Ich begleite meine Freundin Maria aufs Finanzamt. Sie hat ein paar Dinge dort zu erledigen und tritt diesen Weg schon mit etwas Nervosität an. Vor dem Eingang schickt sie einen flehentlichen Blick gen Himmel und sagt "Gott hilf mir!".

Also rein ins Amt! Zwei sehr positive Dinge fallen mir gleich auf:

Erstens, es ist eingeheizt. Das ist nicht selbstverständlich. Aber das Finanzamt ist in Kalamata und da wird beim Heizen generell nicht so gespart wie auf dem Land. Und auch wenn alle Steuern direttissima an die Deutschen geschickt werden (die böse Frau Merkel), dürfte doch noch etwas für die Heizung übrig geblieben sein.

Zweiter positiver Punkt: es gibt keine langen Schlangen und die Wartezeiten sind sehr human. Aber wer geht hier auch schon freiwillig aufs Finanzamt?

Der richtige Schalter ist rasch gefunden, aber der Finanzbeamte schaut sehr streng. Noch ein kurzes Stoßgebet, vielleicht hilft's. Er verlangt die notwendigen Dokumente, um dann ein sehr wichtiges Papier ausstellen zu können - die Bescheinigung, dass man dem Finanzamt nichts schuldig ist und dass alle Steuern bezahlt sind.

Ohne dieses Papier ist man bei vielen Unternehmungen kaum handlungsfähig, zum Beispiel beim Verkauf eines Hauses oder der Gründung einer Firma.

Maria legt alles vor, und dann folgt ein längerer Blick in den Computer. Der Beamte kritzelt ein paar Zahlen auf das von Maria ausgefüllte Formular und erklärt ihr, dass sie eine Steuerschuld von €154 hat, und zwar aus 2010. Meine Freundin kann es kaum glauben, hat sie doch damals eine Steuerberaterin angeheuert und bezahlt, um sich darum zu kümmern. Wie dem auch sei, die Schuld über ursprünglich €40 ist innerhalb der letzten Jahre mit Zinsen auf €154 angewachsen. Maria war ja geistig schon auf alles vorbereitet, und so ist sie nun auch willens, ihre alte Schuld zu bezahlen. Das soll sie am Schalter neun tun.

Dort angekommen, gibt es zwar einen Schalter am Gang, es stellt sich aber nach einigem Warten heraus, dass man in das Büro hineingehen muss. Ich bleibe draußen und schaue mir das Schauspiel von dort an.

Ein bisschen warten, dann eine kurze Diskussion mit der Dame am Schreibtisch, dann weiter zur anderen Dame auf der anderen Seite des Büros, dann zurück zur ersten. Zwischendurch wird noch der Kollege befragt, der aber gerade mit der Reparatur des Druckers beschäftigt ist. Er stellt den Drucker auf den Kopf, schüttelt ihn in allen Richtungen, bis viel Schmutz und ein seit einem Jahr verschollenes Lineal herausfallen, und begutachtet dann sein Werk. Dazwischen eine kurze Info an meine Freundin, welche daraufhin das Stockwerk wechselt und dort ihr Glück im Bezahlen ihrer Schuld versucht.

Ich gehe nicht mit und schaue mir inzwischen alles an.

Am Gang sind die alten, ausgemusterten Drucker und Kopierer abgestellt, ein zerlegter Kasten, ein wunderschöner antiker Schreibtisch (wen muss man bestechen, um den zu bekommen?), und die alten Akten stehen sozusagen zur freien Entnahme in den Regalen. Das zum Thema Datenschutz.

Nach zwanzig Minuten kommt Maria und ist den Tränen nahe. Sie darf ihre alte Schuld nicht bezahlen. Sie muss zuerst eine Erklärung abgeben, warum sie für dieses Jahr nicht bezahlt hat. Die Tatsache, dass ihre damalige Steuerberaterin die Daten zwar im Computer eingegeben, aber nie richtig abgeschickt hat, hilft ihr nicht weiter. Und die Chancen, dass diese den von ihr verursachten Schaden bezahlt, gehen gleich null.

Maria hat nun eine neue Steuerberaterin und macht in ein paar Tagen einen neuerlichen Anlauf beim Finanzamt. Viel Glück, Maria!

Fortsetzung folgt

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