal besser geht".

Würdiger Schlusskommentar samt hymnenhafter Musik: "Das Meer vor Gaza hat Tausende Familien jahrzehntelang ernährt, und die Fischer haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sie eines Tages hier wieder mit vollen Netzen einlaufen werden."

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Grummelbart

Grummelbart bewertete diesen Eintrag 18.01.2017 06:36:43

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