Frauen küssen in 30 Sekunden – eine wahre Geschichte.

Als mein Freund Oskar, der mit vierzig beschlossen hatte, endlich richtig zu leben, zum sechsten Mal allein aus dem Wiener Aufreißer-Schuppen „Bettelalm“ kam, sprach ihn der Türsteher an. „Hör mal“, sagte er, da gehen jeden Tag Typen, die nicht halb so gut wie du aussehen, mit Frauen raus. Er empfahl ihm einen im Internet verfügbaren Aufriss-Ratgeber. Macht doch Sinn, endlich mal was Richtiges zu lesen, statt immer nur Literatur, dachte Oskar.

Oskar ist so ein Typ, der, was er macht, gründlich macht. Also druckte er sich die gefühlten 240 Seiten aus, setzte sich mit dem Textmarker ans Bett und arbeitete das Werk mit dem Titel „Frauen küssen in 30 Sekunden“ von Estefano Elano durch. Sprüche wie „Ein Jäger, der einen kapitalen Hirsch erlegen will, muss auch manchmal ein paar Nächte am Hochsitz ausharren“ oder „wer seine Aufriss-Erfolge mehren will, muss die Zahl seiner Versuche erhöhen“, gefielen ihm. Er kaufte sich gleich noch einen Ratgeber.

Als er beim nächsten Mal in der Bettelarm zwei junge hübsche Frauen sah, wunderte er sich, dass sie noch keiner angesprochen hatte. Alles ganz locker und unverbindlich, dachte er sich gemäß dem Ratgeber, als er sie mit ein paar Sprüchen auf den Lippen antanzte. Bisher hatte er immer nur „wie heißt du?“ gefragt.

Er freute sich ziemlich, als er Lilo und Nina, beide 22, viele Runden Tequila später in ein Taxi kriegte und dem Fahrer seine Adresse nannte. Bei ihm daheim waren sie schon so weit, dass eine links und eine rechts von ihm auf der Couch lag – er hatte auch schon zuerst Lilo und dann Nina – geküsst, als Nina vom Klo zurückkam und seine Textmarker entdeckte.

Den fand sie richtig komisch. Sie fragte Oskar, was er damit mache. Dabei fing sie schon an, in seiner Wohnung herumzuwandern. Sie fand zuerst den Wäschetrockner mit seinen betagten Jockey-Unterhosen und dann den Papierstapel. Der lag auf der ihm als Nachtkästchen dienenden Schachtel einer Küchenmaschine, die er sich gerade gekauft hatte, und seine Leselampe klemmte noch daran. Dann fanden sie auch noch das Rezept für Fisch mit Kräuterknoblauchkruste, das sich Oskar aus der Kronenzeitung gerissen hatte, weil er seit kurzem auch Kochen lernen wollte. Die Rückseite war, was ihm noch gar nicht aufgefallen war, voller Kontaktanzeigen der Version „jung und reif, volles Service“.

Aus dem lasziven frühen Morgen wurde jetzt eher ein lustiger. Die beiden Mädchen probierten kichernd seine Sachen vom Wäschetrockner an, lachten sich über den Ratgeber halb tot und entdeckten auch noch den zweiten. Der stammte von einem deutschen Bundeswehroffizier und trug den Titel „Angriffsziel Frau“.

Oskar kam zu dem Schluss, dass Frauen es nicht mögen, wenn sie als berechenbare Objekte gezeigt werden, als Lilo und Nina spaßhalber zuerst den Packen Papier und dann seine Unterhosen zum Fenster hinaus warfen. Die Hälfte der Sachen fiel in den Garten, die andere auf den Balkon der Familie unter ihm, die noch dazu gerade auf Urlaub war. Doch etwas irritierte ihn noch mehr: Er konnte sein Handy nicht finden.

Nina musste ihn anrufen, aber er hörte es nicht läuten. Lilo und Nina fanden es offenbar nicht mehr so witzig, als er auf allen Vieren durch die Wohnung kroch und über den Taxifahrer schimpfte, der ihm das Handy mutmaßlich geklaut hatte, oder der zumindest jetzt mutmaßlich absichtlich nicht abhob. Sie gingen.

Die Sache hatte aber doch noch ein Happy End: Oskar fand sein Handy wieder. Er schrieb Nina sogar noch eine SMS, und sie antwortete sogar. „Was erzählst du jetzt eigentlich deinen Nachbarn?“, schrieb sie zurück.

Oskar bleibt dabei: Er will unbedingt jetzt mal richtig leben. Wer ihn kennenlernen will – diese Geschichte ist in jedem Detail wahr und ich leite Nachrichten an ihn gerne weiter.

5
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

vitus

vitus bewertete diesen Eintrag 26.09.2016 15:52:15

Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 25.09.2016 16:30:53

Petra vom Frankenwald

Petra vom Frankenwald bewertete diesen Eintrag 25.09.2016 15:25:36

sisterect

sisterect bewertete diesen Eintrag 25.09.2016 12:34:08

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 25.09.2016 11:41:33

5 Kommentare

Mehr von Fischer Horst