Rendi-Wagner-Rede: wie schmutzig sind Heckenschützen-Methoden? Wie schmutzig Rendis ?

Die derzeitige und vermutliche zukünftige SPÖ-Vorsitzende und möglicihe zukünftige Kanzlerin Rendi-Wagner behauptete in einer ihrer Reden, der burgenländische Landeshauptmann Doskozil, bzw. sein Umfeld (was eigentlich so ziemlich auf dasselbe hinausläuft), habe "schmutzige Heckenschützen"-Methoden angewandt.

Das Bild des Heckenschützen, Scharfschützen oder Präzisionsschützen ist aber keineswegs so negativ, wie Rendi-Wagner hier suggeriert:

.) in der Zeit, in der die offene Feldschlacht als das Ideal der Kriegsführung galt, galt der "Heckenschütze" in der Tat als unmoralisch, aber derartige Ideale der Kriegsführung können sich ändern, wie sich auch die Bewertung der Tarnung änderte. Zur Zeit der Ritter-Kriegsführung galt das laute Klirren der Ritterrüstung und die Sichtbarkeit der auf hohem Ross einherreitenden Ritter als "ritterliches" Ideal. Der "rote Baron" Manfred von Richthofen knüpfte noch im ersten Weltkrieg als Jägerflugzeugpilot an dieser Art der Kriegsführung an, in dem er Tarnfarbe verweigerte, und sein Flugzeug knallrot anstreichen liess, was seine Sichtbarkeit und Verwundbarkeit erhöhte. Allerdings war er der letzte derartige Fall. Heute gilt im Kriegsrecht als Perfidie (also als Hinterhältigkeit), wenn zum Beispiel eine Soldatentruppe eine Kapitulationsflagge, eine Verhandlerflagge oder ein Schutzzeichen (wie zum Beispiel das Rote Kreuz) für einen überraschenden militärischen Angriff mißbraucht, aber Tarnung und Verstecken hinter Bäumen oder Hecken gilt im heutigen Kriegsrecht nicht als Perfidie (Hinterhältigkeit).

.) ein potenzieller Vorteil der Scharfschützentaktik ist, dass es eine Präzisionskriegsführung ist, die vom Prinzip her eine gute Trennung von Zivilisten und Kombattanten ("Kämpfenden", bewaffneten oder waffentragenden gegnerischen Soldaten) ermöglicht. Die Artilleriekriegsführung war/ist oft sehr unpräzise und tötet oft zahlreiche Zivilisten als "Kollateralschäden" (benachbarte Schäden) knapp neben kriegsrechtlich legitimen, militärischen Zielen. Die Trennung zwischen Kombattanten, die man töten darf, und Zivilisten, die man verschonen soll, ist eine der Grundlagen des heutigen Kriegsrechts. Scharfschützentechnik ist dazu gut geeignet.

.) Scharfschützenkriegsführung soll immer bewertet werden in der Gesamtsicht ihrer Umstände: zum Beispiel der Held des schweizerischen Freiheitskampfes, Wilhelm Tell, war auch ein Scharfschütze, oder Heckenschütze, aber nicht von Anfang an. Begonnen hatte die Sache, die auch in Schillers Drama "Wilhelm Tell" aufgearbeitet wird, damit, dass der habsburgische (also österreichische) Landvogt Gessler einen Hut hatte aufstellen lassen, den man grüßen musste, dass Tell sich geweigert hatte, diesen zu grüßen, dass er dafür bestraft wurde, indem er aus der Distanz auf einen Apfel auf dem Kopf seines Sohnes schiessen musste, was mit einer hohen Gefahr verbunden war, seinen Sohn zu verletzen oder zu töten. Auf jeden Fall trifft Tell den Apfel auf dem Kopf seines Sohnes, aber hat dabei auch einen zweiten Armbrustpfeil dabei. Er wird gefragt, wozu dieser zweite Pfeil da sei, und Tell antwortet, dass er er damit Gessler erschossen hätte, falls er gezwungenermaßen seinen Sohn verletzt oder getötet hätte. Tell wird dafür zu lebenslänglicher Haft verurteilt, aber das Schiff, das ihn zur Kerkerfestung bringen soll, zerschellt in einem Sturm, und er kann flüchten. Als nächstes lauert er dem Landvogt Gessler auf und erschiesst ihn aus einem Hinterhalt heraus mit seiner Armbrust.

Die Scharfschützenkriegsführung ist daher auch oft eine Kriegsführung im Zusammenhang des Tyrannenmordes oder eine Kriegsführung im Rahmen des Schwächeren gegen den Stärkeren, wie das oftmals bei Partisanen- oder Guerilla-Kriegsführung der Fall ist.

