Ich mag Menschen, die eine eigene Meinung haben, diese kundtun und dazu stehen. Diejenigen jedoch, die glauben deswegen Recht zu haben und nach dem Grundsatz - ich weiß alles, und wenn es aus der Kronenzeitung ist - leben, sind mir ein Gräuel. Ich kann mir die Dauererregtheit einzelner nur im tiefenpsychologischen Sinne erklären, wonach jeder Verhaltensauffälligkeit eine sexuelle Störung zu Grunde liegt. Der Blog als Ersatzhandlung, als Triebbefriedigung. In einer Art geistiger Bulimie wird scheinbares Wissen ausgeschieden und auf diese Weise versucht, die aufgestauten, überschüssigen Energien abzuleiten. Durch die Aufmerksamkeit der Anderen wird die ersehnte Entspannung erlangt. Die Anzahl der Likes - beachtenswert der hoch aufstehende Daumen - als multipler Orgasmus. Freud hätte seine wahre Freude.

Projektion und Rationalisierung feiern bei all den "das-muss-man-doch-sagen-dürfen"-Bloggern, die gerne mal so zwischen Tür und Angel den Lauf der Welt erklären, für alles und jedes eine Patentlösung parat haben und schon mal dem einen oder anderen der Mächtigen einen guten Rat mitgeben, fröhliche Urstände. Sie wissen jedenfalls was sein darf und was nicht, woran die Gesellschaft zu Grunde gehen wird und wie man das verhindert, vor allem aber, dass alles was fremd ist, nicht hierher gehört. Natürlich immer mit dem Zusatz: Nicht ich bin böse, sondern der andere. Das nennt man Projektion und ist ein Abwehrmechanismus, womit man psychologisch eigenes Fehlverhalten rechtfertigt. Man bezeichnet ein solches Verhalten auch als Wahrnehmungsverzerrung.