Warum Tinder ein gesellschaftlicher Verlust ist

Seit ich nach Berlin gezogen bin, werde ich immer mal wieder mit Tinder konfrontiert. „Heute ist dein Tinder-Date wa‘?“ „Ja genau… mal gucken. Mit dem letzten war’s ganz witzig – eigentlich.“ „OK, trefft ihr euch noch?“ „Ja, vielleicht dann nächste Woche oder so.“ Konversationen in der U-Bahn, Arbeit, in der Schlange vor’m Club. Alle sind single und tindern natürlich. Während dem Mittagessen, im Supermarkt, egal wo – statt Instagram-Bilder, liked man mal paar Menschen zwischendurch. Vielleicht läuft mit denen ja dann noch was.

Durch Tinder hat man sich das „in-die-Bar-gehen“ und dann wen ansprechen, der einem gefällt, erspart. Ein Bild sagt scheinbar tatsächlich mehr als tausend Worte. Und das in einer Generation, die doch so viel Wert darauf legt, individuell zu sein. Sich ja sogar durch selbstgedrehte Zigaretten und einen veganen Lifestyle definiert. Genau diese Leute lassen sich auf ein Bild reduzieren bzw. eigentlich nur auf einen Wisch. Die Paradoxie des alternativen Daseins spiegelt sich ja sowieso noch in ganz vielen anderen Aspekten wieder, aber dennoch hebt sich dieses getindere besonders davon ab. Teilweise sind unsere alternativen Zeitgenossen ja sowieso in ihren Eigenheiten sehr ähnlich, also muss wohl einer Tinder als supercool dargestellt haben und alle anderen haben dann mitgemacht. Wieso man Lovoo früher aber eher als peinlich angesehen hat, wüsste wohl auch dessen Gründer ganz gern. Wie also kann diese starke Ich-Identifikation unserer Generation mit einer reinen Reduzierung auf Äußerliches zusammenspielen?

Meiner Meinung nach hat Tinder ja auch etwas mit Bequemlichkeit zu tun und bietet gleichzeitig etwas introvertierten Menschen, auch die Möglichkeit, mal ohne das Ansprechen mit jemandem in Kontakt zu kommen. Für viele ist es sicher auch einfach ein Hobby, statt Filme schauen – mal ein Date. Aber was ist eigentlich aus dieser Vorstellung geworden, dass Menschen sich mal irgendwo treffen und es einfach funkt? Dass sie sich daten, weil sie wirklich an dem anderen interessiert sind und nicht weil grad sonst keiner Zeit hat. Dann datet man eben mal keinen, sondern beschäftigt sich mit seinen anderen Hobbys oder bildet sich vielleicht auch fort. Meiner Meinung nach hat dieses sinnlose (meistens, da es eher Ausnahmen sind die ihre große Liebe da mal gefunden haben) Gedate und dieses anschließende Gerede darüber, auch bisschen was Stupides an sich – lest doch lieber ma‘ wieder ’n Buch, Kinder! Und im Single-Club finden sich ja auch genügend Autoren und Philosophen, die auch MEGAcool sind und nicht getindert haben.

Und wie unser Single-Freund Nietzsche sagen würde:

„Keiner ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren findet, der ihn versteht.“

Also easy, Leute!

Shutterstock/WilmaVdZ

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 07.03.2017 21:56:07

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