Österreich wählt vor lauter Asylangst einen Deutschen

Nur Wirtschaftsprognosen sind trügerischer als Wahlprognosen. Aber noch überflüssiger erscheinen Wahlanalysen. Das Konglomerat aus individuellen Meinungen und kollektiven Stimmungen zu verstehen, ist, als ob man herausfinden wollte, warum ein Rudel Wölfe im nächtlichen Wald zu heulen begann. Man kann sich einiges denken, aber weiß doch nichts genaues. Das Ergebnis kurz nach den ersten Hochrechnungen verstehen zu wollen, macht die Analyse nicht besser. Leider wird sich die Masse später nicht mehr dafür interessieren. Also muss man sich mit Interpretationen beeilen, für das Publikum, für die Quote.

Das Rudel heult "Grenzen schließen!"

Alles was man wirklich weiß, ist: Das Rudel heult "Hofer". Davon kann man schon einiges ableiten. Im Wahlkampf des deutschnationalen FPÖlers ging es fast ausschließlich darum, die Flüchtlingspolitik der Regierung abzulehnen, obwohl sich diese innerhalb eines Jahres um, sagen wir, um 145 Grad gedreht hat. Aber mit Logik kommen wir hier nicht weit. Hofer hätte die Regierung im letzten Jahr entlassen, wenn sie nicht das getan hätte, was sie mittlerweile - quasi im vorauseilenden und vorausahnenden Gehorsam - getan hat. Grenzen schließen. Strenge in der Flüchtlingspolitik. Anti-Asylpolitik. Das waren seine Botschaften, die kamen an.

Mitgefühl für den Teufel

Zufällig vergewaltigten 3 afghanische Asylwerber kurz vor der Wahl eine junge Frau (bei der die Medien es besonders wichtig finden zu betonen, dass sie Stundentin ist, als würde es einen Unterschied machen, wenn sie Putzfrau wäre). Das passt ins mediale Bild: Dieses schwankt zwischen Mitleid mit Flüchtlingskindern, die nicht bei uns sind, und Angst vor Flüchtlingshalbstarken, die bei uns sind.

Ja, ich kann Blauwähler_innen verstehen. Würde ich diesen medialen Eindrücken folgen, hätte ich auch bald das Gefühl, wir bräuchten mehr Kontrolle und Sicherheit im Asylwesen. Dann wäre ich auch wütend. Generell, weil in Köln damals ein unübersichtliches Wirrwarr an Asylwerbern involviert war. Oder selektiv, weil nur diese Talibanländler immer wieder Probleme machen. Emotional verstehe ich also die Hofer-Wahl (wenn ich mich anstrenge).

Der im Detail liegt

Aber ansonsten? Mehr Kontrolle und Sicherheit wäre auch im Interesse der Asylwerber_innen, wenn es fair zuginge. Das schließt keine humane Asylpolitik aus. Da würde mir auch freundliche Norbert Hofer Recht geben - offiziell. In der Praxis vertritt er allerdings Partei und Wählerschaft, die Asyl grundsätzlich ablehnt, es nur toleriert, weil internationales Recht uns dazu zwingt. Sehnsuchtsvolle Blicke nach Ungarn. Diese internationalen Verträge sah Hofer auch durch die Regierung in der "Flüchtlingskrise" verletzt. Richtig. Verletzt wurden sie allerdings, weil sie sich der Situation gegenüber als unbrauchbar erwiesen. Blinde Gesetzes- und Vertragstreue, die nicht hinterfragt werden darf oder kann? Das ist zu hinterfragen.

Ein deutscher Präsident...

Norbert Hofer ist seiner Partei und Wählerschaft zur Treue verpflichtet. Er würde "ihr" Präsident sein, betonte er immer wieder. Er will anscheinend nicht Präsident aller Österreicher_innen werden? Ideologisch ist Hofer sowieso kein Österreicher. Seine Burschenschaft erkennt uns nicht als eigentständige "Nation" an und wir wissen, wie wichtig den Burschis die Nationalität ist. Wenn er also nur der Präsident seiner Partei und Wählerschaft sein will, wie er selbst behauptet, ist er ein gedachter deutscher Präsident für ein deutsch gedachtes Volk - das ihn deshalb zumindest nicht nicht wählte.

...für ein ungarisches Österreich

Wollen 36,4 % der demokratisch relevanten (wählenden) Bevölkerung der deutschen Nation angehören? Warum nicht? Ich bin kein Nationalist. Von mir aus nennen wir uns von nun an Deutschland 2, Süd-Südbayern oder Ostmark. Unsere Grenzen vor berechtigten Asylwerber_innen können wir trotzdem nicht schließen, ohne jenes internationale Recht zu verletzten, das dem Hofer so, so wichtig wäre. Außerdem hat er als Bundespräsident dazu nicht viel zu melden, solange nicht sein Chef selbiger der Regierung würde. Wir sind also völlig sicher. Um die Grenzen komplett zu schließen, sämtliche von den "Kulturdeutschen" unerwünschte Ausländerinnen zu deportieren und ganz Österreich deutsch zu machen, müsste man schon eine Diktatur errichten. Keine Sorge: Die Beziehungen der FPÖ zur Putindiktatur dienen nur dem diplomatischen Interesse "ihres" Österreichs.

5
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Grubo84

Grubo84 bewertete diesen Eintrag 30.04.2016 01:06:32

bernhard.buchariensis

bernhard.buchariensis bewertete diesen Eintrag 25.04.2016 19:02:25

julbing

julbing bewertete diesen Eintrag 25.04.2016 17:46:14

Eveline I.

Eveline I. bewertete diesen Eintrag 25.04.2016 13:44:25

Spinnchen

Spinnchen bewertete diesen Eintrag 25.04.2016 13:11:46

22 Kommentare

Mehr von Antonik Seidler