Regionalzeitungen können sich keine teuren Meinungsmacher leisten. Ausgebildete Philosophen sind im Gegensatz zu politischen Schwätzern teuer, zumindest zunächst. Denn mit der Zeit werden Dummschwätzer sehr, sehr teuer. Selbst für unbedeutende Regionalzeitungen.

„Nationalität spielt keine Rolle“ lautet die Meinungsüberschrift. Und schon ahnen wir, dass damit die eritreische Nationalität gemeint ist. Seltsam. Wenn Deutschland eine Weltmeisterschaft gewinnt, dann spielt die Nationalität plötzlich eine bedeutende Rolle. Und wenn ein aus Afrika oder Asien Zugewanderter in der Kreisliga hervorragend mitspielt, dann spielt auch hier die einstige Nationalität eine bedeutende Rolle wegen Integration und so. Nur bei einem mutmaßlichen Mord darf die Nationalität keine Rolle spielen. Da lobe ich mir die selbstbewussten stolzen Türken, die offen zugeben, Dank des Doppelpasses einen Politiker zu wählen, der in Deutschland als Nazi gehandelt wird.

Der billige Meinungsmacher kulminiert bei unserer allseits beliebten Kanzlerin, die sich trotz des „Vorfalls“ am Gleis 7 sich mit Ehemann lautlos vom Acker gemacht hat. Er schreibt:

Es werden Rufe laut, die Kanzlerin sei wegen ihrer flüchtlingsfreundlichen Haltung für den Kindstod mitverantwortlich und soll deshalb zur Rechenschaft mitgezogen werden, was ja geradezu widerlich ist. Zur Rechenschaft gezogen werden muss nämlich nur einer: der Täter.

Nun glaubt kein vernünftiger Mensch, dass der mutmaßliche Täter zur Verantwortung gezogen wird, denn er soll ja psychisch nicht belastbar sein. Doch neben einer persönlichen Schuld gibt es in diesem Fall zudem eine politische Schuld, da der mutmaßliche Täter ja nicht vom Himmel gefallen ist, sondern aus der Schweiz. Vor über 15 Jahren nimmt die Zahl der Flüchtlinge aus Eritrea in der Schweiz plötzlich und erwartungsgemäß stark zu: Im Jahre 2006 wird in der Schweiz die unerlaubte Entfernung vom Militärdienst (desertieren) als Asylgrund anerkannt! Da ist es nachvollziehbar, dass in den Schweizer Zügen bis heute ausreisende Zuwanderer nicht kontrolliert werden.

Der billige Meinungsmacher scheint am Ende seines Lateins zu sein, denn er wiederholt sich.

„Wie kann ein Mensch so etwas tun? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass die Frage der Nationalität keine Rolle spielt. Sie ist für die Tat irrelevant.“

Nun ist das Schubsen auf Bahngleise mit und ohne Todesfolge ein seltenes Ereignis, weshalb es statistisch leicht ausgewertet werden kann. Dem Zeitungsjournalisten wird es nicht allzu schwer fallen, die wenigen Daten zu erahlten. Erst nach der einfachen Auswertung darf er im Brustton der Überzeugung schreiben, dass die Nationalität keine Rolle oder doch eine Rolle spielt. Noch wissen wir es nicht.

Wir gelangen zum Schluss des Textes, wo der gebildete Meinungsmacher feststellt, dass der Eritreer ein Mensch ist (stimmt!). Unmenschlich sei seine Tat: Kann die Tat eines Menschen unmenschlich sein? Dafür muss der Mensch (Unmensch?) zur Rechenschaft gezogen werden, und zwar mit der ganzen Härte des Gesetzbuches. Das darf die Gesellschaft erwarten.

Und wenn wir nicht gestorben sind, dann lesen wir noch immer das Provinzblatt und glauben daran ...

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