In Mario we trust (too much?)

Es kam wie es kommen musste: Nachdem im Vorfeld der EZB-Sitzung die Erwartungen (und dementsprechend die Börsenkurse) hochgeschraubt wurden, gab es den obligatorischen Rücksetzer, ganz nach dem Motto „Buy the rumor, sell the news“. Dazu kam dann noch eine überraschende Gewinnwarnung eines deutschen Industrieschwergewichts und schon sind die schönen Zugewinne der letzten Woche wieder dahin: Der DAX gab im Wochenvergleich um 4,7 % nach, der heimische ATX konnte sich mit -0,6 % vergleichsweise gut halten.Dabei machte die EZB unter Präsident Mario Draghi eigentlich genau das, was man von ihr erwartet hatte: Der Einlagenzinssatz für Banken, die ihr Geld bei den Notenbanken parken wollen, wurde um 0,1 % auf -0,3 % gesenkt, das Anleihenkaufprogramm (auch genannt Quantitative Easing oder kurz QE) soll ausgeweitet werden, sowohl zeitlich als auch in der Art und Weise. Letzteres entbehrt aus österreichischer Sicht einer gewissen Ironie: Die Notenbanken dürfen jetzt nämlich auch Anleihen von lokalen und regionalen Gebietskörperschaften kaufen, möglicherweise auch von einem gewissen Bundesland im Süden Österreichs, das in den nächsten Monaten und Jahren wohl einen etwas höheren Refinanzierungsbedarf haben dürfte…Am selben Tag bestätigte auch die Chefin der US-Notenbank bei ihrer Ansprache vor dem Kongress ihre Absicht, die Zinsen noch im Dezember zu erhöhen. Eigentlich auch keine sonderlich neue Nachricht, jedoch hatten einige Marktteilnehmer nach doch recht enttäuschenden Wirtschaftsdaten aus den USA darauf gehofft, dass die Fed ihre Entscheidung nochmals überdenkt. Die tragische Schießerei in Kalifornien, bei der natürlich zuallererst über ein terroristisches Motiv spekuliert wurde, dürfte dann auch das ihre zu dem leichten Anflug von Panik beigetragen haben, der diesen Donnerstag spürbar war.Die Vorzeichen waren aber bereits zu Beginn der Woche deutlich trüber als in den Vorwochen: Die deutsche Linde, einer der größten Gasproduzenten der Welt, schockierte die Anleger mit einer Reduktion ihrer langfristigen Ziele. Die eigentlichen Kürzungen waren nicht wirklich dramatisch. Sie deuten jedoch darauf hin, dass eine der Firmen mit dem besten Einblick in sehr viele verschiedene Bereiche, von Krankenhäusern (Sauerstoff) über Getränke (CO2 bzw. Kohlensäure) bis hin zu Computerchips (Edelgase für eine sterile Produktion), davon ausgeht, dass die Weltwirtschaft in den nächsten 2 Jahren kaum wachsen dürfte. Die Aktie gab daraufhin um über 14 % innerhalb eines Tages nach, für die gesamte Woche steht damit ein Minus von knapp 19 % zu Buche.

Besser lief es in Deutschland für den in Schieflage geratenen Energiekonzern RWE. Die Firma gab Pläne für eine Aufspaltung des Geschäfts bekannt: Der „stabile Bereich“ (Stromnetz, erneuerbare Energien) soll in eine eigene Gesellschaft eingegliedert und diese dann schrittweise an die Börse gebracht werden, der „Rest“ (Braunkohlebergwerke, Stromerzeugung aus Kohle, Atomkraftwerke) verbleibt in der Gesellschaft. Die Reaktion darauf, sowohl von Investoren als auch von Analystenseite, darf durchaus als euphorisch bezeichnet werden. Das große Schreckgespenst der Pleite eines der größten deutschen Arbeitgeber dürfte damit wohl endgültig vom Tisch sein (auch wenn dieses Risiko bereits im Vorfeld schon verschwindend gering war).Für Schlagzeilen sorgten auch zwei heimische Unternehmen: Sowohl bei der Vienna Insurance Group als auch beim Faserhersteller Lenzing gab es diese Woche Managementwechsel. Bei der VIG dürften laut Medienberichten Differenzen mit dem Aufsichtsrat und langjährigen CEO den Ausschlag dafür gegeben haben, dass der derzeitige Vorstandsvorsitzende Peter Hagen seinen Sessel räumen musste. Seine Nachfolge dürfte die aktuelle Chefin der Donauversicherung, Elisabeth Stadler, antreten, der wir an dieser Stelle herzlich dazu gratulieren, die langjährige Männerriege an der Spitze der ATX-Konzerne (Männeranteil: 100%!) aufzubrechen.Das Geschlecht dürfte laut Medienspekulationen auch eine Rolle spielen bei der zweiten Personalie, denn der noch-CFO der Lenzing soll der Wunschkandidat der OMV für die Position des angezählten CFOs David Davies sein. Das soll aber Unbehagen beim Großaktionär ÖBIB (der Nachfolgerin der ÖIAG) ausgelöst haben, die sich eher eine Frau in dieser Position wünscht. Den Aktionären kann diese Diskussion jedoch wahrscheinlich ziemlich egal sein. Wichtig wäre, dass die bestqualifizierteste Person für die Zahlen dieses heimischen Großunternehmens verantwortlich ist, denn die Herausforderungen für die OMV werden in den nächsten Monaten sicher nicht weniger…Mit Schuld daran trägt auf jeden Fall auch die OPEC, eines der letzten großen modernen Kartelle (wenig überraschend auch mit hoher Männerquote…). Mit Spannung wird erwartet, wie die allmächtige Organisation auf die zunehmenden inneren Interessenskonflikte reagiert: Die finanzschwächeren Mitglieder wie Venezuela wollen die Förderquoten reduzieren um den Preis in die Höhe zu treiben (in guter alter Kartellmanier), während die mit besseren Finanzpolstern ausgestatteten Länder, allen voran das wichtige Saudi Arabien, sogar über eine weitere Förderquotenerhöhung spekulieren, um den Ölpreis weiter niedrig zu halten und den verhassten US-Produzenten (und möglicherweise auch dem nicht ganz freundlich gesinnten Russland) weiter zuzusetzen. Der Ausgang dieses Tauziehens dürften wohl große Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Rohstoffes und damit auch die der Ölaktien haben. Als wahrscheinlichste Variante gilt dabei der „österreichische Kompromiss“ (immerhin verhandelt man ja in Wien): einfach nix tun. Aber die OPEC ist bekannt für Überraschungen!Auch die nächste Woche könnte im Zeichen der Makrodaten stehen, es stehen kaum Unternehmensberichte an. Das heißt aber nicht, dass es nicht einige überraschende Meldungen geben kann, siehe die aktuelle Woche. Durch das generell gegen Jahresende niedrigere Volumen kommt es bei Überraschungen oftmals zu stärkeren Schwankungen. Eine interessante Spielwiese für langfristig orientierte Anleger, die diese Kursausschläge zu ihrem Vorteil nutzen können.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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