Der ehemalige Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Anas Schakfeh, äußert sich zum neuen Islamgesetz, das er als Sicherheitsgesetz einstuft. Im Gespräch mit Nermin Ismail erklärt er, warum die Muslime bisher Rechtssicherheit genossen haben und warum die Novellierung eine Ungleichbehandlung bedeutet.

Sie waren 24 Jahre im Amt des Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft. War eine Novellierung des seit 1912 bestehenden Islamgesetzes auch zu Ihrer Zeit Thema?

2005 haben wir einen Entwurf der damaligen Regierung vorgelegt. Elisabeth Gehrer wollte das Gesetz als eine Regierungsinitiative beschließen lassen. Die ÖVP verlor 2006 die Wahlen und Frau Gehrer hat ihren Rücktritt erklärt. 2008 waren wir mit der Studie des Herrn Khorchide konfrontiert. Die Ergebnisse waren für die Muslime sehr negativ. Der Ruf des Islamunterrichts war ramponiert. Wir begannen dann die Schäden zu reparieren. Wir haben dann einen 5- Punkte Plan erarbeitet und waren mit der Reformierung des Lehrplans beschäftigt. Danach haben wir die Verfassung der IGGiÖ novelliert. Mitte 2011 habe ich meine Amtsperiode beendet.

Und die Novellierung des Islamgesetzes blieb auf der Strecke?

Der Entwurf lag im Ministerium vor, aber es gab keinen Willen mehr etwas zu tun in dieser Richtung. Nach Abschluss meiner Amtsperiode habe ich den neu gewählten Präsidenten den Entwurf in die Hände gedruckt und habe gesagt er soll das verfolgen. Ich wusste nur, dass das Kultusamt nicht unseren Entwurf weiterbehandeln wollte, sondern etwas ganz Neues.

Sie sind also kein Befürworter des neuen Islamgesetzes. Warum denn genau?

Es geht mir um die Geisteshaltung unter welcher die Politik den Entwurf für das neue Gesetz geschrieben hat. Diese Geisteshaltung sieht die Muslime nicht wirklich als vor dem Gesetz gleichgestellte Bürger. Ihre Glaubensgemeinschaft wird nicht wie andere behandelt. Diese Geisteshaltung ist aus dem Text herauszulesen und das ist unbefriedigend.

Woran erkennen sie diese Haltung?

Die Muslime stören sich an Paragraphen wie die, wo steht dass das staatliche Recht Vorrang hat vor religiösem. Das ist eine sehr populistische Forderung, die an vier Stellen vorkommt. In der Tat niemand in der Glaubensgemeinschaft stellt den Vorrang der Verfassung in Frage. In der Präambel der Verfassung der IGGiÖ ist das ausdrücklich festgeschrieben. Aber wenn man uns im Gesetz hineinschreibt, ohne dass das für andere Religionsgesellschaft vorgeschrieben ist, dann fragen wir uns: Warum bei uns? Sind wir verdächtig? Das ist nicht gut für die Integration. Man fühlt sich vor den Kopf gestoßen.

Bringt das Islamgesetz denn keine Rechtssicherheit für Österreichs Muslime, wie die Minister meinen?

Nein, denn bis jetzt haben wir auch Rechtssicherheit genossen. Alles was sie aufzählen als Neuheiten des Gesetzes, haben wir bereits gehabt, beispielsweise das Recht auf Friedhöfe. Wir haben bereits mehrere Friedhöfe in Österreich. Auch das Recht auf Schächten und zwar nicht aus Gewohnheitsrecht. Es ist im Tierschutzgesetz festgeschrieben. Dass wir die Beschneidung haben, das ist auch ein geltendes Recht und niemand hat daran je gezweifelt. Die freie Ausübung der Religion genießt Verfassungsschutz. Wir haben Rechtssicherheit und das ist nichts Neues.

Was bedeutet es nun konkret für Muslime hierzulande, sollte die Regierungsvorlage vom Parlament beschlossen werden?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Gesetz so beschlossen wird, weil die Koalition das will. Nachher wird es ein gültiges Recht sein, allerdings gibt es die Möglichkeit, dass dagegen vor dem Verfassungsgerichtshof vorgegangen wird.  Es geht um die Unvereinbarkeit mit dem Gleichheitsprinzip. Es ist essentiell, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind. Das ist die Grundlage der Rechtsstaatlichkeit.

Das theologische Studium an der Universität Wien ist ebenso sehr strittig.

Es soll ein islamisch theologisches Studium eingerichtet werden und die Glaubensgemeinschaft hat nur das Recht eine Stellungnahme abzugeben, wer als Professor einberufen werden soll. Es gibt aber keinerlei Garantie, dass die Organe der Universität diese Stellungnahme ernstnehmen oder darauf reagieren. Diese Personen müssen weder Muslime sein, noch Mitglieder der iGGiÖ. Dann kann ein Nichtmuslim islamische Theologie unterrichten. Die iGGiÖ müsste das hinnehmen.

Wo liegt da das Problem?

