Franziska Schutzbach zum Ersten: „Ich will Arsch schauen“

Die Geschlechterforscherin und feministische Aktivistin Franziska Schutzbach beschäf-tigt sich in einem Blog-Beitrag mit dem „kulturell machtförmigen Blick“. Ausser Phra-sen bzw. Plattitüden wird jedoch nicht viel Substanzielles geboten.

Ich habe mir vorgenommen, mich in der nächsten Zeit immer wieder einmal mit Publikatio-nen von der Geschlechterforscherin und feministischen Aktivistin Franziska Schutzbach, die in Schweiz wohnhaft ist, auseinanderzusetzen bzw. abzuarbeiten. Dies u.a. deshalb, weil m.E. Schutzbach gegenwärtig in der Schweiz, was Genderthemen aus einer feministischen bzw. radikalfeministischen Perspektive anbelangt, am stärksten in die Öffentlichkeit drängt und immer wieder einmal als Expertin in den unterschiedlichsten Medien eine Plattform erhält.

In einem Blog-Beitrag mit dem Übertitel „Ich will Arsch schauen“ vom 28. Juni 2016 auf ihrem Blog „PRÄZIS UND KOPFLOS. Notizen zum Frau-Werden, Tier-Werden, Schwarz-Werden“ befasst sie sich insbesondere mit dem „kulturell machtförmigen Blick“. Der Blog-Beitrag ist eigentlich eine Kritik an einem anderen Blog-Beitrag, der sich seinerseits wieder-um mit der Thematik beschäftigt, ob Männer Frauen in der Öffentlichkeit anschauen dürfen. In meinen nachfolgenden Ausführungen geht es mir nicht um diese Kritik von Schutzbach am Blogbeitrag von Reda el Arbi und ob diese berechtigt ist oder nicht, sondern ich konzentriere mich vollständig auf die Ausführungen von Schutzbach zum „kulturell machtförmigen Blick“.

Gibt es eine neutrale Sexualität?

Franziska Schutzbach schreibt:

„El Arbi legt dann aber nahe, es gäbe eine Art „neutrale“ Sexualität, eine, die sich jenseits von Machtverhältnissen abspiele – dazu gehören zum Beispiel Blicke. Dass es auch im ‚Blickverhalten’ Varianten gibt, schliesst er zwar nicht aus (auch er ist der Meinung, dass offensives Glotzen nicht angenehm ist), allerdings erkennt er darin keinerlei gesellschaft-liche Schieflagen, sondern nur Effekte eines Fortpflanzungstriebes, bei dem Männer auf nackte Haut reagieren. Dass auch ‚Blicke’ als kulturelle Verhaltensweisen machtförmig sein können (nicht müssen), interessiert El Arbi nicht, dass auch Blicke Frauen zu Objek-ten machen können (aber nicht müssen), unterschlägt er.“

Schutzbach legt hier zumindest im ersten Satz nahe, dass es quasi keine „neutrale Sexuali-tät“ gibt, Sexualität also quasi immer mit Machtverhältnissen gekoppelt sei. Leider begründet sie diese Aussage nicht! Wenn zwei erwachsene Menschen Sex haben, die beide mündig und urteilsfähig sind, kann man m.E. grundsätzlich einmal davon ausgehen, dass der Sex ohne irgendwelche Machtverhältnisse vonstatten geht. Selbstverständlich kann es Umstände geben, bei denen man Machtverhältnisse annehmen kann, wenn Drohung, Nötigung oder ganz all-gemein Straftaten gegen die sexuelle Integrität vorliegen. Schutzbach schreibt nun von „Bli-cken, die kulturell machtförmig“ sein können, aber sie unterlässt es, genau zu begründen, wie sie auf diese Aussage kommt. Wie muss man sich einen solchen „kulturell machtförmigen Blick“ vorstellen? Was sind die objektiven Merkmale bzw. Indikatoren für einen solchen Blick? Wie wird er definiert und wie operationalisiert? Nehmen alle Menschen einen solchen kulturell machtförmigen Blick identisch wahr - also gibt es diesbezüglich einen Konsens, was ein „kulturell machtförmiger Blick“ ist? Ausserdem schreibt sie von „Blicken, die Frauen zu Objekten machen können“. Auch hier wieder: Was muss man sich eigentlich unter einem sol-chen Blick vorstellen? Gibt es eine konsensfähige Definition darüber, die dann eine zuverläs-sige Operationalisierung gewährleisten, sodass alle Menschen sofort einen solchen Blick er-kennen können? Und was ist eigentlich damit gemeint, wenn sie davon spricht, dass Frauen zu Objekten gemacht werden? Wann genau wird eine Frau zum Objekt gemacht und wann genau nicht? Gibt es auch hier zuverlässige Indikatoren, die eine zuverlässige Abgrenzung gewährleisten oder ist dies quasi nur ein „subjektives bzw. gefühltes Konstrukt“? Und wes-halb spricht sie nur von Frauen und nicht auch von Männern oder was bei ihr anzunehmen ist von weiteren Geschlechtern?