.) Ein weiter interessanter Aspekt der "Heckenschützen"-Rhetorik von Rendi-Wagner ist, dass genau diese "Heckenschützen"-Rhetorik ein wichtiger Bestandteil der Nazi-Rhetorik und Nazi-Propaganda im zweiten Weltkrieg war, und sich primär gegen östliche, kommunistische Partisanen richtete, egal, ob nun jugoslawische oder russisch-sowjet-kommunistische. Wenn ein Freiheitlicher diese "Heckenschützen"-Rhetorik mit ihrem Nazi-Zusammenhang verwendet hätte, wäre er wohl monatelang mit Nazi-Vorwürfen überschüttet worden, wenn Rendi-Wagner diese Nazi-Rhetorik übernimmt, dann ist das für Österreichs Polit- und Medien-Establishment (insbesondere für die Politikerinnen und Journalistinnen) natürlich in Ordnung, oder ein quasi-antifaschistischer Akt, der irgendwie verständlich sei, weil Doskozil ein so grausliches Beispiel toxischer Männlichkeit sei, oder so.

.) als Heckenschützen-Mentalität aus dem Hinterhalt heraus oder so ähnlich wird auch oft bezeichnet der Bruch der Vertraulichkeit in Zweiergesprächen, die nur unter der Bedingung stattfinden, dass nichts davon an die Öffentlichkeit gelangt.

Damals im Jahr 1999/2000, als der damalige FPÖ-Obmann Jörg Haider die Vertraulichkeit brach und die Inhalte der Gespräche mit SPÖ-Kanzlerkandidaten Viktor Klima öffentlich machte, nämlich, dass die FPÖ eine Minderheitsregierung der SPÖ unterstützen sollte und dafür von der SPÖ auf europäischer Ebene weissgewaschen werden sollte, wurde dieser Vertraulichkeitsbruch durch Haider von zahlreichen SPÖ-Politikern und -innen als "hinterhältige Methode" bezeichnet, der Inhalt aber wurde nicht dementiert/in Abrede gestellt, was wie eine Bestätigung klang. Es kam übrigens 1999/2000 nicht zu dieser FPÖ-Unterstützung für eine SPÖ-Minderheitsregierung, vermutlich weil Haider und zahlreiche FPÖ-Granden durchaus plausibel bezweifelten, dass die SPÖ dieses Versprechen einhalten würde.

Als Rendi-Wagner in einer Weise, die man als "schmutzig-hinterhältige Heckenschützen-Methode" bezeichnen kann, die Vertraulichkeit brach, und Details von Gesprächen zwischen ihr und Doskozil entgegen der Vertraulichkeitsvereinbarung/-usance an die Öffentlichkeit brachte, blieb dieser Vertraulichkeitsbruch praktisch unkritisiert, mit der einzigen Ausnahme dessen, dass Doskozil ihn als "kindisch" bezeichnete, auch wieder, ohne den Inhalt, ohne das, was Rendi-Wagner sagte, in Abrede zu stellen, was auch wie eine Bestätigung klang. Es ging dabei um die Frage, ob Doskozil intern praktisch das Gegenteil dessen sagt, was er öffentlich sagt, bzw. dass internes Verhalten und öffentliches Verhalten von Doskozil nicht zusammenpassen, IIRC. Auch hier bin ich der Meinung, dass "heckenschützenhafte" Brüche von Vertraulichkeitsvereinbarungen oder Vertraulichkeitsusancen, wie durch Haider oder Rendi, unter Umständen gerechtfertigt sein können. Außerdem interessant, dass es hier eine rot-blaue Quasi-Koalition der Vertraulichkeitsvereinbarungsbrüche zwischen Haider und Rendi-Wagner gab/gibt.

.) im nun schon länger andauernden Streit zwischen Rendi und Doskozil sollte auch der Kontext betrachtet werden: Rendi-Wagner war bei ihrer ersten Wahl als SPÖ-Spitzenkandidatin bzw. als Kanzlerkandidatin sehr erfolglos geblieben, was normalerweise bedeutet hätte, dass jemand anders (jemand Anderer oder jefraud Andere, wie man vielleicht gendern muss) Spitzenkandidat wird. Und die SPÖ hat traditionell eine extreme Wienlastigkeit. Während bei normalen Mitte-Linksparteien die Spitzenkandidaten aus verschiedenen Bundesländern bzw. Teilstaaten kommen, scheint die SPÖ so ziemlich die einzige Partei weltweit zu sein, bei der Kanzlerkandidaten und Spitzenkandidaten immer aus demselben Bundesland, in diesem Fall Wien oder Wien-Umgebung kommen, so als wäre die SPÖ eine Art Wien-Diktatur über die anderen Landesparteiorganisationen. Diese Wiendominanz spielte auch eine Rolle beim SPÖ-Bundesparteitagsbeschluss, auf keiner Ebene mit der FPÖ zu koalieren, also auch auf Bundesländerebene nicht. Diese Regelung war maßgeschneidert für die Wiener SPÖ und LH/Bgm. Häupl, der glaubte, ein als faschistisch darstellbares Feindbild zu brauchen, um Wahlen zu gewinnen, was in Anbetracht seiner Mängel wohl auch stimmte. Allerdings stiess dies bei anderen SPÖ-Landesparteiorganisationen auf massiven Widerstand, weil es sie einer wichtigen Wahlmöglichkeit beraubte, und de facto bedeutete, immer auf Gedeih und Verderb der ÖVP ausgeliefert zu sein. Das war auch der Grund, warum Niessl und später Doskozil diesen SPÖ-Bundesparteitagsbeschluss brachen und "verbotenerweise" eine SPÖ-FPÖ-Koalition bildeten, die gerade im Burgenland nichts Neues war, sondern dies es im Burgenland der ersten Republik auch schon einmal unter Walheim/Ludwig Leser gegeben hatte.

