„Die Frau da hat ein blödes Gesicht!“ gibt mein Sohn von sich. Ich weiß genau, welche er meint. Die Dame schräg gegenüber von uns. Wir sitzen in der U-Bahn und die Betroffene wirft uns einen entrüsteten Blick zu. Ich versuche zu retten: „Du meinst die da drüben. Ja, die ist halt etwas stark geschminkt!“

„Nein, die da, siehst du nicht, die!“ konkretisiert er beharrlich seine Aussage. Ich schwanke zwischen vorzeitigem Aussteigen und Wegsetzen. Der Waggon ist allerdings überfüllt und wir wollen heim. Schweigend und peinlich berührt blicke ich zu Boden, die Dame wendet ihr Gesicht beschämt zum Schwarzblick des Fensters und sieht nun auch ihr beschriebenes Antlitz gespiegelt. Die Atmosphäre ist angespannt. Der einzige, der selbstbewusst lacht, ist mein Sohn. Vier Stationen lang versucht dieser erneut, das Thema „Blödgesicht“ anzureißen. Ich hingegen kämpfe, Schweißperlen auf der Stirn, seine Kommentare im Ansatz zu ersticken. Nach dem Aussteigen erkläre ich ihm, dass man so etwas nicht tut und warum. „Aber sie hat ein blödes Gesicht gehabt!“

Einige Wochen später, selber Platz, stinkt die –natürlich eine andere!- Frau gegenüber. Wieder packe ich ihn am Arm und sage: „Das stimmt ja gar nicht!“ obwohl ich auch einen penetranten Geruch, ausgehend von deren Ledertasche bemerke. Daraufhin flüstert er mir immer wieder zu, dass diese wirklich stinke. Erneut ist die Beschämung groß, als wir endlich an der rettenden Station hinausdürfen.

Als wir kurz darauf einen Erziehungsstreit ausfechten und ich diesen autoritär für beendet erkläre, bäumt er sich vor mir auf und schreit: „Du bist blöd“ Nach einer rhetorischen Pause fügt er hinzu: „Blöd UND schirch!“ In Gedanken bin ich bei meiner Kollegin, deren Sohn ihr erst gesagt hat, was sie für eine wunderschöne Mama sei. Sie hat es stolz erzählt. Gut, ich will nicht vergleichen. Blöd UND schirch?! Er weiß noch nicht, was Gene sind!

Nächste Situation. Mein Freund hat Frühstück gemacht und liebt Chilli. Für die Kinder hat er extra keine hineingetan, trotzdem ist alles viel zu scharf für ihre feinen Zungen. Wieder ist es mein Sohn, der einwirft: „Das ist scharf, warum schmeckst du das nicht?“„Das ist gar nicht scharf“, verteidigt unser Koch. „Doch! Wenn du das nicht schmeckst, hast du wenig Scharfsinn!“ Wo er recht hat….

Töchterlein, obwohl älter, steht dem um nichts nach. Sie hat einfach auch das Gefühl für den Zeitpunkt. Ich erinnere mich an eine Situation bei einer Hochzeit. Die Schweigeminute war mit Gelächter erfüllt, als sie meinte: „Mir ist sooo fad und ich muss aufs Klo. Wann ist das endlich aus?“ Oder als sie eine gute Freundin von mir, ihren Bauch betrachtend, gefragt hat: „Kriegst du ein Baby?“Ein anderes Mal hat sie einen Gast blamiert, indem sie wiederholt laut betont hat, seine Füße würden so käseln.

Beim Essen ist die Ehrlichkeit vernichtend. Wenn meine Kochkreation farblich nicht gefällt, heißt es: „Mama, du hast Schmutz gekocht!“ Nur mit Glück wird dann überhaupt gekostet. Mittlerweile haben wir allerdings eine Eintopfspeise am Plan, die wir „Schmutz“ nennen. Es ist eine Mischung zwischen faschiertem Fleisch, Reis und Gemüse mit Gewürzen.

„Kinder und Narren“ sagen die Wahrheit und sie äußern sie ungefragt und ganz natürlich. Deshalb ist böse sein schwierig. So manche Aussage hat eben ihre Wirkung, wenn sie trifft. Diese ist leider genau so gemeint, wie sie heraussprudelt und es ist müßig, dagegen anzukämpfen. Verschwendete Energie!Ich hoffe, der „Glatzentiger“ vor uns im Kino hat es uns mittlerweile auch verziehen :)

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