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Ich möchte mich kurz vorstellen: Ich bin ein Nichts, ein Niemand, weder besonders schön, noch besonders jung, hübsch, intelligent, erfolgreich noch sonst irgendwas.

Es ist für mich als alleinerziehende Mutter, aufgewachsen in einem bildungsfernen Alkoholiker- Haushalt , schwierig, meine daraus resultierenden Minderwertigkeitskomplexe in den Griff zu bekommen und mir hier Luft zu machen.

Ein " Vorteil" dieser Sozialisation, würde ich behaupten ist, dass ich bis heute mein Sandkasten-Gerechtigkeitsempfinden erhalten habe. In der heutigen Zeit sagt man wohl eher , ich habe eine Tendenz zum Wutbürgertum.

Wie formuliert man so schön, wenn man Personaler langweilen möchte?

" Ich bin auf der Suche nach einer neuen Herausforderung."

Dekodiert bedeutet das in meiner Situation: Ich brauche einen Job, in dem ich ausreichend Kohle verdiene um meine Familie über die Runden bringen zu können.

Aus diesem Grund, wurde mir nahegelegt, mein Glück mal beim Paritätischen Wohlfahrtsverband zu versuchen. Die würden dringend neue Leute suchen. Vorwiegend im hauswirtschaftlichen Bereich und die Kohle wäre auch nicht schlecht.

Why not!? Vorab das Internet gecheckt. Hört sich gut an, wird gemacht. Mutti braucht das Geld- und was bitte soll verkehrt daran sein, Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen.

Da hätte ich also direkt mein Helfersyndrom mit befriedigt. Gut so.

Dann hatte ich ein aufschlussreiches Aha-Erlebnis...

Der Paritätische ist einer der sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in der BRD. Er ist Dachverband von über 10.000 eigenständigen Organisationen, Einrichtungen und Gruppierungen im Sozial- und Gesundheitsbereich. Mit seinen 15 Landesverbänden und mehr als 280 Kreisgeschäftsstellen unterstützt der Paritätische die Arbeit seiner Mitglieder.

Er repräsentiert und fördert seine Mitgliedsorganisationen in ihrer fachlichen Zielsetzung und ihren rechtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Belangen. Durch verbandseigene Institutionen trägt er bei zur Erhaltung, Zusammenarbeit und Neugründung von Organisationen und Einrichtungen der Sozialarbeit.

Der Paritätische ist ein Verband sozialer Bewegungen. Ebenso wie seine Mitgliedsorganisationen fühlt er sich der Idee sozialer Gerechtigkeit verpflichtet: Der Chancengleichheit, dem Recht eines jeden Menschen, ein Leben ins Würde zu führen und seine Persönlichkeit frei zu entfalten.

In diesem Sinne ist es mehr als logisch, dass der Paritätische auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam macht und diese im aktuellen Armutsbericht unter dem Titel " Menschenwürde ist Menschenrecht" deutlich aufzeigt (sl-ev.de/attachments/article/1726/armutsbericht-2017_aktuell.pdf)

Laut des Berichts sind in Deutschland- trotz prosperierender Wirtschaft- 12,9 Millionen Menschen in Deutschland unmittelbar von Armut betroffen. Eine enorme Zahl, die zu Recht alarmiert und aufzeigt, dass eine Kursänderung unausweichlich erscheint.

Der Paritätische legt den Finger in die Wunde und sagt in diesem Bericht unter anderem starke Sätze wie:

"Es sind die Privilegierten, die zu rechtfertigen haben, wenn sie 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche in Hartz 4 belassen und damit deren Bildungs-und Entwicklungschancen massiv beschädigen."

In einem der reichsten Länder auf dieser Erde, kann und darf es nicht sein, dass Bildungsmobilität immer noch überwiegend eine Frage von Herkunft und finanziellen Verhältnissen ist.

Ein Ruck geht durchs Land und das Bündnis "Reichtum umverteilen- ein gerechtes Land für alle" entsteht. Mitinitiator, neben z.B. Oxfam, die Tafeln, an dieser Stelle der Paritätische Gesamtverband( https://www.reichtum-umverteilen.de/aufruf/) mit freundlicher Unterstützung der Linken, Grünen, Jusos und noch vielen mehr.

Warum all diese Informationen?

Nun, weil, so banal wie das ist, nicht überall wo das Prädikat" Gut" drauf steht, auch Gutes drin sein muss. Es mutet fast ein wenig ironisch an, wenn man weiß, dass der Paritätische einen Großteil seiner Angestellten (z.B. im Hauswirtschaftlichen Bereich) im Niedriglohnsektor beschäftigt.

Der Mindestlohn führt nicht aus der Armut heraus und reicht nicht zu Leben aus.

Für ein halbwegs würdevolles Leben- und ein spätere Rente oberhalb der Grundsicherung wären ein Stundelohn von 11,68€ und 45 Jahre Vollbeschäftigung notwendig.

Es ist davon auszugehen, dass dieses auch dem Paritätischen Wohlfahrtsverband bekannt ist.

Auf Nachfrage, wie sich denn dieses Gehalt mit dem sozialen Vordergrund des Vereins vereinbaren ließe, bekam ich eine zauberhafte, etwas entrückte Antwort, die wie folgt lautete:

" Bei uns wird Wertschätzung nicht durch Geldwerte ausgedrückt, sondern in Form von Anerkennung"

Schön, nicht? Natürlich total an der Realität vorbei, ein bisschen Wolkenkuckucksheim, aber immerhin schöne salbungsvolle Worte.

Es sind eben am Ende doch die Privilegierten, die großen Ideen in die Welt hinausposaunen, um dann an den kleinen Dingen zu scheitern.

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