Dieser SPÖ-Bundesparteitagsbeschluss, auf keiner Ebene mit der FPÖ zu koalieren, widerspricht übrigens krass der "minimum-winnig-coalition"-Theorie des Politikwissenschaftlers William Riker aus den 1950er Jahren, veröffentlicht im Buch "A Theory of Political Coalitions", die besagte, dass Großparteien immer dazu neigen, sich den kleinstmöglichen und damit bescheidensten Koalitionspartner auszusuchen. Und die burgenländische FPÖ hatte in den Koalitionsverhandlungen weit weniger gefordert als die bgld. ÖVP, und war daher für die SPÖ-Bgld klarerweise als der viel attraktivere Koalitionspartner erschienen.

Der Konflikt zwischen Wiener SPÖ und Bundesländer-SPÖn äußerte sich dann wieder einmal, als Häupl (SPÖ Wien) dem steirischen Parteifreund/Parteifeind LH Voves vorwarf, zu reden wie die Pegida, weshalb Voves bei der steirischen Landtagswahl dann unter der selbstgesetzte 30%-Rücktrittsmarke zu liegen kam. Voves betrachtete richtigerweise Häupl als Schuldigen dieser relativen Niederlage in der Steiermark (die SPÖ war stimmenstärkste Partei geblieben, hatte aber die 30%-Marke verfehlt, was sie ohne Häupls Behauptung nicht hätte). Voves überliess in der Folge der ÖVP den Landeshauptmannposten und den steirischen ORF-Stiftungsrat, als öffentliches Zeichen, dass er mit der ÖVP besser "konnte" als mit seinem Wiener Parteifreund/Parteifeind Häupl.

So gesehen ist dieser jetzige Streit zwischen Rendi-Wagner und Doskozil (die beide ihre Qualitäten haben) auch gar nichts Neues, sondern die Fortsetzung eines viele jahrzehntelangen Baufehlers der SPÖ: nämlich des ungeklärten Verhältnisses zwischen Wien und Bundesländern. Der Politikwissenschafter Maurice Duverger (IIRC) sagte einmal: "Jede Partei trägt auf ewig den Stempel ihrer Geburt"

Dass die SPÖ viele Jahrzehntelang ein ungeklärtes Verhältnis zwischen Wien und Bundesländern mit sich herträgt, ohne es lösen, reformieren oder verbessern zu können, kann man als Bestätigung betrachten von Duvergers Spruch. Die britische Labour Party musste 5 Wahlniederlagen en suite einstecken, bevor sie einen Ruck in die Mitte tat und Tony Blair zum Spitzenkandidaten machte.

Der Konflikt zwischen Rendi-Wagner und Doskozil geht potenziell weiter als Streit um Wahlverfahren. Während Rendi-Wagner eine Parteitagswahl bevorzugt, weil sie dort bessere Chancen hat, zu gewinnen, bevorzugt Doskozil eine Mitgliederurabstimmung oder eine Entscheidung basierend auf Umfragen, weil er sich dort bessere Chancen erhofft, durchaus zu Recht.

Eine weitere Möglichkeit bleibt offen, nämlich eine an den US-Demokraten orientierte Parteitagswahl mit Superdelegierten, also Delegierten mit vielfachem Stimmgewicht. Apropos USA: dort ist es üblich, dass die verschiedenen Kandidaten oder -innen sich bei den Vorwahlen scharf oder überscharf kritisieren, sich hingegen hinterher für die Hauptwahlen wieder versöhnen; oft wird diese Versöhnung auch dadurch ausgedrückt, dass der Gewinner nach der Schlammschlacht den Verlierer (oder die Verliererin) in die Regierung aufnimmt, so wie Obama Hillary Clinton als Aussenministerin in die Regierung aufnahm.

