
Wenn ich noch einmal am Anfang stünde. Am Anfang eines Lebens, das auf meiner Brust liegt und selig atmend zaghaft in die Welt hineinschaut. Am Anfang einer Zeit, in der ich eine andere werde. Eine, die ich nie wirklich wollte. Und über die ich doch glücklich bin, dass sie so geworden ist.
Vor 13 Monaten wurde ich Mutter, die Mutter von C.J, einem fröhlichen kleinen Wesen, das für eine Zeit, die für mich immer sein wird, zu mir Mama sagen wird. C.J. hat mein Leben und das ihres Vaters verändert wie nichts anderes zuvor. Obwohl wir uns eisern schworen, damals, nach dem ersten gemeinsamen Besuch bei der Frauenärztin, dass wir uns nicht verändern würden. Living-together-apart, Städtereisen, feines Essen, Fitnessstudio, Wellness und Lesen – das war unsere Welt.
Schenk uns bitte ein Like auf Facebook! #meinungsfreiheit #pressefreiheit
Danke!
Beinhart haben wir unsere Vorsätze über Bord geworfen. Mittlerweile leben wir in einem Häuschen am Land, unsere Wellness-Aufenthalte sind Kürzest-Trips, wir kochen gerne selbst und bauen Kräuter im Garten an, gehen spazieren und lesen nicht mehr als drei Seiten, weil uns abends um neun die Augen zufallen. Irgendwie sind wir hineingeschlittert in die Eltern-Welt. Obwohl – zumindest ich – gekämpft habe wie John McClane, um nur ja nicht beim langsamen Sterben meiner Kinderlosen-Welt-Ideale erwischt zu werden.
Wenn ich noch einmal am Anfang einer Elternschaft stünde (was ich nicht noch einmal vorhabe), würde ich nicht mehr kämpfen. Ich würde ganz selbstverständlich sein. Seit Jahrtausenden bekommen Menschen Kinder – ganz ohne das (ideologisch geprägte) Drama, das heute über junge und – wie mir scheint – noch viel mehr über weniger junge Mütter hereinbricht. Ich wüsste, dass ich nichts muss, außer die Basisbedürfnisse von mir und meinem Kind befriedigen. Ich wüsste, dass ich nicht die, die ich davor war, aufrechterhalten muss. Und ich wüsste, dass ich nicht die werden muss, die man heute zu sein hat.
Spreche ich mit Frauen aus der Generation meiner Mutter über die Paradigmen in der heutigen Eltern-Welt, stoße ich auf Staunen. So oft höre ich: „Wir hätten gar nicht die Zeit gehabt.“ So viel über sich, und die eigene Rolle nachzudenken. So viel darüber, ob man nach Bedarf oder nach Uhrzeit stillt. Oder ob man überhaupt stillt oder lieber Flasche gibt. Ob man die Beikost in Breiform einführt oder lieber in Stückchen à la baby-lead-weaning. Ob man trägt (da wiederum, ob man in fertigen Tragehilfen trägt oder mit selbst zu bindendem Tuch) oder ob man einen Wagen vor sich her schiebt. Ob man selbst kocht oder auf Fertignahrung zurückgreift. Ob man impft oder nicht, und falls ja, was. Ob man zum Osteopathen geht oder nicht. Schulmedizin oder Alternatives. Feuchttücher oder Waschlappen. Plastikschuhe aus China oder Leder aus dem Waldviertel. Massenwarebodys oder Selbstgenähtes. Krabbelstube oder Tagesmutter, oder lieber nicht erwerbstätig arbeiten und zuhause bleiben. Ganztagsschule oder Halbtagschule, privat oder öffentlich. Und so vieles mehr. Ein einziges Positionieren, dieses Mama-Sein. Bei jedem Mama-Erstkontakt im Wartezimmer des Kinderarztes oder am Beckenrand beim Babyschwimmen. Man ist nicht mehr, wer man ist. Sondern man ordnet sich ein.
Wenn ich noch einmal am Anfang stünde, würde ich versuchen, mich nicht einzuordnen. Es hätte so vieles leichter gemacht, das zu tun, was ich bin, und gar nicht die Zeit zu haben, einen Platz im Paradigmen-Dschungel mit der Machete frei zu schlagen. Ich würde mein Allerprivatestes schützen vor den Ratschlägereien, die ich von Hebammen, Stillberaterinnen, Trageberaterinnen und Sowieso-Alles-BesserwisserInnen abgerufen habe. Das Gedankenspiel: Wenn ich noch einmal am Anfang stünde, wäre ich stärker. So stark wie C.J., der generalisierende „So-hat-man-als-Baby-zu-sein-Regeln“ so egal sind wie die Frage, ob ihre Mutter ein schlechtes Gewissen hat oder nicht. "Hauptsache, sie ist glücklich." Und: Hauptsache, C.J. ist glücklich. Oder zumindest so halbwegs zufrieden.