A Toast to absent Friends. So viel Zeit muss sein.

Schon wieder ist einer gegangen, für immer. Nein, kein Weltstar, einer aus meiner unmittelbaren Umgebung. Der Fredl. Begnadeter Künstler. Malte und zeichnete wie der Teufel. Und feiern konnte der, wenn´s drauf ankam, aber so richtig! Wir teilten ein paar wilde Zeiten, starteten ein paar verrückte Projekte, die Freundschaft dauerte gut 35 Jahre, und jetzt ist er fort. In den letzten Jahren traf man einander ein wenig seltener, bei den Vernissagen der Kollegen, ab und zu im Beisl, meist eher zufällig, Emails gingen manchmal hin und her. Der letzte Intensivkontakt war eine gemeinsame Ausstellung, im Anschluss an die Vernissage eine wacker durchzechte Nacht, das ist jetzt aber auch schon wieder eine ganze Weile her. Man wusste, dass er krank war, dass es ernst war, gute und weniger gute Nachrichten zum Verlauf wechselten einander ab, im vergangenen Herbst besuchte ich ihn noch einmal, da steckte er mitten in einer Chemo, war aber zuversichtlich, fast trotzig. Er wollte leben. Irgendwie hat es sich dann nicht mehr ergeben, dass wir uns noch einmal sahen, das lag wohl eher an mir, ich bin nicht so gut im Verabreden, viel um die Ohren, wenig Zeit… bis zur letzten Nachricht. Bis zum Begräbnis. Die Zeit nimmt man sich dann. Plötzlich geht’s. Selbstverständlich. Zwei, drei Stunden zu Lebzeiten wären sinnvoller gewesen.

Irgendwie gibt´s Parallelen zum Gust. Vollblutmusiker. Auch mit ihm gab es eine gemeinsame Vergangenheit, wir haben viel miteinander duchlebt, Konzerte, Texte, Theaterprojekte, linke Demos sowieso, Feste, die drei Tage dauerten oder länger. Bis heute habe ich die Skizze, die ich vor 30 Jahren von ihm gemacht habe, er auf einem Stuhl mitten in meiner Küche sitzend, wie er seinen Bierhumpen in einen zum Fenster hereinfallenden Sonnenstrahl hält und genüsslich seufzt: „Endlich is da Winta aus.“ Irgendwie, irgendwann, irgendwarum schließlich den Kontakt verschlampt, verloren… bis zur letzten Nachricht. Bis zum Begräbnis.

Und Lilo, die Schöne, Strahlende. Ausgerechnet „Me and Bobby McGee“ an ihrem Sarg, das war zu viel, ich weinte wie ein Baby. Weil wir genau das tausendmal miteinander gesungen hatten, damals, als wir wilde Kinder waren und das ganze Leben noch vor uns lag. Der ewige Streit darüber, ob die Kris-Kristofferson- oder die Janis-Joplin-Version nun die ultimative, amtliche wäre. Aber wurscht, wenn wir sangen, dann fügte sich das alles irgendwie zusammen. An ihrem Sarg zu stehen schien so unwirklich. Süße Lilo, weinte ich stumm, verzeih mir, bitte verzeih mir, dass ich mir so wenig Zeit für dich genommen habe, als noch Zeit dazu gewesen wäre. Wir hätten uns sicher noch viel zu sagen und zu erzählen gehabt, und zu lachen, und ich hatte ja auch immer vor, mich zu melden, dich einzuladen oder zu besuchen… bis zur letzten Nachricht. Bis zum Begräbnis.

Und das ist noch lang nicht alles. Offenbar komme ich jetzt wirklich langsam in das Alter, in dem die Abschiede häufiger werden. Und in dem viel zu bereuen ist, vor allem Dinge, die nicht mehr getan und Worte, die nicht mehr gesagt wurden. „A Toast to absent Friends“ hieß die Veranstaltung, die wir – die Übriggebliebenen – vor zwei Jahren in der Stadtwerkstatt gestalteten. Und ich war entsetzt, als mir klar wurde, wie viele es schon sind. Julius, Alex, Hans, Hooch… ach, hör auf, eine Liste zu machen, das hat keinen Sinn. Lieber würde ich mich mit jedem und jeder einzelnen noch einmal auf ein Bierchen zusammensetzen. Aber wie sagt man so schön? „Üwaseng is a vaschpüt“.

Ein paar Tage vor dem Fredl ist übrigens auch Hansi überraschend gestorben. Kein so wahnsinnig enger Freund, aber immerhin ein geschätzter Kollege aus einer Künstlervereinigung, ich mochte ihn und er mochte mich. Die kommende Woche wird zwar sowieso ziemlich stressig, und dann gleich noch zwei Begräbnisse in kurzem Abstand. Aber natürlich werde ich es irgendwie möglich machen, werde hingehen, um meinen Freunden Respekt und die letzte Ehre zu erweisen.

So viel Zeit muss sein.

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Noch keine Kommentare

Mehr von Sachenmacher