Es ist traditionell bei Links-Parteien oder Mitte-Links-Parteien so, dass diejenigen Kandidaten, die innerparteilich gewinnen, keine Chance auf Bundesebene haben. Ein Beispiel dafür war Labour-Vorsitzender Jeremy Corbyn, der zwar innerparteilich rauschende Siege feierte, aber bei der Parlamentswahl gegen Boris Johnson kläglich scheiterte. Und zum Ausgleich dieses traditionellen Konflikts zwischen Parteiwillen und Volkswillen haben die US-Demokraten die Superdelegierten eingeführt, um nicht ständig zu verlieren, nur weil die Parteibasis jemanden bevorzugt, der auf der höchsten Ebene keine Chance hat.

Bei der SPÖ ist diesmal aber auch dieser Weg verbaut, weil keine Tradition und keine Einigkeit darüber besteht, wer Superdelegierter mit mehrfachem Stimmgewicht werden soll, und wer nicht.

Der SPÖ-Bundesparteitagsbeschluss, auf keiner Ebene mit der FPÖ zu koalieren, scheint nach wie vor in Kraft zu sein, auch wenn der frühere Kanzler Kern (SPÖ) andachte, ihn aufzuheben, weil er die SPÖ abhängig von der ÖVP macht und sie der Möglichkeit einer "second source", einer zweiten Option beraubt (Die Second-Source-Theorie kommt eigentlich aus der Wirtschaft und besagt, dass man immer eine zweite potenzielle Quelle für Rohstoffe und Vorprodukte haben muss, um nicht durch die erste Quelle erpressbar zu sein)

Und weil dieser SPÖ-Bundesparteitagsbeschluss nach wie vor in Kraft ist, ist Doskozil bei einer Parteitagswahl praktisch chancenlos. Der Parteitag müsste einen Kandidaten wählen, der wichtige Parteitagsbeschlüsse ignoriert hat, und ihnen entgegen rot-blaue Koalitionen gebildet hat. Mag sein, dass er auch verschiedenen Gründen trotzdem gezwungen sein wird, bei dieser Parteitagswahl mit praktisch unvermeidlicher Niederlage teilzunehmen, z.B. weil es seine einzige Chance ist, jemals wieder Minister zu werden, oder weil es seine einzige Chance ist, überhaupt in der Politik zu bleiben. Trotzdem hat diese Parteitagsabstimmung den Beigeschmack einer pseudo-demokratischen oder "spezialdemokratischen" (Copyright Norbert Leser) Farce, weil selbst ein Müllkübel wegen Doskozils angeblichem "Tabubruch", gegen den Bundesparteitagsbeschluss verstossen zu haben, sehr gute Chancen hätte, gegen Doskozil bei einer Parteiztagswahl zu gewinnen.

Diese pseudodemokratische Farce erinnert auch an Putinismus und die derzeitige russische Scheindemokratie, wo man auch immer schon vorher weiss, dass Putin "gewinnen" wird, "gewinnen" muss, ebenso wie man bei dieser Parteitagswahl schon vorher weiss, dass Rendi-Wagner "gewinnen" wird/"gewinnen" muß.

Und da diese vermutlich bevorstehende Wahl den Beigeschmack einer derartige scheindemokratischen Farce hat, ist es vom Prinzip her auch naheliegend, dass die burgenländische SPÖ Alternativen dazu anstrebt.

Allerdings hat sie nicht wirklich viele bzw. wirklich gute Alternativen: die von Rendi-Wagner unberechtigerweise skandalisierte angebliche "Drohung" (mit Einstellung der Zahlungen) müsste konsequenterweise auf eine Parteispaltung hinauslaufen (eine ähnliche Abspaltung, aber der steirischen SPÖ wäre aus meiner Sicht und aus Sicht zahlreicher Steirer und Steirerinnen schon beim Zerwürfnis zwischen Häupl und Voves angesagt gewesen, die SPÖ-Stmk unterliess die Abspaltung der steirischen SPÖ und erhielt dafür die wohlverdiente Wahlniederlage, minus 6.5% von den ohnehin schon schwachen 29.3%).

Und der Weg zu einer Abspaltung ist irgendwie auch wahlarithmetisch verbaut: die SPÖ hat ja gemeinsam mit der ÖVP 1992 eine Nationalratswahlordnung geschaffen, die derartige Abspaltungen von Landesparteiorganisationen (LPO) kleiner Bundesländer erschwert oder überhaupt unmöglich macht, was man auch als diktaturähnlich betrachten kann.

