Wie auch immer der Krieg in der Ukraine endet, Putin wird daraus nicht als strahlender Sieger hervorgehen. Das ist bitter für den alternden Staatsmann. Deal with it, Vladimir. Es ist bitter für die russische Bevölkerung, die für den Wahnsinn noch lange bezahlen wird. Noch bitterer ist es für seine fünfte Kolonne im Westen, für die Putinversteher, die Putin gefüttert hat aus klarem, eiskalten Kalkül.
Versuchen wir mal die Putinversteher zu verstehen. Was bewegt Menschen, die in einer westlichen Demokratie leben, einen autokratischen Herrscher anzuhimmeln, der ihnen viele Freiheiten nehmen würde - paradoxerweise auch die, einen fremden Staatsmann anzuhimmeln.
1. Das Faible für den starken Mann
Immer wieder gibt es in Österreich Umfragen zur Demokratiefreudigkeit der Bevölkerung. Und da stellt sich immer heraus, dass bis zu 20 Prozent der Bevölkerung sich eine Person an der Spitze des Staates vorstellen könnten, die sich nicht um Wahlen und das Parlament scheren muss. Und diesen Typ verkörpert Putin. Es ist kein Wunder, dass vor allem Wähler der FPÖ zu den Putinverstehern gehören. Daran schließt sich Punkt 2 an.
2. Die Bequemlichkeit
Wenn Putin ein Dekret unterschreibt, dann wird nicht viel nachgefragt zwischen Kaliningrad und Wladiwostock. Das klingt für jemanden, der sich für Demokratie begeistert, beängstigend. Für simple Gemüter ist das autoritäre Modell aber immer noch beruhigender und angenehmer als es die demokratische Entscheidungsfindung ist. Weil es einfacher ist als Demokratie. In der Demokratie redet die Opposition mit und grätscht den Regierenden im Parlament hinein. Minderheitenrechte und Verfassungsbeschwerden ziehen die Sache in die Länge. Ein Untersuchungsauschuß kann auch von einer Minderheit eingerichtet werden und kann eine Regierung ganz schön herwatschen. Das klingt nach Gezänk, Streit und Uneinigkeit für den Denkfaulen und dabei ist es eben: Demokratie. By the way: Kann sich jemand vorstellen, dass die russische Duma einen Untersuchungsausschuss einberuft, Putin vorlädt und ihm unter Strafandrohung bei Falschaussagen (Kurz schau herunter) unbequeme Fragen stellt? Noch komplizierter macht die Sache die EU - wir kommen zu Punkt 3.
3. Das Nichtverstehen
Die Europäische Union ist ein Erfolgsmodell. Aber ein kompliziertes. Ganz ehrlich, liebe Leser: Wer kann in einem "Elevator Call" einem durchschnittlich gebildeten Österreicher in eine paar Sätzen und spontan das Zusammenspiel von nationalen Parlamenten, Europäischem Parlament, dem Europäischen Rat und der EU-Kommission erklären? Wer ist Legislative in dem Spiel, wer ist Exekutive, im eigenen Land und in Europa? Hmmm... Ganz ehrlich: Die Wenigsten können das. Und sich selbst in die Materie einzulesen, auch dafür braucht es einige Anstrengung. Um ein Modell Putin zu verstehen, dazu braucht man nicht viel Grips. Wer sich einbildet, dass Putin schon das beste für sein Volk will, der muss sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, wie ein paar Dutzend Staaten sich demokratisch organisieren, rechtstaatlich agieren und trotzdem eigene Befindlichkeiten und Interessen wahren. Der Putinversteher setzt auf Komplexitätsreduktion. Weil er die EU nicht kapiert, nennt er sie EUdSSR. Weil ihm auch das Nachdenken über die komplexen Mechanismen der EU zu anstrengend ist, sehnt er sich nach einem Mann wie Putin. Der braucht keine Komission und keinen Rat, sondern ein willfähriges Parlament und allenfalls ein paar befreundete, willfährige Regierungen, siehe Belarus.
Der Lack ist ab
Putin weiß, dass der Westen, im konkreten die EU und die Demokratie, für die Menschen letztlich eine größere Faszination ausstrahlen als sein auf Hochglanz poliertes, aber letztlich morsches Modell. Auch für die Menschen in seinem Land und in den Ländern, die er noch in seinem Einflussbereich wähnte. Die Ukraine hat das vorgezeigt. Die Menschen dort haben sich für den Westen entschieden. Weil er ihnen mehr verspricht, mehr Freiheit, mehr Wohlstand. Putin weiß: dass das letzlich auch die Russen so sehen werden. Das bedeutete das Ende seines Regimes. Derzeit büsst dafür die Ukraine, mit einem Krieg. Die Staaten der EU sind gut davongekommen. Sie büßen dafür "nur" mit dem Unsinn der Putinversteher und der von Putin seit gut zwei Jahrzehnten unterstützten Parteien. Wer auch immer Europa von innen zu zerstören ansetzte, dem war die Unterstützung Putins gewiss. Der Brexit geht auf seine Kappe beziehungsweise auf die seiner Trollfabriken. Figuren wie Le Pen, Strache und Salvini gaben sich in Moskau die Klinke in die Hand. Doch la comedia e finita. Der Fall Putins wird auch auf die rechten Demagogen und Populisten abfärben. Tja, auf das falsche Pferd gesetzt, Leute. Mit dem reitet Ihr nicht ins Ziel. Das Spiel, es ist vorbei!
*Das "Es ist vorbei" bezieht sich auf das Statement des ehemaligen Politikers Mathias Strolz, der der VP-Ministerin Elli Köstinger in einer Fernsehsediskussion zur Zukunft des damaligen Bundeskanzlers Kurz beschied: "Elli, es ist vorbei!"