Was ist ein sexistischer bzw. machtförmiger Blick?

Franziska Schutzbach schreibt:

„Nicht jeder Blick ist sexistisch oder machtförmig. Darin stimme ich überein. Ich selber habe nicht grundsätzlich etwas dagegen, angeschaut zu werden. Es gibt viele Blicke, mit denen ich gut klar komme, die mir manchmal sogar schmeicheln. Viele Männer wissen ganz genau, wie das geht. Sie „glotzen“ nicht. Im Unterschied zu El Arbi habe ich offen-bar eine bessere Meinung von Männern: Ich erfahre in der Regel respektvolle Blicke, die Gefallen ausdrücken, ohne zu objektivieren. Sowas geht, es ist überhaupt nicht schwierig. Und ja: Ich erlebe natürlich auch genau das andere: Blicke, bei denen ich mich unwohl und belästigt fühle.“

Leider weiss der Leser immer noch nicht, was denn nun genau ein belästigender, objektivie-render, sexistischer oder machtförmiger Blick sein soll. Sie schreibt zwar, dass sie sich bei gewissen Blicken unwohl und belästigt fühlt, aber ob das einfach ihr subjektives Empfinden ist oder dies quasi alle Menschen so erleben würden wie sie, bleibt vollständig offen. Insbe-sondere sie ja auch nicht versucht, solche empirische Phänomene wie einen sexistischen Blick zu definieren und zu operationalisieren.

Der Blick bedarf einer Reflexion und ist Teil eines Machtregimes

Franziska Schutzbach schreibt:

„El Arbi weigert sich, sich ernsthaft mit diesem Unterschied zu befassen. Und legitimiert damit, dass alle Blicke letztlich okay, ja gar notwendig sind, selbst dann, wenn sie objek-tivieren. Zwar darf Frau sich wehren, vom ‚Schauenden’ fordert El Arbi aber keine Refle-xion. Anhand der Fortpflanzungs-Biologie behauptet er, diese Blicke seien eine Art männ-liches ‚Muss’.“

Hier muss man sich einfach fragen, wie El Arbi überhaupt eine Differenzierung zwischen objektivierendem und nicht objektivierendem Blick vornehmen soll, wenn bisher noch über-haupt nicht geklärt wurde, was denn nun ein objektivierender Blick genau sein soll (Definiti-on, Operationalisierung, Indikatoren etc.).

Franziska Schutzbach schreibt:

„Damit weigert er sich erstens zu reflektieren, inwiefern auch Blicke Teil eines Machtre-gimes sein können (nicht müssen!), in dem es durchaus um die Objektivierung des weibli-chen Körpers gehen kann (was nicht heisst, dass Frauen dann automatisch ‚Opfer’ sind). Zweitens reduziert er Sexualität auf ein rein heterosexuelles Projekt: Sexualität entspringe dem ‚Fortpflanzungsdruck’. Diese enge Sicht auf Sexualität macht es El Arbi möglich, ein Konstrukt aufzubauen, in dem Blicke nach einem neutralen und deshalb nicht-kritisierbaren Programm ablaufen, in dem Männer keine Akteure sind, sondern gesteuert durch die Notwendigkeit der Natur. Ein (gefährliches) Argument, mit dem sich letztlich jede Praxis legitimieren lässt.“