Die Gründe, warum Abspaltungen kleiner LPOs praktisch unmöglich sind, sind erstens das D´Hondt´sche Verfahren im dritten Ermittlungsverfahren, das Großparteien begünstigt und Spaltungen oftmals durch Mandatsverlust bestraft (man hätte auch das proportionalere und gerechtere Sainte-Lague-System stattdessen verwenden können, aber frei nach Kreisky ist Gerechtigkeit keine politische Kategorie - in Wirklichkeit sagte er, Dankbarkeit sei keine politische Kategorie)

zweitens die Vierprozenthürde: das Burgenland als kleines Bundesland ist so klein, dass eine abgespaltene SPÖ-Burgenland ernstzunehmende Gefahr liefe, den Nationalratseinzug über die Vierprozenthürde zu verfehlen. (was für die Wiener oder die steirische SPÖ nicht zutrifft - alleine schon dieser Unterschied bedeutet de facto eine Art quasi-diktatorische Übermacht der Wiener SPÖ über die burgenländische SPÖ).

drittens die Regionalwahlkreismandate: wenn die SPÖ Burgenland (SPB) sich abspalten würde, dann würden vermutlich zahlreiche mit der SPÖ sympathisierende Frauen aus dem Burgenland oder zahlreiche mit der SPÖ sympathisierende junge Leute aus dem Burgenland die SPÖ/Rendi-Wagner und nicht die SPB/Doskozil wählen, womit die SPB Gefahr liefe, kein einziges Regionalwahlkreismandat zu erreichen. Auch das mit dem von Rendi-Wagner behaupteten "Versuch, die Partei zu zerstören" ist - so gegen Doskozil gerichtet - keineswegs richtig: wenn das Wahlsystem ein anderes wäre, dann könnte sich eine Parteispaltung unter Umständen durchaus in einem summenmäßigen Stimmen- und Mandatszuwachs äußern. Und dass das Wahlsystem so ist, wie es ist, und wie 1992 festgelegt wurde, kann man Doskozil nicht vorwerfen, er war damals nicht, bzw. noch nicht in der Bundespolitik und mit Wahlsystemfragen nicht befasst.

Daher ist die "Drohung" mit Zahlungseinstellung, die konsequenterweise auf eine Abspaltung hinauslaufen müsste, eine ziemlich hohle, im Unterschied zu den Behauptungen von Rendi-Wagner. Es ist keine irgendwie bedrohliche "Heckenschützenmethode", wie von Rendi-Wagner fälschlicherweise behauptet, sondern eher das letzte verzweifelte Aufbäumen einer kleinen Landesparteiorganisation, die eigentlich gar keine realistischen Optionen hat. Allerdings steht zu erwarten, dass dieses Verhalten der Wienerin Rendi-Wagner zahlreiche Wähler (weniger Wählerinnen) aus der SPÖ hin zu anderen Parteien vertreibt, womit wieder einmal das Schema der letzten Jahrzehnte wiederhergestellt ist: Wien/Wiener SPÖ setzt sich quasi-diktatorisch durch, schädigt dabei aber Bundespartei und verschlechtert das Wahlergebnis. Die von Linken seit vielen Jahrzehnten sogenannte "strukturelle schwarz-blaue Mehrheit" (schwarz-blaue Mehrheit seit 1983) ist in Wirklichkeit gar nicht strukturell, sondern die logische Reaktion auf massive Fehler der SPÖ.

Ein weiterer Grund für die Unmöglichkeit der Abspaltung kleiner LPOs ist das Fehlen von Wahllistenverbindungen und Wahllistenkopplungen wie in der Schweiz. Mit anderen Worten: die österreichische Nationalratswahlordnung enthält in vielerlei Hinsicht vermutlich absichtlich quasi-diktatorische Elemente, um die Abspaltung kleiner LPOs zu verhindern. Wenn die österreichische NRWO Wahllistenverbindungen und Wahllistenkopplungen wie in der Schweiz enthielte, dann könnte die SPB sich von der SPÖ abspalten und mit anderen Parteien (Grün?, FPÖ?, ÖVP?, NEOS?) eine Wahllistenverbindung eingehen, und könnte damit vermutlich ins Parlament kommen.