Das ist sehr merkwürdig. Man begründet das mit dem Prinzip der Freiheit der Wissenschaft. Es gibt die Disziplin Religionswissenschaft, das kann man ohne konfessionelle Bindung betreiben. Aber die Theologie ist immer konfessionell gebunden. Bei den Katholiken und den Evangelikalen ist es so, aber bei den Muslimen muss die Wissenschaft frei sein. Es ist eine Glaubensfrage. Die Theologie ist die Kunde von Gott. Es ist eine komische Argumentation der Politik, denn sie lässt bei den Muslimen etwas gelten, was für andere nicht gilt. Das ist eine Ungleichbehandlung.

Jemand, der in der katholisch-theologischen Fakultät berufen wird, braucht eine Missio der zuständigen Kirche. Das ist eine Lehrbefähigung. Ohne Missio darf er keine Theologie betreiben. Aber bei den Muslimen darf die Universität entscheiden und die Glaubensgemeinschaft darf gnädiger Weise eine Stellungnahme abgeben, ohne Garantie, ohne Konsequenzen.

Viele sehen das Versagen beim Präsidenten Sanac. Wären Sie noch Präsident, stünden wir heute vor demselben Ergebnis?

Öffentlich werde ich die amtierende Führung niemals kritisieren. Das ziemt sich nicht. Deswegen kann ich keine Antwort geben. Intern wenn ich gefragt werde, gebe ich meine Meinung.

Welche Folgen hat das Gesetz auf das Zusammenleben in Österreich?

Die absolute Mehrheit der Muslime sind friedliche Bürger und werden weiterhin friedlich bleiben. Wir sind Bürger Österreichs. Nur sind sie jetzt enttäuscht von der Politik und denken sich: Wir haben uns integriert und jetzt kommt jemand und setzt uns bestimmte Regelungen vor. Ich glaube, das ist kein guter Schritt in Richtung schnellere und bessere Integration.

Einige Muslime protestieren auch gegen das Gesetz. Was halten Sie von der Rücktrittsforderung der Glaubensgemeinde Linz und Salzburg und der Muslimischen Jugend? Ist sie gerechtfertigt?

Das ist überzogen, denn erstens die Diskussion muss intern geführt werden und zweitens stehen Wahlen 2015 an. Wenn man an die demokratische Vorgehensweise glaubt, dann soll man sich an dieser Wahl beteiligen und seine Vertreter wählen. Ohne jetzt in dieser schwierigen Situation eine Verunsicherung in die Reihen der Gemeinschaft herbeizuführen.

Die Regierung hat den zweiten Entwurf dem Ministerrat zugewiesen ohne Zustimmung der iGGiÖ. Wie erklären Sie sich diese Eile?

Für mich ist der Zeitpunkt überhaupt nicht passend. Jeder weiß, die Muslime stehen jetzt in der Öffentlichkeit nicht gut da, dank IS. Zu dieser Zeit ein Gesetz für Jahrzehnte zu verabschieden ist nicht ratsam. Man hätte das auf eine bessere Zeit verschieben sollen. Wer es wirklich eilig hat,  das muss man die Beteiligten fragen.

Die Auslandsfinanzierung wird von sehr vielen Dachverbänden abgelehnt. Berechtigt?

Diese Frage wird hochgespielt, obwohl sie eine Randfrage ist. Es geht konkret um 65 Imame, die beim Verein Atib tätig sind und ihre Gehälter vom Präsidium für religiöse Angelegenheiten in der Türkei erhalten. Das ist die Auslandsfinanzierung sonst gibt es keine.  Alle andere Moschen finanzieren sich selbst. Gemäß der Staatsdoktrin der Republik Türkei dürfen sich diese Imame ohnehin nicht politisch äußern. Es ist damit also der Entpolitisierung der Szene kein guter Dienst getan.

Einige Muslime meinen das Islamgesetz sei ein Integrationsgesetzt. Wie sehen Sie das?

Würde man die Muslime ermuntern wollen sich zu integrieren, würde man anders vorgehen. Es ist eher ein Sicherheitsgesetz. Es wird  aber keine zusätzliche Sicherheit bringen. In einer Zeit, in der die Sicherheitsfrage im Vordergrund steht, glaubt man durch diese Bestimmungen mehr Sicherheit zu schaffen. Wir haben bereits Strafgesetze, die Sicherheit garantieren. Verbrechen ist Verbrechen unabhängig von der Religion und soll geahndet werden.

Nach dieser Logik gefährden die Muslime die Sicherheit?

Man glaubt, dass durch Verschärfung der Formulierung eben mehr Sicherheit in die Öffentlichkeit gebracht wird, aber ich glaube nicht, dass es so ist, denn wie gesagt, die die Sicherheit bedrohen scheren sich nicht um das Gesetz oder um die Ausübung der Religion. Für sie ist das alles Humbug.

Das Gesetz bringt Enttäuschung bei manchen auch Resignation, wozu ich nicht ermutige. Man soll nicht resignieren als Staatsbürger. Man soll sein Recht fordern und dafür einstehen. IS-Anhänger diese Menschen scheren sich nicht um die Rechtslage. Wir sind alle Nichtmuslime für sie. Das wird nichts an der Situation ändern. Man soll die Mehrheit der Muslime schützen, die gegen Extremismus sind. Und man soll sie ermutigen und nicht abschrecken. Es gibt sehr viele Angriffe auf Musliminnen und auf den islamischen Friedhof, Brandanschläge, dagegen sollte man etwas machen. Die Muslime müssen beschützt werden.

Fotocredit: Clemens Fabry/ Die Presse

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