Dass nun Blicke Teil eines Machtregimes sind, hört sich zumindest für mich sehr kryptisch an. Was ist eigentlich ein Machtregime? Gibt es hier eine Definition dafür? Und ist ein solches Machtregime empirisch fassbar: also gibt es Operationalisierungen und Indikatoren, um dies empirisch fassbar zu machen? Und wiederum: was ist genau mit einer Objektivierung des weibliche Körpers gemeint (Definition, Operationalisierung, Indikatoren etc.)? Dass die menschliche Sexualität wohl primär durch den „Zwang“ zur zweigeschlechtlichen Fortpflan-zung entstanden ist, dürfte wohl zumindest für Biologen klar sein; natürlich wird Sex nicht nur deshalb praktiziert, um sich fortzupflanzen, aber der Ursprung geht sicherlich auf den „Zwang“ zur zweigeschlechtlichen Reproduktion zurück. Und weshalb geht es immer ‚nur’ um die Objektivierung des weiblichen Körpers und der männliche Körper bleibt vollständig aussen vor?

Blicke und ihre sexistische Anspruchshaltung

Franziska Schutzbach schreibt:

„Das heisst aber nicht, dass Blicke nicht auch objektivierend sein können. Vor allem dann, wenn sie überall sonst, aber nicht in die Augen gehen. In manchen Blicken schwingt eine sexistische Anspruchshaltung: ‚ich kann dich unverhohlen anglotzen, weil ich das Subjekt bin und du das Objekt‘.“

Also: Ein Blick auf das Haar, die Hände, die Nase, die Ohren, die Füsse, die Finger, die Beine, den Rücken etc. ist viel verdächtiger für eine Objektivierung der Frau als ein Blick in die Au-gen. Hmmm, warum, weshalb, wieso? Wenn Schutzbach wenigstens einmal etwas begründen würde, anstatt nur Behauptungen aufzustellen, dann könnte man sich wenigstens mit ihrer Argumentation auseinandersetzen, aber so.....?!

Blicke sind nicht verboten, aber ....

Franziska Schutzbach schreibt:

„Einmal abgesehen davon, dass auch dann gestarrt wird, wenn man mit einem Rollkra-genpulli rumläuft: Natürlich sollen Blicke nicht verboten werden, aber sie können reflek-tiert werden, wie jede andere Handlung auch. Denn sie sind Teil von gesellschaftlichen Verhältnissen – wie jede andere Handlung auch.“

Blicke sollen also nicht verboten werden, aber sie sollen doch reflektiert werden, weil sie Teil von gesellschaftlichen Verhältnissen sind. Was aber genau bezweckt denn diese Reflexion des eigenen Blickes? Offenbar will Franziska Schutzbach die von ihr präferierten Verhaltensände-rungen nicht durch „Repression“ (Verbot) erreichen, weil das würde sich ev. für den Femi-nismus nicht so gut machen (immer Verbote zu fordern, ist mit der Zeit nicht sooo sexy), son-dern doch lieber durch internalisierten Selbstzwang: also keine Muss-Erwartung, aber doch eine Soll-Erwartung. Ergo: Man soll einen Arsch im öffentlichen Raum nur noch mit Selbst-beschämung anschauen dürfen oder doch besser überhaupt nicht, weil dann auch die Strafe der Beschämung wegfällt. Nun, dass Blicke ev. auch etwas mit gesellschaftlichen Verhältnis-sen zu tun haben, könnte durchaus sein, aber sie haben ev. auch viel mit der Ontogenese und ev. auch mit der Phylogenese der Menschen zu tun, was Franziska Schutzbach „selbstver-ständlich“ nicht erwähnt, weil man bekommt von ihr den Eindruck, dass nun wirklich alles einfach gesellschaftlich bedingt sein muss.

Schutzbach im Kaffee und dann passierts...

