Ich wollte nie etwas anderes als Dich zu sehen wie Du bist. Ist es nicht im Wesen der Liebe, der Behaustheit im Wir, begründet, dass ich Dich so erkennen will wie Du bist? Hier, bei mir, hier kannst Du selbst sein, ungeschminkt und echt.

Ich sah zum Fenster hinaus. Ich begann zu erzählen, so wie ich es Dir zugesagt hatte, bis zum Ende des Wortbaren, hatte ich versprochen, wenn notwendig über die Grenzen des Wortbaren hinaus. Der Wind trägt es mir zu. Ungeschminkt und ehrlich – wie viele wagen es nicht?

Eines Nachts war es gewesen. War es vor langer Zeit oder erst vor Kurzem? Es tat nichts zur Sache, denn die Erinnerung bleibt, zeitunabhängig. Ich ging zu meinem Steg und fand ihn besucht. Sie stand am vorderen Ende, ganz nahe beim See, aufrecht, als hätte sie einen Besenstil verschluckt. Wahrscheinlich konnte sie nicht anders, in ihrem engen, eleganten Kostüm. Ich stellte mich neben sie. „Hallo! Es freut mich, dass Du da bist!“, sagte ich, und meinte es auch so. „Ich weiß nicht ob es richtig ist.“, sagte sei, und ich konnte nicht ausnehmen, ob sie es zu mir sagte oder zum Wind. „Ich beschloss es anzunehmen, denn ich wusste nicht ob sie die Sprache des Windes verstand. „Du weißt nicht ob was richtig ist.“, fragte ich an seiner Stelle. „Ich weiß nicht ob es richtig, ob es notwendig ist.“, antwortete sie, den Blick immer noch in einem Irgendwo, fahrig und nervös. „Ich weiß es auch nicht. Richtig, notwendig, ich frage nicht danach.“, antwortete ich entsprechend, „Du bist da. Sieh mich an, bitte.“ Und sie sah mich an, doch ihr Blick, so wie sie, konnte nicht zur Ruhe kommen. „Du bist nicht wirklich. Warum willst Du Dich mir nicht zeigen? Wovor hast Du Angst?“, fragte ich sie, und fand sie endlich aufmerksam. „Warum meinst Du, dass ich mich nicht zeigen will?“, frage sie, sichtlich irritiert. „Weil Du Dich hinter all der Schminke, all den fremden Farben meinst verstecken zu müssen.“, antwortete ich unumwunden. „Es ist notwendig, dort draußen, in der Welt. Dort darf man sich nicht zeigen. Das ist gefährlich. Ungeschminkt, das ist ein NOGO.“, sagte sie leise. „Ich weiß nichts um diese Welt von der Du sprichst, aber ich will Deine Haut sehen, und in meiner Welt ist das ungefährlich.“, sagte ich, nahm ein Tuch, und mit dem klaren Wasser des Sees befreite ich ihre Haut von fremder Farbe. „Du hast eine klare, zarte Haut.“, sagte ich. „Doch die Falten, die Unebenheiten – das darf nicht sein.“, entgegnete sie. „Zeichen des Lebens, die Dich prägen, die Dich einzigartig und wahrhaftig machen. Sorge und Kummer, Schmerz und Leid, aber auch Freude und Glück graben sich darin ein. Lass sie zu, so wie Du Dich zulassen solltest.“, sagte ich. „Küss mich!“, forderte ich sie auf, und sie gehorchte. Es fühlte sich nach Plastik und Ferne an. Wieder nahm ich das Tuch, und mit dem klaren Wasser des Sees befreite ich ihre Lippen von Plastik und Ferne, küßte sie abermals. „Jetzt fühlt es sich nach Dir an.“, sagte ich. „Jetzt fühlte es sich nach Wärme und Leben an.“, sagte sie, offenbar überrascht über diese Empfinden. Und ich nahm das Tuch ein drittes Mal, und mit dem klaren Wasser des Sees befreite ich ihre Augen von fremder Farbe. „Du brauchst Deine Augen nicht zu verdecken und verheimlichen. Lass sie glänzen.“, sagte ich, „Jetzt, jetzt bist Du schön, so wie Du bist.“

„Ich denke, es ist richtig und notwendig hier zu sein. Du hast mich zu mir zurückgebracht.“, sagte sie. „Richtig, notwendig – ich frage nicht danach, aber es ist gut, dass Du da bist, so wie Du bist. Hier, bei mir, hier kannst Du selbst sein, ungeschminkt und echt.“

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Paradeisa

Paradeisa bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:15

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:15

4 Kommentare

Mehr von Daniela Noitz