Gibt es eine globalisierte, kollektive Stimmung in der Welt? Wenn ja, ist sie eher pessimistisch? Führt sie zu selbsterfüllenden Prophezeiungen? Verstärkt Hoffnungslosigkeit das Schlechte, Hoffnung das Gute in der Welt? Fragen für den virtuellen Raum.

Ein beinahe selbstkritisches Beispiel

Die Panama Papers wurden nach Veröffentlichung sofort in Zweifel gezogen. Das ist gut. Es entlarvt das parteibeschränkte Denken gewisser Kritiker_innen gegenüber dem investigativen Journalismus (wenn er endlich einmal stattfindet).

Meine größte Enttäuschung: Die "Linke" Sahra Wagenknecht. Ihre undurchdachten Äußerungen - die Panama Papers seien "manipulative Meinungsmache westlicher Mainstreammedien" - entlarven die Absicht hinter ihrem populistischen Antiamerikanismus. Diese Absicht teilt sie sich augerechnet mit FPÖ-Funktionären und anderen Rechtspopulisten: Die schleimige Verteidigung des Putin-Regimes, mit dem man sich eine Freunderl-Zusammenarbeit wünscht (die zwangsläufig eine antidemokratische sein muss).

Das erhärtet den Verdacht, dass "Die Linke"-Partei zwar den Ausverkauf der europäischen Sozialdemokratie für sich nützen kann, aber doch nur eine Scheinalternative für deutsche und demokratische Sozialist_innen darstellt. Diesem Anschein zu verfallen ist jedoch naheliegend. Wenn das Schiff (Sozialdemokratie) sinkt, flüchtet man aufs nächstbeste Rettungsboot, ohne lange zu überlegen (weshalb die Sozis versuchen müssten, das Schiff von der Basis her zu flicken bzw. endlich zu meutern).

Wahrheit ist stimmungsunabhängig oder umgekehrt

Das heißt, der politische und moralische Niedergang des Sozi-Oberdecks führt zu massivem Pessimismus unter seinen Wähler_innen, dieser zu unüberlegten Reflexhandlungen. Zugleich weckt Die Linke bei manchen den Optimismus, dass sie es besser machen, eine Erneuerung des demokratischen Sozialismus darstellen würde. Richtiger Pessimismus und falscher Optimismus haben hier den selben Effekt.

Ob beides jeweils richtig oder falsch ist, zeigt erst die Überprüfung jeweiliger Erwartungen. Bis man prüfen kann, entfalten diese Stimmungen allerdings schon ihre Wirkungen. Wenn Verschwörungstheorien über die Investigation der Panama Papers verbreitet werden - was online recht schnell geht - verbreitet das vor allem Pessimismus. Wenn man nicht einmal dem ICIJ und den kooperierenden Medien trauen könne, wem dann? Würden dann nicht alle westlichen Medien lügen? Wäre die Demokratie nicht eine Lüge? Solle man dann nicht vielleicht doch einer Diktatur wie der russischen vertrauen, wenigstens den Staat sicher zu regieren, wenn auch tyrannisch? Was hätte man zu verlieren, außer der Freiheit, die sowieso niemand mehr empfinden würde?

Optimierter Pessimismus

Anstatt die Enthüllungen in den Panama Papers mit Optimismus aufzufassen - selbst die Reichsten und Mächtigsten können sich nicht dauerhaft verstecken - versucht man offenbar eine düstere Weltsicht aufrecht zu erhalten. Das könnte Methode haben:

Grüne Energie? - "Bringt eh nix, wird nie genug Strom produzieren, ohne dreckige Beihilfe, also lassen wir's gleich bleiben." Klimaschutz? - "Was? Und die ganzen Jobs in der Schwerindustrie riskieren? Die sowieo in China steht?" - Globale Bekämpfung von Steuerhinterziehung? - "Wir würden ja gerne, aber die anderen wollen sicher niemals." - Gerechte und transparente Finanzwirtschaft? - "Geht nicht, die Großbanken sind systemrelevant. Was soll man machen?" Hilfe für Flüchtlingen? - "Das Boot ist voll! Das muss ich nicht beweisen, weil alle gehen sowieso vom Schlimmsten aus. Deshalb heule ich mit den ängstlichen Wölfen, dann hab ich auch ohne Beweis immer Recht."

Stellt sich die Frage, ob die Welt also mehr Optimismus bräuchte. Ob dieser begründet sein muss? Oder ob ein Zweck-Optimismus immer hilfreich sein kann?

PhilipMedhurst/CC

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 18.04.2016 23:39:24

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