Es wiederholt sich jeden Sommer: Ich habe weiße Beine und alle anderen sind knusprig braun.

Anfang Mai beginnt der Psychoterror. Beim kleinsten Sonnenstrahl versuche ich sie in die Sonne zu strecken und fahre in kurzen Hosen Rad, damit wenigstens ein Hauch von Milchkaramellbraun zwischen den bläulichen Äderchen entsteht. Mit dem Resultat, dass ich - Sonne ist ja nicht gleichbedeutend mit sommerlichen Temperaturen - alljährlich einen gewaltigen Frühlingsschnupfen mein eigen nenne. Wenn ich dann wieder atmen kann und die Fieberblasen abgeheilt sind, habe ich zumeist meinen Vorsatz vergessen. Und außerdem ist dann soundso schon Juni und ich wieder einmal hintennach. Dann kommen auch noch Regenperioden, Kälterückfälle mit Schnee und überhaupt. Keine Chance die noble Beinblässe ohne elektrische Unterstützung einer künstlichen Sonne rechtzeitig loszuwerden. Auf den Menschentoaster hab ich aber blöderweise noch weniger Lust und die Beine bleiben weiß.

Nun ist es also wieder Anfang Juli, und außer ein paar Gelsenstichen hat sich auf meiner Haut nichts getan. An Tagen wie den vergangenen, mit 36°Grad im Schatten, ist mir nicht nach Sonne liegen und ich bleibe lieber in dunklen Räumen wie eine Kellerassel.

Bei abendlichen Ausgängen versuche ich mitleidige Aussagen wie »Du hast eine lange Jeans an? Ist Dir nicht heiß?« zu übergehen, oder mit einem kurzen »Nein« und der Überleitung auf die Wirtschaftskrise in Griechenland, vom Thema abzuschweifen. Beharrt jedoch jemand darauf, lässt nicht locker und reckt mir seine dunkelbraunen Beinen ins Gesicht, erzähle ich weise und wissend von meinen Reisen nach Afrika und den Beduinen mit ihren langen Ärmeln.

Was also zusätzlich zu den weißen Beinen nervt, ist der ständige Erklärungsbedarf.

Heute sage ich Euch etwas: Ja Leute, mir ist heiß. Sehr sogar.

Ich bin eine erwachsene, emanzipierte Frau, kenne Medien, Marketing und Werbestrategien, und trotzdem ist da dieses Gefühl, mit meinen weißen Beinen nicht ins Gesellschaftskonzept zu passen. Eine Zeit lang habe ich vorformulierte Sätze wie »Ja, ich muss vorsichtig sein, denn ich neige zu Melanomen« von mir gegeben. Prinzipiell nicht einmal gelogen. Doch mitleidsvolle Blicke der anderen, während mir der Schweiß aus den bekleideten Kniekehlen tropft und feine kleine Äderchen entlang der Schenkelinnenseite platzen, machen mich ein wenig unglücklich und geben mir das Gefühl, dass ich noch daran arbeiten muss, eine von den anderen zu sein. So sehr ich mich auf den Sommer freue, so sehr fürchte ich mich vor der Sommermode und dem Stress vorm Kleiderkasten.

Vergangene Woche habe ich den Medien entnommen, dass Weiß das neue Braun ist, und die Stilikonen dieser Welt mit nobler Blässe glänzen.

Diesmal wirklich und echt und nicht so daher gesagt wie der Espandrillo-Boom, der spätestens im übernächsten Sommer wieder abgelöst ist.

Ich hab endlich echte Chancen auf diesen Trendsetter-Zug aufzuspringen. So richtig. Erhobenen Hauptes.

Dann bleibt fast nur mehr das Problem mit den nicht vorhandenen High-Heels....

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Silvia Jelincic

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Claudia Tabachnik

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fischundfleisch

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