Franziska Schutzbach schreibt:

„Kürzlich sass ich in einem Kaffee, es kam ein mittelalterlicher Mann herein, ich sass an meinem Laptop und schrieb. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er sich direkt gegenüber von mir positionierte und mich dann taxierte. Er starrte in meinen (nicht sehr grossen) Ausschnitt, musterte mich unverhohlen. Ich nahm meine Sachen und setzte mich an einen anderen Platz, so dass zwischen mir und ihm eine Säule war. Der Mann aber lehnte sich einfach nach vorne und starrte an der Säule vorbei nach mir. Ich wurde wütend, und sagte, er solle aufhören. Worauf er entrüstet ausrief, das sei ja wohl eine Frechheit. Ich stand auf und ging. Was hätte ich anderes tun sollen? ich musste dringend einen Text abgeben, hatte keine Zeit für Auseinandersetzungen. Meine ‚persönliche Freiheit’ war zu gehen, obwohl ich eigentlich gern dort weiter gearbeitet hätte. Ich war also diejenige, die gehe musste, mein Bewegungsraum wurde durch die Blicke dieses Mannes direkt eingeschränkt.“

Offenbar hat sich Schutzbach durch den Blick des Mannes unwohl gefühlt. Jetzt kann man sich fragen, ob sie die Situation nicht viel anders hätte lösen können? Eine Möglichkeit wäre beispielsweise gewesen, wenn sie einfach den Mann vollständig ignoriert hätte, dann hätte sie auch nicht bemerkt, dass er sie offenbar längere Zeit anschaut oder beobachtet und das Prob-lem wäre für sie gelöst gewesen. Sie hätte sich auch einen Platz im Kaffee aussuchen können, bei dem sie dem Mann den Rücken zudreht - also auch hier: „aus den Augen, aus dem Sinn“. Eine Möglichkeit wäre ausserdem gewesen, den Mann selbst anzustarren, sodass es ihm ver-mutlich unangenehm geworden wäre, wenn er sich bei seinem Anstarren auch angestarrt fühlt. Eine weitere Handhabe, um mit dieser Situation umzugehen, hätte darin bestanden, dass sie dem Mann auf eine freundliche Art und Weise mitgeteilt hätte, dass sie den Eindruck habe, dass er sie seit längerer Zeit anstarren würde und sie sich dabei sehr unwohl fühle und er die-ses Verhalten doch freundlicherweise unterlassen solle. Man bekommt hier schon den Ein-druck, dass sich Schutzbach unbedingt als Opfer inszenieren möchte, dem ein grosses Unrecht angetan wurde und dem als letzte Handlungsmöglichkeit nur noch die Flucht aus dem Kaffee bleibt.

Männer auch Opfer, aber bitte ohne gesellschaftlichen Kontext

Franziska Schutzbach schreibt:

„Auch Männer erfahren Sexismus, aber dabei kann einfach nicht von einer gesellschaftli-chen Gesamtdynamik gesprochen werden, oder von einer einfachen Umkehrung. Wenn Männer auf ihre Sexyness reduziert werden, geschieht dies vor einem anderen kulturhisto-rischen Hintergrund, das heisst ihr Subjektstatus steht dadurch als Gruppe nicht ernsthaft infrage.“

Die Frage würde sich hier stellen, was Schutzbach damit meint, wenn sie behauptet, es könne nicht von einer gesellschaftlichen Gesamtdynamik gesprochen werden. Wenn z.B. 30% der Männer auf ihr sexy Aussehen reduziert würden, hätten wir dann eine gesellschaftliche Ge-samtdynamik oder erst bei 100%. Und was nun der kulturhistorische Hintergrund für die Menschen in der Gegenwart zu tun haben soll, wenn sie auf ihre Körperlichkeit reduziert werden, ist m.E. nicht ersichtlich. Zum einen geht es einmal um den konkreten einzelnen Menschen: den Einzelfall. Das heisst, wenn beispielsweise ein Mann durch eine Frau eine Körperverletzung davon trägt, spielt es keine Rolle, ob dies nun kulturhistorisch ein Novum ist oder nicht; die Schmerzen und die ev. sonstigen Schädigungen werden dadurch nicht ge-ringer. Zum Subjektstatus: Schutzbach will damit hoffentlich nicht behaupten, dass der Vor-fall im Kaffee, den sie weiter oben geschildert hat, alle Frauen genau gleich erfahren/erleben und interpretieren würden wie sie selbst. Dieses Kollektiv-Singular „Frau“ - damit ist u.a. gemeint, dass quasi sämtliche Frauen ihre Lebenswelt identisch erfahren und interpretieren würden, ist ein Mythos. Selbstverständlich gibt es Frauen, die den Vorfall im Kaffee ähnlich erfahren und interpretieren würden wie Schutzbach, aber dies dürfte m.E. eine Minderheit der Frauen sein. Gewissen Frauen wäre der Mann überhaupt nicht aufgefallen, andere hätten ihn schlichtweg ignoriert und wieder andere hätten ihm den Rücken zugedreht und die Sache wä-re vermutlich auch gegessen gewesen.

