Pepperl maß siebeneinhalb Schuhlängen vom Stock zur Kohlendaube. – Gewonnen. Ich bin dran, strahlte sie Karli an und schnappte sich den Eisstock. Sie hatten nur einen und konnten nicht wie die Großen auf einen Stock zielen, wenn er im Weg stand oder ganz nahe bei der Daube lag. Nach jedem Schuss drehten sie sich um, der Nächste zielte auf die jeweils andere Längsseite der gefrorenen Lache im Garten, und wer näher an die Daube kam, der hatte einen Punkt. Die Zählweise war ‚sechs‘, für einmal näher bei der Daube sein, ‚neun‘, für zwei Mal, und ‚aus‘ für drei Mal. Wer zuerst bei ‚aus‘ ankam, hatte ein Spiel gewonnen. Das wussten sie, weil sie manchmal bei den Großen zusehen durften. Die Männer verwendeten Holzdauben, die von den Eisstöcken auch ganz nach hinten befördert werden konnten. Ihr Vater war meistens der ‚Moar‘ und als ‚Moar‘ sagte er an, wohin der Nächste schießen sollte. Aber zu zweit brauchten sie keinen ‚Moar‘. Karli hatte noch seine Mühe mit dem Stock und Pepperl musste ihm auch heute wieder mit dem Metallring des Stockes Fußen ins Eis schlagen, damit er sich mit dem rechten Stiefel schräg in die Kerbe hineinstellen konnte. Dann ein langes Schwingen: Hin und her und hin und her, vielleicht fünf Mal, so hatte es Karli auf der Eisbahn an der schattigen Rückseite des Wirtshauses gesehen. Der Eisstock sollte möglichst gerade auf die Eisfläche gelegt und so losgelassen werden, dass der Stock den Schwung aus dem Arm mitnehmen konnte. Man musste dabei aufpassen, den Stock am eigenen Bein vorbeizuschwingen. Es gelang ihm nicht immer und der Metallring am Eisstock hinterließ blaue Flecken. Wieder war Pepperl näher an der Daube, weniger als vier Schuhlängen. – Neun, sagte sie. Wenn ich fünf Mal gewinne, dann musst du morgen alle Schuhe putzen. – Karli sagte nichts. Drei Jahre war sie älter, aber er wollte nicht gegen sie verlieren. Am Samstag alle Schuhe putzen, nein! Wenn Karli die Wette nicht angenommen hätte, würde er zugegeben haben, dass sie besser Eisstock schießen konnte, und was würde Vati sagen, wenn ihm Pepperl erzählte, dass sie fünf Mal gegen ihn gewonnen hätte.

Wieder kam Karli nicht sehr weit. Während Pepperl schon zum dritten Mal den Stock schwang, hob er die Daube auf und wollte sie einen Meter näher zur Fuße legen. Vielleicht kam er dann auch näher heran. Noch einmal schwang Pepperl den Eisstock ganz nach hinten und nach vor und ein letztes Mal weit nach hinten: Gerade da legte Karli die Daube aufs Eis.

Weit weg hörte Karli Pepperl weinen, Mutti rieb mit ihren Fingern an seiner Nase herum. Was war das für ein Gestank? – Pepperl, lauf zum Doktor hinauf, hörte Karli seine Mutter sagen. Sag ihm, dass sich der Burli schon seit einer Stunde nicht mehr rührt, dass du ihn mit dem Eisstock erwischt hast und dass der Abdruck vom Metallring noch auf seiner Stirn zu sehen ist, dass er aber nicht blutet. – Wo war er? Karli nahm langsam wieder seine Umgebung wahr. Es fühlte sich wie der Diwan in der Küche an. Warum hatte er die Stiefel noch an, und den Anorak? Jemand schüttelte Karli. Er versuchte die Augen zu öffnen, sie waren nicht zu bewegen. Wieder wurde er gerüttelt. Noch einmal. – Karli, Karli-Burli, hörte er seine Mutter, wach auf, bitte, wach auf. – Warum legte sie ihr Ohr an seinen Mund? Wollte sie ihm mit ihrem Finger ins Aug fahren? Warum zog sie ihm das Lid hoch? Ein greller Lichtstrahl schreckte Karli auf. Dann wurde es erneut finster. – Pepperl, nimm du die Füße, hörte er jetzt wieder seine Mutter, wir legen ihn ins Bett, da können wir ihn ausziehen. – Ich kann nichts dafür, ich kann nichts dafür, jammerte Pepperl. Wenn Vati das sieht! Ich kann nichts dafür. Er bewegt sich nicht, warum bewegt er sich nicht? Muss Karli sterben? – Wieder konnte Karli hören, was sie sagten, bewegen konnte er sich nicht. Sie hoben ihn ins Bett. Mutti legte ihm etwas Kaltes auf die Stirn, es fühlte sich angenehm weich an. – Gib mir noch einmal den Zwetschkenschnaps, sagte sie und wieder rieb sie an seiner Nase herum. Es war nicht auszuhalten!

Da, er konnte plötzlich die Hand heben, riss die Augen auf. Mutti und Pepperl standen an seinem Bett. Mutti gab ihm ein Busserl auf die Wange. Burli, Burli, sagte sie nur. Pepperl kullerten die Tränen über die Wangen. Karli wusste nicht, ob sie weinte oder lachte.

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