Der Begriff Hacker ist meiner Beobachtung nach negativ konnotiert. Das sind Leute, die in anderer Leute Computer und Netzwerke einbrechen, um schlimme Dinge zu tun. Dafür gibt es allerdings ein geeigneteres Wort, nämlich Cracker; um die geht es hier nicht.

Was Hacker und deren Selbstverständnis sehr pointiert beschreibt, ist ein Zitat von Wau Holland: „Ein Hacker ist jemand, der versucht einen Weg zu finden, wie man mit einer Kaffeemaschine Toast zubereiten kann.“

Hacken geht also sehr viel weiter als Computer und Software zu manipulieren; Hacken kann sich auf alle Aspekte des Lebens beziehen, wenn es darum geht, Dinge und Situationen anders zu verwenden als es ursprünglich gedacht war.

Orte, an denen sich Menschen treffen, die so etwas betreiben – sei es in technischer, wissenschaftlicher oder künstlerischer Richtung – werden auch als Hackerspace bezeichnet. Sie gibt es weltweit, in Deutschland meist in den größeren Städten wie Berlin und Hamburg und ich glaube, sie gibt es auch an wesentlich mehr Orten, als die Wikipedia aufzulisten vermag.

Ich war auch mal in einem Hackerspace und das war damals, zuhause und der Hacker war mein Vater.

Mein Vater war der leibgewordenen Techniker durch und durch. Wer in den Fünfzigern des letzten Jahrhunderts im Ruhrgebiet aufwuchs, konnte sich mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit als Bergmann (Kumpel) in einer der damals noch zahlreichen Zechen nach dem Schulabschluss wieder finden. Die Familie meines Vaters hatte diesen Plan. Er schaffte es, ihn zu durchkreuzen und begann eine Lehre als Elektriker. Die nach drei Jahren bestandene Gesellenprüfung war dann auch die höchste Bildungsstufe meines Vaters (konventionell gesehen).

Weitere Lehranstalten oder gar eine Universität besuchte er nicht. Am Ende seines Berufslebens arbeitete er in einem Unternehmen in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung als DER Elektroniker; er hat da ziemlich krasse Sachen entwickelt und dabei auch so einige Diplomanden auf ihren Weg gebracht.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass bei uns zuhause mal Handwerker gewesen waren. Das wäre allerdings auch schwierig gewesen, da wir die meiste Zeit unseres Familienzusammenseins ökonomisch nicht so gut aufgestellt waren. Wenn es etwas zu erledigen gab, musste das halt selbst gemacht werden.

Als mein Vater mal arbeitslos war, nutzte er die Zeit, in das von uns gemietet Haus eine elektronisch-analoge Heizungssteuerung zu entwerfen und zu bauen mit der Wirkung, dass der Energieverbrauch um ein Viertel sank. Ich bin noch heute der Ansicht, dass es der Mühe wert gewesen wäre, das zu vermarkten, nur mein Vater war absolut kein Geschäftsmann und ich noch zu jung um das zu erkennen, geschweige denn, bei der Umsetzung helfen zu können.

Im Laufe der Zeit richtete er sich ein Elektronik-Labor ein. Die am Ende vorhandenen Messgeräte hätten einen Fünfstelligen Betrag gekostet (damals noch in DM), wären sie gekauft worden. Wurden sie jedoch nicht, sondern sie wurden alle selber zusammen gelötet. Das Wissen dazu las sich mein Vater an. Eine typische Situation war, dass wir abends alle im Wohnzimmer saßen und Fernsehen schauten, während mein Vater auf dem Sofa seine Sammlung an Elektronikzeitschriften durchblätterte; immer und immer wieder.

Auch ich fing an, mich für Elektronik zu interessieren. Das hätte was werden können, bei so einem Meister wie meinem Vater. Ich konnte ihn alles fragen und bekam auch immer gute Antworten, jedoch gab es nie die Situation, dass mein Vater mal zu mir sagte: „Komm, ich zeig dir mal was …“. Heute denke ich, das lag daran, dass er ein so begnadeter Autodidakt war. Er dachte wahrscheinlich so, dass das, was er sich beigebracht hatte andere genauso lernen können und ich war nicht so aufgestellt, um an ihn und andere Forderungen zu stellen, also etwas einzufordern.

Hingegen hatte mein Vater absolut kein Problem damit, dass ich sein Elektronik-Labor nutzte. Ich durfte die vorhandenen Bauteile für meine eigenen Schaltungen verwenden und es gab niemals Schelte, wenn ich auch mal einen teureren Transistor beim Löten verschmorte.

Das Interesse an der Elektronik verminderte sich bei mir als ich meinen ersten „Computer“ hatte: den ZX 81 von Sinclair. In der Bedienung / Programmierung dieses Gerätes ging ich richtig auf und es war etwas von dem ich das erste Mal mehr verstand als mein Vater. Tja, irgendwann hatte ich mal einen richtigen PC und für den ZX 81 keine Verwendung mehr. Mein Vater hat sich um ihn gekümmert und eine seiner ersten Aktionen war, ihm mehr Speicher zu verschaffen. Er lötete entsprechende Bauteile in den ZX 81 und es funktionierte – touché!

Das PC-Zeitalter meines Vaters begann nicht damit, dass er sich einen entsprechenden Computer gekauft hätte, obgleich das zu der Zeit finanziell möglich gewesen wäre. Er nahm sich die Zeit und sammelte alles einzeln zusammen. Vom Flohmarkt, von Kollegen, die irgendetwas nicht mehr brauchten … Der zusammengebaute PC funktionierte und jetzt war ich dran, meinen Vater bei der Einrichtung und beim Betrieb unterstützen zu können; ich fühlte mich dabei gut und hatte keineswegs ein überhebliches Gefühl. Wir hatten viel Spaß zusammen.

Nähe und Geborgenheit zu vermitteln war meinem Vater nicht gegeben. Er war immer fair, gerecht, gedanklich präzise und leise.

Lieber Papa: Ich denke gerne an dich.

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Hansjuergen Gaugl

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fischundfleisch

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