Die kulturhistorische Bedeutung des Blicks

Franziska Schutzbach schreibt:

„Sowieso unterschlägt El Arbi die kulturhistorische Bedeutung des Blicks und reduziert ihn auf ein rein biologisches Programm. Wie Laura Mulvey in ihrer Filmtheorie gezeigt hat, ist der aktive Blick „männlich“. Das heisst in den meisten Filmen wird die Kamera gemäss einer androzentrischen Ordnung geführt, in der Männer den sehenden Part haben und Frauen den Part des gesehen werdens. Kurz: Männer schauen, Frauen werden ge-schaut.“

Nun kann man sich natürlich fragen, ob man kulturhistorische Filmtheorie auf Begegnungen zwischen Frauen und Männer im öffentlichen Raum des 21. Jahrhundert eins zu eins übertra-gen kann und ob hier überhaupt ein Konnex besteht. Und man könnte sich dann auch gleich fragen, wer Frauen heute in den westlichen Industrienationen daran hindert, selbst einen akti-ven Blick in den alltäglichen Begegnungen und im Film einzunehmen?! Auch hier entsteht wiederum der Eindruck, dass es Schutzbach vor allem darauf anlegt, Frauen als ewiges Opfer des Mannes zu zelebrieren, das von irgendwelchen ominösen Mächten daran gehindert wird, ein selbst gewähltes Leben zu leben.

Franziska Schutzbach schreibt:

„Das hat damit zu tun, dass historisch das Subjekt männlich konnotiert war: Mensch = Mann, Bürger = Mann (in der Schweiz durften Frauen erst ab den 1970er Jahren abstim-men). Natürlich hat sich seither vieles verändert.“

Es ist richtig, dass die Schweiz in Europa eines der letzten Länder war, das auf Bundesebene das Wahlrecht für Frauen einführte. In Deutschland war beispielsweise das Wahlrecht für Frauen bereits 1918 Tatsache geworden und auch ein beträchtlicher Teil der Männer hatte de facto erst zu diesem Zeitpunkt das Wahlrecht. Zumal vor 1918 ein grosser Teil der Männer auch vom Wahlrecht ausgeschlossen wurde: Im Jahre 1871 beispielsweise durften de facto nur 20% der Gesamtbevölkerung wählen; das bedeutet, dass 60% der Männer de facto nicht wählen durften.

Popkultur und die Frau für einmal kein Opfer, aber nur ganz kurz ...

„Aber ein Blick in die Popkultur zeigt bis heute, dass Frauen oft Ausstattung, Dekoration, Sexobjekt sind (was sogar El Arbi in seinem Text bestätigt). Frauen sind oft dazu da (zum Glück nicht immer), um angeschaut zu werden.

Das heisst noch lange nicht, dass Frauen, die sich in eine solche Position begeben und ih-ren Ausschnitt in die Kamera halten oder im Minirock herumlaufen per se „Opfer“ sind, oder Unterdrückte. Natürlich sind sie Akteurinnen, die auch eine freie Wahl oder einfach verschiedene Stile haben. Aber die sexistische Grundlogik, nach der wir in einem System leben, das einen grossen Teil seiner Dynamik daraus zieht, Weiblichkeit in der Objekt-Position zu halten, bleibt auch dann bestehen, wenn Frauen diese Dinge freiwillig tun und damit manchmal gut Geld verdienen.“

Von der kulturhistorischen Filmtheorie über das Wahlrecht sind wir nun bei der Popkultur gelandet. Frauen sind also für Schutzbach nicht per se Opfer, weil sie ja frei wählen können, ob sie sich als Sexobjekt darbieten wollen oder nicht - das wäre ja schon mal eine gute Nach-richt. Doch die Frau-als-Opfer-Rhetorik währt nur kurz und wird sogleich in den nachfolgen-den Sätzen wieder eingeführt und zwar durch ein System, das Weiblichkeit in einer Objekt-Position hält. Folglich nichts mehr mit freier Wahl und so für die Frauen: Das System zwingt die Frauen in eine Objekt-Position! Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wer denn dieses omi-nöse System genau ist? Und vor allem auch, wie das System den Frauen diese Objekt-Position aufzwingt? Leider erfahren wir auch diesbezüglich nichts von Schutzbach.