Damals im Jahr 2014, als der russische Präsident Vladimir Putin nach Wien kam, und mit Wirtschaftskammerpräsident Leitl und Bundespräsident Fischer eine Konferenz abhielt, in der über den Anschluss der Ukraine an Russland gewitzelt wurde, und über eine Aufteilung der Ukraine zwischen Österreich und Russland (heute bleibt einem bei diesem Video das Lachen im Halse stecken), sagte Putin auch: "Österreich - Diktatur, aber gute Diktatur". Und in der Tat ähnelt Österreich der diktatorischen Sowjetunion: genauso wie die größte Teilrepublik der Sowjetunion, nämlich Russland, die kleineren diktatorisch beherrschte, darunter auch die Ukraine, eine alte russische Tradition, die Putin wiederherstellen will, genauso beherrscht in der SPÖ die mit Abstand größte Landesgruppe, nämlich die Wiener, die anderen Landesgruppen mit diktatorischem Beigeschmack, was sich vielleicht auch darin äußert, dass die Nationalratswahlordnung 1992 gemeinsam mit der ÖVP so gestaltet wurde, um Abspaltungen kleiner Landesgruppen zu verhindern oder zu erschweren, durch verschiedene Faktoren, insbesondere das Fehlen der Schweizer Wahllistenverbindungen. Ein weiterer Aspekt der österreichischen "Diktatur", die Putin ansprach, ist dass in zahlreichen Bundesländern, nämlich Wien, Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg seit über 100 Jahren (NS-Zeit ausgenommen) immer dieselbe Partei den Landeshauptmann stellte (in Wien die SPÖ, sonst die ÖVP) und es nie einen richtigen demokratischen Wechsel gab. Das bunteste und pluralistischste Bundesland, in dem die meisten verschiedenen Parteien den LH stellten, ist übrigens das von Wien aus oftmals als faschistisch gebrandmarkte Kärnten, wo 3 bis 4 Parteien den LH stellten im Laufe der 2. Republik, je nachdem, ob man BZÖ und FPÖ als eine Partei zählt oder als 2.

.) aber noch mal zurück zur von Rendi-Wagner Richtung Doskozil behaupteten "Heckenschützenmethode". In dem konkreten Kontext hat das auch den Beigeschmack einer sexistischen Unterstellung: friedliche, faire Frauen gegen hinterhältige, kriegerische Männer. Diese sexistische Sichtweise passt auch zu Jörg Kachelmanns Behauptung vom "Opfer-Abo der Frau in unserer Gesellschaft", der zum "Unwort des Jahres" erklärt wurde, was einem quasi-totalitären Begriffsverwendungsverbot gleichkommt.

Gerade bei dem Scharfschützen stimmt das nicht: gerade die Scharfschützen-/Heckenschützenbranche ist eine stark weibliche. Einer der besten Scharfschützen des Zweiten Weltkrieges, vielleicht aller Zeiten, war eine Frau, nämlich Ludmilla Pawlitschenko aus der Roten Armee, der 309 Abschüsse zugeschrieben werden.

Ein Gewehr präzise abzufeuern, erfordert keine besondere Körperkraft, anders als bei Axtkämpfen oder Schwertkämpfen, bei denen die Körperkraft wichtig ist, was im Durchschnitt einen Vorteil für Männer und einen Nachteil für Frauen darstellt, spielt das bei Scharfschützengewehr keine Rolle.

Ljudmilla Pawlitschenko hatte auch potenziell problematische Züge, die sich in ihrer Aussage "Nur tote Deutsche sind gute Deutsche!" äußerten. Damals verstand man in Russland auch als Deutsche, was man heute als Österreicher verstehen würde.

.) Die Skandalisierung des Kriegerischen, des Bewaffneten durch Rendi-Wagner, hier der Heckenschützenmethode, ist besonders absurd in einer Wendezeit, die durch den Ukrainekrieg 2022 ausgelöst wurde, in der militärische Aspekte wichtiger sind und von den Leuten genauer betrachtet werden als in der zuvorgegangenen Zeit der "Friedensillusion".

.) Außerdem hat die Aussage von Rendi-Wagner etwas polizeifeindliches und sicherheitsfeindliches: jeder ernstzunehmende Polizeiapparat verfügt über Präzisionsschützen, zum Beispiel, um aus dem Hinterhalt (zumindest aus Sicht des Entführers ist es ein Hinterhalt) heraus einen Entführer zu erschiessen, der bereits die ersten Geiseln oder Entführungsopfer erschossen hat und sich daran macht, die nächsten zu erschiessen.

.) Rendi-Wagner hat bei ihren oft falschen Behauptungen über Doskozil auch die Unterstützung von zahlreichen Wiener Journalisten und Journalistinnen, z.B. bei Corinna Milborn, bekannt für ihre weitlinke und extrem-feministische oder pseudo-feministische Position fragte Milborn Rendi-Wagner, ob Doskozil und sein Operieren mit Umfragen "nervig und ärgerlich" sei. Nicht erwähnt wurde die Debatte um innerparteiliche Wahlmethoden, die eine wichtige ist, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.

Auch dass Rendi-Wagner dabei Doskozil andeutungsweise vorwarf, wie Kurz und seine Entourage zu agieren, nämlich mit Unterschlagung von Steuergeldern gefälschte Umfragen zu erschwindeln, war ein Akt des sehr heftigen innerparteilichen Streits, dem man ein gewisses Maß an Hinterhältigkeit nachsagen kann.

