Erinnern wir uns? Es war kurz vor Weihnachten letzten Jahres als syrische Regierungstruppen mit Unterstützung der Russen und der Iraner die syrische Stadt Aleppo aus der Hand von Islamisten zurückeroberten. Deutsche Medien berichteten quasi im Minutentakt. Kein Tag verging ohne neue Schreckensmeldungen von getöteten Zivilisten. Tenor der Beiträge: Der brutale Diktator Assad tötet im Verein mit Putin hilflose Menschen und die Welt schaut zu. Die Islamisten in der Stadt waren irgendwie die Guten, Schuld am Tod von Zivilisten traf nur Assad.

Zitat Spiegel Online vom 13. Dezember 2016: "...die syrische Armee ... lässt Bomben regnen, Soldaten ziehen durch die Straßen und töten Zivilisten...Der Fall Ost-Aleppos ist ein Sieg der Brutalität."

Damals hatte er schon begonnen, der Kampf der irakischen Regierungstruppen um die Rückeroberung der irakischen Stadt Mossul aus den Händen der Islamisten. Unterstützt u. a. von den USA. Jetzt ist der Sieg über die Islamisten in Mossul praktisch erreicht. Berichte über die Kämpfe in Mossul waren in deutschen Medien in den letzten Monaten eher spärlich zu finden. Heute stellt Spiegel Online lapidar fest: "Iraks Armee erklärt IS-Kalifat für beendet." "Unterstützt werden die irakischen Verbände am Boden und in der Luft von der US-geführten Anti-IS-Koalition." Und irgendwann folgt die kurze Info, dass die Rückeroberung der Stadt acht Monate gedauert hat und "Tausende Zivilisten wurden seither getötet."

Das kommt im Vergleich zu Aleppo aber irgendwie sehr trocken und unpersönlich rüber. Und damit gleich klar ist, wem die Schuld für die Toten gebührt: "Kämpfer des IS verstecken sich unter der Zivilbevölkerung und missbrauchen Einwohner als menschliche Schutzschilde." Ist das nicht zwangsläufig im Straßenkampf? Aber irgendwie heißt das doch auch, dass die Menschen in Mossul durch den Waffeneinsatz der Iraker und Amerikaner starben, oder?

Ob Aleppo oder Mossul, wenn eine Millionenstadt aus den Händen von bewaffneten Islamisten zurück erobert wird, gibt es viele Tote. Man kann über diesen Sachverhalt eben nur sehr unterschiedlich berichten. So sind am Tod von Zivilisten in Aleppo Assad und Russland schuld. Im Fall von Mossul trifft die Schuld jedoch die IS-Rebellen. Ist das guter Journalismus?

In den letzten beiden Monaten vor der Rückeroberung Aleppos gab es auf Spiegel Online 66 Beiträge, die die Stichworte "Aleppo" und "Zivilisten" enthielten. Das sind jeden Tag mehr als zwei Beiträge. Die Zahl der Beiträge mit den Stichworten "Mossul" und "Zivilisten" bei Spiegel Online in den letzten zwei Monaten lag bei 9. Das ist gut einer pro Woche.

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Leela Bird

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