Verhandlungsdemokratie und die ubiquitären gesellschaftlichen Verhältnisse

Franziska Schutzbach schreibt:

„Vielleicht noch dies: Wenn ich der Meinung bin, auch sexuell intendierte Blicke seien unterschiedlicher Art und müssten diskutiert werden, dann heisst das natürlich nicht, dass ich sexuelle Impulse allgemein unterdrücken will. Für mich bedeutet in einer Demokratie zu leben aber, dass alles, ausnahmslos alles verhandelbar ist. Auch Blicke. Auch Biologie. So zu tun, als gäbe es Felder, die jenseits von gesellschaftlichen Verhältnissen einfach ‚so sind’, wie sie sind, und zu unterstellen, darauf hätten Menschen keinen Einfluss, ist histo-risch wie aktuell falsch. Das Argument, es sei einfach Biologie, hat man schon vor 200 Jahren gebracht, als die Vagina noch als ein nach innen gestülpter Penis definiert war und Frauen folglich als ‚minderwertige Männer’.“

Schutzbach spricht von Felder, wobei überhaupt nicht klar wird, was sie überhaupt unter dem Begriff „Feld“ versteht. Tatsache dürfte sein, dass es nun mal rein biologische Phänomene gibt. Die Präferenz zur männlichen Homosexualität ist nun mal rein biologisch bedingt (Gene-tik plus hormonelle Einflüsse etc.) und gesellschaftliche Verhältnisse spielen bei der Entste-hung dieser Neigung/Präferenz überhaupt keine Rolle. Ob diese Neigung dann beispielsweise eher in der Öffentlichkeit oder im Privaten ausgelebt wird, bestimmen selbstverständlich dann wiederum auch gesellschaftliche Verhältnisse.

Fazit, Resümee, Schluss

Zusammengefasst bekommt man vom Text von Schutzbach folgenden Eindruck: Es wird viel behauptet, ohne jedoch diese Behauptungen mit Begründungen zu versehen. Begriffe (Kon-strukte) und gesellschaftliche Mechanismen werden nicht definiert bzw. erklärt, geschweige denn operationalisiert, sodass schlussendlich alles und nichts darunter verstanden werden kann und es vor allem von der subjektiven Einschätzung/Befindlichkeit der Autorin abhängt, wann ein Blick zum Anstarren wird, wann er machtförmig wird, welche Körperteile beson-ders dafür prädestiniert sind und von welcher Person dieser Blick ausgehen muss (der Blick eines Kindes, das glotzt oder starrt, würde vermutlich nach Schutzbach nicht unter einen „machtförmigen Blick“ subsumiert werden) und wie dies alles mit einer gesellschaftlichen machtförmigen symbolischen Ordnung zusammenhängen soll. Ein solch schwammiges und auf subjektiven Befindlichkeiten aufbauendes Konzept taugt jedoch sicherlich nicht dazu, um menschliches Verhalten konstruktiv zu regulieren: das Gegenteil ist der Fall, es befördert Willkür.

Opfer sind bei Schutzbach primär mal die Frauen. Wenn Männer Opfer sind, dann ist dies selbstverständlich weniger schlimm und sicherlich nicht in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext zu verorten, weil die gesamtgesellschaftliche symbolische Ordnung macht selbstre-dend nur Frauen zu Opfer; bei Männer handelt es sich vermutlich um tragische Einzelfälle. Merke: Wenn Frauen Opfer werden, dann ist dies immer strukturell bzw. gesellschaftlich be-dingt, wenn Männer Opfer werden, dann handelt es sich um einen Einzelfall ohne jegliche Verbindung zum Gesellschaftlichen.

Quelle:

https://franziskaschutzbach.wordpress.com/2016/06/28/ich-will-arsch-schauen/

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