Muttertag nach einer Trennung - einfach zum Nachdenken

Stefan spürt, dass es heute so weit ist. Er fühlt diese quälende Gewissheit, dass es für lange sein wird. Als ihre kleinen Händchen ihn nochmals fest umschlungen, als wären seine Tochter und er eins. Ganz genau konnte er spüren, wieviele Fragen in ihrem hübschen Kopf herumschwirrten, die gar nicht dort sein sollten. Sie sollte doch Kind sein dürfen, sich einfach nur um ihre Neugier für die Welt kümmern müssen. Und sich nicht mit dem Quatsch beschäftigen, den ihre Eltern da angerichtet haben. Als Stefan und die kleine Anna ihre Umarmung wieder lösten, versanken ihre Blicke ineinander: "bitte, weck mich auf; bitte, sag mir, dass ich nur einen bösen Traum habe und zu Euch ins Bett kommen darf" schienen ihre Augen, die wässrig aber zugleich erschreckend gefasst waren, zu flehen.

Am heutigen Muttertag denkt Stefan wieder besonders oft an diese bereits Jahre zurückliegende Verabschiedung von seiner damals sechsjährigen Tochter. An diesen Moment, der ewig schien und zugleich auch viel zu kurz. Als diese innige Verbindung zu seiner Tochter durch eine vor wütender Verzweiflung bebende Stimme, die ebenfalls um Fassung bemüht war, durchbrochen wurde; symptomatisch für das, was die nächsten Jahre folgte: "Komm, tu weiter; wir müssen fahren."

Mutter zu sein bedeutet weit mehr, als dieses kleine unscheinbare Wort ausdrücken kann. Es bedeutet etwa unentwegte Verbindung zu seinem Kind, welches 9 Monate in einem herangewachsen ist. Es bedeutet ständige Sorge um das Wohlergehen dieses Kindes. Und es bedeutet schier unmenschliches, wenn die Beziehung zu jenem Partner, mit welchem man diese eigene Familie gegründet hat, zerbricht: genau zu unterscheiden zwischen der meist in Wut, Verzweiflung und Angst zerbrochenen Beziehung zum vormaligen Lebenspartner und der Rolle des Vaters, die dieser Mensch ebenso einnimmt; in der er vielleicht ganz anders ist, in der er kraft biologischer Mechanismen sehr wahrscheinlich unverändert die Eigenschaften aufweist, welche ihn doch auch als Vater der eigenen Wunschkinder einst so gut vorstellbar gemacht haben. Mutter sein verlangt dabei, dem Kind auch weiterhin die Chance auf die gemeinsamen Momente mit dem eigenen Vater und somit einer seiner für die Selbstfindung so wichtigen Wurzel zu geben. Und dabei das innere Dilemma aufzulösen zwischen der eigenen Ohnmacht, welche es unmöglich gemacht hat, noch die für eine Partnerschaft essenzielle Geborgenheit bei diesem Menschen zu finden, und dem Anspruch des Kindes, welches man ja vor vergleichbar schlimmen Enttäuschungen bewahren will, auf eine weiterhin mögliche Begegnung mit einem liebevollen Vater, welcher zu sein diesem Mann ja zugleich auch zugestanden werden sollte.

Möge der heutige Muttertag nicht nur Gelegenheit bieten, den Müttern zu danken für die unermessliche Leistung, welche sie Tag und Nacht nahezu selbstlos erbringen für ihre Kinder. Der heutige Tag soll auch daran erinnern, dass auch Mütter Menschen sind - Menschen, denen manchmal der eigene Schmerz die Sicht auf viele schöne Seiten verstellt. Menschen, die nicht bloß Wertschätzung, sondern manchmal auch aktivere Unterstützung verdienen. Beispielsweise in Trennungssituationen, wenn es nicht so recht gelingen mag, den in Schmerz und Enttäuschung verlorenen Lebenspartner auch weiterhin als liebevollen Vater für die gemeinsamen Kinder zu sehen. Für das Kind, welches ja nicht nur ein Recht auf die Wärme und Geborgenheit der Mutter hat, sondern auch auf einen intensiven Kontakt zu seinem Vater.

In diesem Sinne: Schönen Muttertag!

9
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

irmi

irmi bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

Claudia Braunstein

Claudia Braunstein bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

Luis Stabauer

Luis Stabauer bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

liberty

liberty bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

Bernhard Juranek

Bernhard Juranek bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

Hansjuergen Gaugl

Hansjuergen Gaugl bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:07

2 Kommentare

Mehr von Hansjuergen Gaugl