Generell war es schon immer so, dass den Burgenländern Niessl und Doskozil in den Wiener Medien massive Ablehnung entgegenschlug, und dass sie kaum Möglichkeiten hatten oder genug Platz und Zeit, um ihre Position darzustellen.

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221123_OTS0210/rendi-wagner-bei-milborn-zu-doskozil-umfrage-nein-es-nervt-und-aergert-mich-nicht

Es ging bei dem Interview durch Corinna Milborn nur um die Frage, ob Doskozil nervig und ärgerlich sei. Um die Frage nach dem "richtigen" Wahlsystem "Parteitag, Mitgliederurabstimmung oder Superdelegiertenregelung?" ging es nicht. Ein typisches Beispiel, dass es im österreichischen Journalismus sehr wesentlich um Miesmache von Personen geht, aber dass Sachthemen praktisch nicht diskutiert werden.

.) Die SPÖ ist seit jeher - zumindest auf Wählendenebene - eine stark weibliche Partei. Der frühere SPÖ-Bundeskanzler Kreisky hatte prakisch keine andere Wahl, als in den frühen 1970er Jahren die Fristenlösung zu befürworten, weil er sonst die Unterstützung der Frauenorganisationen und damit die Macht verloren hätte. Und auch bei Doskozil kann man den Eindruck haben, dass er sich der SPÖ-"Frauendiktatur" manchmal gebeugt haben könnte. Das Migrationspapier, das Doskozil gemeinsam mit dem Kärntner Landeshauptmann Kaiser entwickelt hatte, verschwieg auf erstaunliche Weise den Männer-Überschuss in zahlreichen Alterskohorten, den Österreich sich durch die 2015ff-Flüchtlingswelle eingehandelt hatte. Auch wenn ich die inneren Prozesse (wer hat vorgeschlagen?, wer hat sich breitschlagen lassen?) zwischen Kaiser und Doskozil nicht kenne, so ist das Fehlen einer Lösung für den Männerüberschuss erstaunlich oder auch nicht.

Zahlreiche Theorien der Männerüberschussforschung besagen, dass

Frauen Konstellationen des Männerüberschusses befürworten, weil sie dann mehr Wahlmöglichkeiten haben, mehr Möglichkeiten, wählerisch zu sein bei der Partnerwahl. Der Preis für die privilegierten Wahlmöglichkeiten von Frauen bei Männerüberschuss in zahlreichen Alterskohorten ist aber, dass zahlreiche Männer (insbesondere Unterschichtmänner) bei Monogamie und Männerüberschuss keine Frau finden können, was sie entweder depressiv, alkohol- oder drogensüchtig oder aggressiv macht, bis hin zur Beteiligung an ausländischen Kriegen. Oder auch bis hin zum Incel-Terror, der Vergewaltigung oder des Frauenmords. D.h. Doskozil hätte vermutlich extreme Probleme mit den SPÖ-Frauenorganisationen bekommen, wenn er darauf bestanden hätte, den für die Frauen verhandlungstechnisch so günstigen Männerüberschuss im SPÖ-Migrationspapier zu erwähnen. Diese Probleme mit den Frauenorgas hat er nun sowieso bekommen - so gesehen wäre es im Nachhinein betrachtet besser gewesen, gleich die Machtfrage und Spitzenkandidatenfrage zu vergessen, und das Thema zu erwähnen, für das man als Mann brennt oder brennen sollte, auch auf die Gefahr hin, es sich mit zahlreichen Frauen und Frauenorgas zu verscherzen. Inwieweit sich die Geschlechterbalancefrage durch rein theoretisch überwiegend weibliche Flüchtlingswellen aus der Ukraine wegen des Ukrainekrieges geändert hat, kann ich derzeit nicht sagen, oft dauert es lange, bis man zuverlässige Zahlen hat. So gesehen stellt sich auch die Frage, ob so manche in der SPÖ (Doskozil ? Kaiser?) bereits frühzeitig, z.B. 2018 mit dem künftigen Ukrainekrieg rechneten (ohne es zu sagen) und damit, dass künftige überwiegend weibliche Flüchtlingswellen aus der Ukraine die Ungleichgewichte aus den überwiegend männlichen Syrienkrieg-Flüchtingswellen ausgleichen werden. Und es stellt sich auch die Frage, ob es moralisch vertretbar ist, eine solche Situation der Kriegsgefahr gegenüber der eigenen Bevölkerung zu verschweigen, weil damit erhebliche Schäden für Viele einhergehen können, über eine derartige Kriegsgefahr nicht informiert zu werden.

D.K.

