Soll Österreich bedingt Waffen zum Freundschaftspreis an Israel liefern ?

Bundeskanzler Kurz sagte in der für ihn bzw. für den österreichischen Durchschnittspolitiker typischen Art in einem "Krone"-Interview in etwa: "Österreich ist ein kleines, neutrales Land, das nichts wirklich tun kann. Aber es kann ein symbolisches Zeichen in Form des Hissens der israelischen Flagge setzen".

Das ist wieder so eine für Kurz und für Österreich typische Falschaussage: ob Österreich tatsächlich neutral ist, und was diese Neutralität tatsächlich bedeutet, ist zutiefst fragwürdig.

Man kann auch argumentieren, die österreichische Neutralität sei durch die spätere EU-Volksabstimmung 1994 und das EU-Beitrittsgesetz derogiert, also außer Kraft gesetzt worden.

Weiters verbietet das österreichische Neutralitätsgesetz nur Anwesenheit und Stützpunkte ausländischer Truppen auf österreichischem Territorium.

Und weiters enthält das Neutralitätsgesetz ein Hintertürchen: die Neutralität gelte laut Neutralitätsgesetz nur so lange, solange sie der Souveränität Österreichs dient.

Und drittens stellt sich die Frage, was Neutralität überhaupt bedeutet, und dabei gibt es unterschiedliche Neutralitätsdefinitionen:

1.) die idealistische Neutralität: die "Gleichbehandlung aller Konfliktparteien" besteht laut dieser darin, gleiche Wirtschafts- und Diplomatie-Beziehungen zu diesen zu haben, auch wenn es sich um sehr unterscheidliche Konfliktparteien, also einen sogenannten asymmetrischen Konflikt handelt. Kombinierbar ist das auch mit dem Angebot, Konferenzen in Wien abzuhalten.

2.) die realistische Neutralität: die realistische Neutralität geht davon aus, dass ein Friedensschluss zwischen den Konfliktparteien dann am wahrscheinlichsten ist, wenn ein militärisches Gleichgewicht zwischen den Konfliktparteien herrscht. Um dieses zu erreichen, ist es daher die Pflicht des Neutralen in diesem Sinne, die schwächere Partei und nur diese zu bewaffnen, sodass eben dieses militärische Gleichgewicht entsteht, das oft zu Friedensschlussen führt. Einschränkend kann man sagen, dass diese militärische Neutralität auf sonstige Symmetrie abstellt, also zum Beispiel auf gleiche hohe Geburtenraten in beiden Konflitkparteien, sodass eine Kriegsentscheidung durch Geburtendschihad ausgeschlossen erscheint.

Und ein weiterer heikler Punkt sowohl in der idealistischen Neutralität wie auch in der realistischen Neutralität ist, dass oft unklar ist, wer als Konfliktpartei zu betrachten ist:

Ist im Nahostkonflikt Israel alleine Konfliktpartei oder sind Israel und USA zusammen als Konfliktpartei zu betrachten ? Sind die Palästinenser alleine Konfliktpartei oder sind die Araber oder die Muslime (was auch den nicht-arabischen Iran einschliessen würde) zusammen als Konfliktpartei zu betrachten ?

Aus all diesen Problemen kann man annehmen, dass beide Neutralitätsdefinitionen in diesem Zusammenhang und in diesem Konflikt unbrauchbar seien.

Was wäre also eine dritte Neutralitätsdefinition, die dem Nahostkonflikt adäquat ist ?

Nun, eine derartige dritte Neutralitätsposition mit dem Ziel der Herbeiführung eines fairen Friedens könnte sein: zum Freundschaftspreis österreichische Waffen (z.B. Leichtpanzer Pandur, Steyr AUG-Sturmgewehr oder Glock-Pistole) an Israel zu liefern, solange die Hamas das Existenzrecht Israels nicht anerkennt und/oder solange die Geburtenraten unter den Muslimen signifikant höher sind als unter Israelis, insbesondere sekularen Israelis und/oder solange in den Hamas-Gebieten die Zurdiskussionstellung eines Reform-Islam unmöglich ist. Das würde auch den Druck auf die Hamas erhöhen, genau das zu tun, nämlich das Existenzrecht Israels anerkennen, etc.

Die Einstufung der Hamas als Terrororganisation ist seit vielen Jahren ein Politikbestandteil auf EU-Ebene. Allerdings hat diese Politik trotz der vielen Jahre, in denen sie gilt, nichts Erkennbares gebracht. Und man kann auch annehmen, dass diese Politik den Krieg verschlimmert habe.

Sodass zu überlegen ist, einmal eine andere Politik zu praktizieren, zumindest in Hinsicht auf die Art und Weise, wie man die Hamas als Terrororganisation einstuft.

Man kann auch sagen, dass diese Politik eine rein symbolische Politik ist: zum Beispiel gegen Organisationen, die innenpolitisch als "Terrororganisationen" eingestuft sind, werden drastische Maßnahmen gesetzt: Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, Verhaftungen, Zerschlagungen. Hingegen die Einstufung der Hamas als Terrororganisation bedeutet was ? Keiner weiss es .... Vielleicht bedeutet die Einstufung der Hamas als Terrororganisation nur, dass Netanjahu machen darf, was er will und Entscheidungen internationaler Gerichte, z.B. zum Siedlungsbau im Westjordanland/Judäa,Samaria ignorieren darf ud ihnen zuwider handeln darf. Und dann wird die Einstufung der Hamas als Terrororganisation durch die EU sehr fragwürdig, wenn sie nichts anderes bedeutet als eine Erlaubnis für Israel, bzw. die israelische Regierung, zu tun, was es/sie wolle, das Völkerrecht nach Belieben zu brechen.

Dieses ständige Wording "Keine Neutralität gegenüber dem Terror!" geht davon aus, dass Bewegungen und Gruppen , die einmal als Terrororganisationen eingestuft sind, dies ewig bleiben, aber es gibt sowohl in Nordirland als auch in Südamerika zahlreiche Beispiele, dass das nicht so ist, dass so manche frühere Terrororganisationen spätere eine etablierte staatstragende Partei wurde.

Auch die jüdische Irgun, eine Abspaltung von der Hagana, betätigte sich so zwischen 1945 und 1950 terroristisch, zum Beispiel mit dem Anschlag auf das König-David-Hotel. Und ihr zeitweiliger Führer Menachem Begin wurde später Likudvorsitzender und israelischer Premierminister. Der auch den Camp-David-Frieden mit Ägypten abschloss, in dem Israel auf die Halbinsel Sinai verzichtete, die es 1973 erobert hatte.

https://www.vienna.at/israelische-flagge-auf-bundeskanzleramt-in-wien/6989637

Symbolpolitik ohne wirklichen Effekt: das angeblich neutrale Österreich hisst eine Flagge Israels, weil es sonst, weil neutral, nichts tun könne - angeblich.

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