Wo leben wir und wo möchten wir leben? - Stadt vs. Land

Dass es vor allem junge Menschen (mich eingeschlossen) in große Städte zieht, ist kein Geheimnis. Wir wollen dran sein, am Leben, nichts verpassen und keine Chancen verplempern. Wirklich? Wollen wir das? Umgeben von lautem Straßenlärm unsere Post aus dem kleinen Brieffach zerren, beim Gang zum Supermarkt mehr Menschen sehen, als überhaupt in einer kleineren Ortschaft wohnen, und in einem Luftgemenge aus Abgasen und Fabriksdünsten joggen gehen – das klingt gleich mal nicht so berauschend.

Das Stadtleben fasziniert, keine Frage. Man hat nicht weit zur nächsten Bibliothek, der nächste Supermarkt ist direkt unter der Wohnung und zum Heimkommen spätnachts benötigt man kein Taxi – es ist alles in der Nähe. Allerdings musste ich feststellen, dass Nähe auch ihre negativen Seiten hat. Zeit zum Entspannen, zum Loslassen oder zum Atmen muss man sich in der inneren Stadt hart erarbeiten. In den kleinen vier Wänden ist die Luft bald verbraucht und die Nerven sind überlastet vom Getrampel und Geschreie der anderen Mieter. Ich fing mich an zu fragen, was wohl aus den gerühmten (vor allem amerikanisch angepriesenen) Suburbs geworden war. Nobelviertel und Villen am Stadtrand. Gibt es das noch?

Nobelviertel fand ich keine, naja, zumindest überschaubar wenige. Jedoch fand ich Luft. Und Freiraum. Ich kann das Fenster öffnen, ohne von den Abgasen umgeblasen zu werden. Und ich höre Vogelgezwitscher anstelle von aufheulenden Sirenen. Das klingt nicht nach Stadt. Ich weiß. Vorstadt. Das ist es, wovon ich rede. Vorstädte kommen mir verschrien vor, ausgebuht, weil sie halb drin und doch halb draußen sind. Und ja, vielleicht kann ich mich nicht entscheiden zwischen Stadt und Land – nein, ich kann es doch. Ich wähle den Mittelweg. Ich brauche ein wenig länger zur nächsten Bank, zum nächsten Supermarkt und zur nächsten Bibliothek, aber ich freue mich jedes Mal auf den Fußweg zur Haltestelle oder auf die frische Luft, die ich am Rad einatme, solange ich nicht die magische Grenze zwischen Innen- und Vorstadt überschritten habe.

Mein Fazit: Mut zur Vorstadt.

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manx fella Phil

manx fella Phil bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:03

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