Hier ein kurioses Werbesujet der Erste-Bank, das man auch als offene Parteinahme für Rendi-Wagner betrachten kann: wichtig sind nur die Frauen, die an sich glauben sollen. Ein paar hunderttausende "überschüssige" Männer, die verzweifelt, depressiv, etc. werden, die den Glauben an sich selbst verlieren, weil sie in der Situation des Männerüberschusses sehr schlechte Chancen haben, eine Frau abzubekommen, egal, wie sehr sie sich bemühen und egal, wie frauenfreundlich sie sind, seien ja irgendwie egal und ungebraucht - eben überschüssig und überflüssig. Diese Überflüssigkeit zahlreicher Männer erinnert sehr an den Kriegsfilm von John Ford aus dem Jahr 1945: "They were expendable" ("Sie waren verzichtbar" in der O-Übersetzung, deutscher Titel "Schnellboote vor Bataan" ). Darin ging es um kleine Torpedoboote und ihre Besatzungen, die japanische Kriegsschiffe per Torpedo versenken sollten und das auch oft taten, und auf die man leicht verzichten konnte, weil sie klein waren.

Die österreichische "Diktatur", die von Putin angesprochen wurde, äußert sich auch im Clubzwang, darin, dass in Österreich die einzelnen Abgeordneten unfreier sind als im Großteil des Rests der demokratischen Welt. Deutschland hat zwar ein ähnliches am Verhältniswahlrecht orientiertes System, aber mit dem Zweistimmensystem ein stark ausgebautes Persönlichkeitswahlrecht.

In Österreich bestimmt die Parteielite, wer auf die Wahlliste kommt und wer nicht, und es gibt nur geringe Möglichkeiten, durch Vorzugsstimmen etwas umzureihen, und selbst in den Fällen, wo umgereiht wird, hat das oft einen seltsamen Beigeschmack, wie damals bei dieser EU-Wahl, bei der der FPÖ-Spitzenkandidat Kronberger, der die Wahlkampfauftritte absolviert hatte und das Bild der FPÖ medial bestimmt hatte, von Andreas Mölzer durch einen Vorzugsstimmenwahlkampf verdrängt wurde. Diese Vorzugsstimmenkampagne, die den starken Eindruck von Wählertäuschung vermittelte, hat das Vorzugsstimmensystem weiter beschädigt und zur Erfolgslosigkeit dieses Vorzugsstimmensystem beigetragen.

Die Debatten im Österreichischen Parlament sind meist fürchterlich fade, weil alle Abgeordneten einer Partei praktisch dasselbe machen, mit hoher Akzentlegung auf Miesmachen und Beschimpfen des anderen Lagers und der anderen Parteien. Originelle Beiträge, die authentisch und glaubwürdig wirken, kommen im österreichischen Parlament kaum vor. Auch deswegen, weil jeder Abgeordnete und jede Abgeordnete, der/die irgendwas sagt, das nicht 100%ig auf Parteilinie liegt, Gefahr läuft, bei der nächsten Wahl von der Parteielite nicht mehr auf die Liste gesetzt zu werden. Eine Ausnahme davon war die Impfpflichtabstimmung bei den NEOS, bei denen der eine Teil der NEOS für die Impfpflicht , ein anderer Teil gegen die Impfpflicht stimmte. Ein absolut seltenes Ereignis im österreichischen Parlamentarismus.

Andere Parlamente sind da viel bunter, turbulenter und lebendiger.

Die Rate der Abweichler von der Parteilinie ist in anderen Parlamenten viel höher. In Österreich praktisch Null.

Diese österreichische "Clubzwangdiktatur" bei gleichzeitigem Mangel an innerparteilicher Demokratie verfestigt und verstärkt auch Lagerkonflikte.

Putins "Österreich Diktatur, aber gute Diktatur"-Phrase ist bei Minute 0:32.

Ich konnte kein neutraleres Video mit Rendi-Wagner in dieser Rede im O-Ton finden, als über die "Krone":

https://www.krone.at/2950720

D.K.

Wahlkampfplakat aus 2017 mit den im obigen Blog Erwähnten.

Der Konflikt war damals noch nicht offensichtlich, aber gewissermaßen bereits vorherbestimmt, durch die traditionellen Mängel der SPÖ, insbesondere die Dominanz der SPÖ Wien. Dieser Konflikt äußerte sich schon oft, zum Beispiel im Konflikt zwischen Häupl (SPÖ Wien) und Voves (SPÖ Stmk).

Die Wahrheit sieht eben oft ganz anders aus als verlogene Wahlkampfplakate.

Den Slogan "Veränderung mit Verantwortung" kann man als unfreiwillig lustig betrachten, weil es der SPÖ viele Jahrzehnte lang nicht gelungen war, ihre inneren Probleme zu lösen, frei nach Duvergers "Eine Partei trägt auf ewig den Stempel ihrer Geburt".

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