ich lese gerne Ihre Meinungen, die in Ihrer Zeitung abgedruckt werden, da ich daraus die Meinung Ihrer Zeitung klar erkenne. Am 24.02.2018 geht es um Meinungsfreiheit unter dem seltsamen Titel „Meinungsfeiglinge“.

Sie erwähnen Deniz Yücel, der in seiner taz-Kolumne vom 4. August 2011 „wegen des satirischen (!) Textes“ massiv kritisiert wird. Darin heißt es:

„Der baldige Abgang der Deutschen aber ist Völkersterben von seiner schönsten Seite. Eine Nation, deren größter Beitrag zur Zivilisationsgeschichte der Menschheit darin besteht, dem absolut Bösen Namen und Gesicht verliehen und ... den Krieg zum Sachwalter und Vollstrecker der Menschlichkeit gemacht zu haben; eine Nation, die seit jeher mit grenzenlosem Selbstmitleid, penetranter Besserwisserei und ewiger schlechter Laune auffällt; eine Nation, die Dutzende Ausdrücke für das Wort ‚meckern‘ kennt, für alles Erotische sich aber anderer Leute Wörter borgen muss, weil die eigene Sprache nur verklemmtes, grobes oder klinisches Vokabular zu bieten hat, diese freudlose Nation also kann gerne dahinscheiden.“

Immerhin empfinden Sie diese Zeilen als ziemlich unverschämt.

Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass in einer freiheitlichen Demokratie wie die Deutschlands solche Zeilen geschrieben werden dürfen, ohne dass der Journalist – wie in der Türkei – ein ganzes Jahr lang ohne Prozess und Grund eingesperrt wird. In Einem bin ich nicht Ihrer Meinung: Yücels Text ist keineswegs satirisch, sondern ernst gemeint. Für Sie erscheint es nicht vorstellbar, dass ein Mensch, der freiwillig und gut in Deutschland lebt, das Land hasst. Es ist auch nicht leicht zu verstehen und ich werde es Ihnen auch nicht erklären. Nur ein Beispiel: Einige entfernte Verwandte konnten sich 1933 nicht vorstellen, dass sie auf Grund ihrer Religion in Deutschland verfolgt und umgebracht werden würden. Trotzdem ist es geschehen. Es gibt Dinge, die zutreffen, auch wenn man sie nicht versteht.

Finden Sie sich bitte damit ab, dass nicht alles, was Ihnen unverständlich erscheint, eine Satire ist.

Des weiteren schreiben Sie:

„Zeitungen sind keine Konsensmaschinen. Wenn sie es wären, müsste man fragen: Warum braucht man dann überhaupt noch freie Journalisten?“

Hier gebe ich Ihnen vollkommen recht. Die wenigen bürgerlichen Zeitungen, die ich lese, unterscheiden sich wenig im politischen Grundtenor.

Mit freundlichen Grüßen,

ein treuer Leser

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