Was „reich sein“ in Österreich bedeutet

Über Armut wird viel geredet, über Reichtum auch. Während es für Armut aber verschiedene Definitionen gibt, fehlt dies beim Reichtum. Eine Spurensuche.

Armut heißt in der Europäischen Union, dass man nur 60 Prozent des Medianverdienstes der Gesellschaft zur Verfügung hat. Den Themenkomplex Armut habe ich in den Texten „Wir dürfen Armut einfach nicht akzeptieren1“ und „Wie hoch ist Ihr Mindestpreis?2“ schon beschrieben. Nun zur anderen Seite. Was bedeutet „reich sein“ in Österreich?

Gemäß einer Studie der Arbeiterkammer und der Johannes-Kepler-Universität3 besitzen 53,72 Prozent der Österreicher*innen weniger als 100.000 Euro in Finanz- und Sachwerten, wobei 39,05 Prozent weniger als 50.000 Euro besitzen. In other words: Die reichsten 20 Prozent der Menschen in Österreich besitzen 81,3 Prozent des Vermögens, dabei besitzt das reichste Prozent 37 Prozent, die ärmeren 50 Prozent 2,2 Prozent des Vermögens.

Die Daten Österreichs ergeben sich aus 2.380 Befragungen. Der „Household Finance and Consumption Survey“, wie die Studie heißt, versucht durch Befragungen den Reichtum zu erheben. Der HFCS sammelt Sach- und Finanzvermögen sowie Verbindlichkeiten und Ausgaben privater Haushalte zusammen. Auf Basis dieser Daten wurde die Homepage www.binichreich.at eröffnet. Nun kann man zu rechnen beginnen. In der absoluten Besitzmitte liegt man gemäß dieser Daten, wenn man als Einzelperson etwa ein Finanzvermögen von 40.000 Euro hat, ein Sachvermögen von 8.000 Euro und keine Schulden. Klingt nach viel Geld, aber mit einem Bausparer und etwas Geld auf der Seite sowie einem Auto kommt man da schon hin.

Diese Berechnungen haben aber allesamt diverse Probleme, da sie im Gegensatz zu Armutsberechnungen viele Unwegbarkeiten mit einberechnen. So würde sich ein Zweipersonenhaushalt, der ein Haus geerbt hat, welches um 100.000 Euro verkauft werden könnte, ein Auto im Wert von 5.000 Euro besitzt, 2000 Euro am Konto hat, sowie einen 10.000 Euro-Kredit für die Renovierung des Hauses hat, ebenfalls absoluten Mitte der Reichtumsverteilung befinden. Auch wenn beide pro Monat alles ausgeben, was sie verdienen. Also eher alles etwas verzwickt.

Die Frage, wer oder was reich ist, fällt also nicht leicht. Es ist zumeist eine hoch politische Angelegenheit, hier zu definieren. Eine mögliche Annäherung wäre, alles oberhalb des Mittelstandes als „reich“ anzusehen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO sagt, dass wer 70 bis 150 Prozent des Mediannettoeinkommens verdient, zum Mittelstand zählt4. Die 150 Prozent sind umgerechnet rund 4.000 Euro brutto monatlich. Allerdings gibt es auch Strömungen, die den Median verdoppeln wollen. Das wären dann knapp 5.600 Euro monatlich. Mehr verdienen nur noch fünf bis sechs Prozent der Österreicher*innen. Und wie war das noch mit geerbtem Geld? Zu viele Zahlen so weit...

Zudem gibt es unzählige Möglichkeiten, das eigene Leben teuer zu gestalten oder sein Geld sonst wie durchzubringen. Auch wenn ich ansonsten kein Mensch bin, der gerne Esoterisches vorgibt, bleibt mir dann am Ende doch nur der Schluss:

Wer nichts muss, aber alles kann, was sie oder er will, ist reich.

Und das hängt dann Gott sei Dank doch nicht vom Kontostand ab.

1https://www.fischundfleisch.com/blogs/politik/wir-duerfen-armut-einfach-nicht-akzetieren.html

2https://www.fischundfleisch.com/blogs/politik/wie-hoch-ist-ihr-mindestpreis.html

3http://media.arbeiterkammer.at/PDF/Vermoegen_in_Oesterreich.pdf

4http://orf.at/stories/2194452/2194454/

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