Bürgerrechte, schon vergessen oder bald verloren ?

Während sich Österreich und speziell Wien im Wahlfieber befinden und das Thema Asyl einen beträchtlichen Teil der täglichen Berichterstattung in den Medien einnimmt, schleicht sich in der Tarnung des vermeintlichen Häupl-Strache Duells eine grobe Missachtung der Bürgerrechte ein.

Vor nicht allzu langer Zeit, Ende Mai, setzten sich Grüne, NEOS , FPÖ und Team Stronach noch stark in Szene als Verfechter der Bürgerrechte. Im Zuge des Kampfes um die Hochburg Wien scheint es jetzt wieder als würden die durch unsere Vorfahren hart erkämpften Rechte der persönlichen Freiheit zu Gunsten einer höheren Publizität in den Medien rund um die Wählerstimmen der Stadt Wien aufgegeben.

“Während der Staat selbst überall mauert, zieht er dem Bürger die letzte Hose aus”,

forderte der NEOS-Chef vor einiger Zeit.

Auch Peter Pilz fand dazu geeignete Worte:

Demnach sollen Übermittlungen nicht nur an heimische, sondern auch an ausländische Sicherheitsbehörden zulässig sein. Pilz nennt dies die "CIA-Klausel" und befürchtet:"Wir sollen ein amerikanischer Geheimdienst-Satellit werden."

Selbst HC Strache fand sich einmal mit den Grünen und den NEOS einig:

„…nicht in Richtung Staat aller George Orwell gehen. Natürlich hat Klubobmann Strolz recht, wenn er heute durchaus berechtigterweise ein Sittenbild von Mobbing, Stalking…. auf behördlicher Ebene aufzeigt.“

Jetzt, 4 Monate später, mag sich niemand mehr so recht an seine Positionierung gegen die Überwachung des Staates erinnern, wo sich im Zuge von Wahlen und Wählerstimmen, Populismus als ein wichtigeres Argument zur Erarbeitung von Themengebieten eignet und in diesem Kontext meist nur über Asyl, Arbeitsplätze und Wohnraum gesprochen wird. Einzig die Piratenpartei ließ vor kurzem mit ihren witzigen Werbe-Bannern auf youporn aufhorchen, und brachte doch für einige Augenblicke das Thema in die Medien.

Doch worüber will ich hier berichten? Ein Thema das vor kurzem noch 4 Parlamentsfraktionen dazu bewegt hat ihre ganze Berichterstattung auf ein kleines Dokument zu richten, das doch tiefgreifende Einschnitte in die persönliche Freiheit erlaubt und nach Meinung mancher Experten verfassungswidrig sei.

Die Überschrift des Entwurfes sagt klar aus:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation, Aufgaben und Befugnisse des polizeilichen Staatsschutzes (Polizeiliches Staatsschutzgesetz - PStSG) erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird.

Es geht hier also um eine Änderung der Handhabungen der Exekutive, dazu wird ein neues „Bundesamt“ als übergeordnete Stelle gegründet, das den Schutz der österreichischen Bevölkerung garantieren soll wie der weitere Gesetzestext vorlegt:

Der polizeiliche Staatsschutz dient dem Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit sowie von Vertretern ausländischer Staaten, internationaler Organisationen und anderer Völkerrechtssubjekte nach Maßgabe völkerrechtlicher Verpflichtungen, kritischer Infrastruktur und der Bevölkerung vor terroristisch, weltanschaulich oder religiös motivierter Kriminalität, vor Gefährdungen durch Spionage, durch nachrichtendienstliche Tätigkeit und durch Proliferation sowie der Wahrnehmung zentraler Funktionen der internationalen Zusammenarbeit in diesen Bereichen. Hierzu besteht als Organisationseinheit der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (Bundesamt) und als Organisationseinheit der Landespolizeidirektion in jedem Bundesland ein Landesamt Verfassungsschutz (Landesamt).

Gut, denkt sich dann so mancher, der Staat soll uns ja vor Terrorismus beschützen, nein es ist sogar seine Pflicht. Gut denke ich mir, warum braucht Österreich dann zusätzlich zur Polizei, dem Bundesheer, dem Heeresnachrichtendienst, dem Bundesabwehramt und dem schon bestehenden Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung noch 9 weitere Ämter die unsere Sicherheit garantieren sollen. Ja richtig, 9 Ämter. Wie immer im österreichischen Staat, bekommen wir zusätzlich 9 weitere, eines für jedes Bundesland.

Während man noch die Sinnhaftigkeit der Struktur (die sich mir nicht erschließt, jedoch bin ich natürlich kein Profi in der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität) einen Diskurs halten kann, greifen viele der weiter genannten Rechte, welche die Mitarbeiter jener Behörden erhalten, doch tief in unsere Bürgerrechte ein.

In diesem Artikel alle Paragraphen darzustellen und deren Auswirkungen auf den Alltag zu betrachten wird dem allgemeinen Verständnis nicht dienlich sein. Des Weiteren bin ich auch kein Anwalt und mag vielleicht den einen oder anderen Paragraphen falsch auslegen. Dazu kann sich der Leser jedoch im Original Dokument seine eigenen Gedanken machen. Einen kleinen Auszug mag ich dem lesenden Publikum jedoch geben:

Dieses Bundesamt (und seine 9 Landesableger) hat OHNE richterlichen Beschluss eine ganze Menge von Rechten (Auszug):

1) Observation

2) verdeckte Ermittlung

3) Aufzeichnung von Bild und Ton

4) Einsatz von Kennzeichenerkennungsgeräten

5) Einholen von Informationen ,zu den Betroffenen UND Kontakt/Begleitpersonen, von Telekommunikationseinrichtungen und sonstigen Dienstanbietern.

6) Einholen von Auskünften von Beförderungsunternehmen.

7) Einholen von Auskünften von Verkehrsdaten, Zugangsdaten, Standortdaten von Telekommunikationsdiensten und Drittunternehmen.

8) PRIVATE PERSONEN Sogenannte V Männer befragen, dh private Denunzierung wie in der DDR wo ein Nachbar den anderen bei der Stasi meldet..... und das noch "gegen Zusage einer Belohnung"

9) Sie darf andere Bundesstellen zur Herausgabe von Informationen zwingen und sich, falls erforderlich mit anderen Stellen weltweit austauschen.

Zugleich darf man sich auch wundern, dass ein sogenannter „Rechtsschutzbeauftragter“ die Arbeit der Bundesbehörde überwacht und auch deren Einsätze freigibt. In wie weit eine einzige Person über vielleicht hunderte Fälle urteilen will, und auch die Zeit findet die Vorgehensweise dazu zu kontrollieren, vermag ich mir gar nicht vorzustellen.

Manche Leser werden jetzt wahrscheinlich meinen dass ich als nicht tätiger Beamter oder Jurist doch schwer darüber urteilen kann was eine Behörde in Österreich machen will und soll. Dazu gibt es auch parlamentarisch angefragte Stellungnahmen diverser Organisation und Einzelpersonen (Experten), die hierzu ihre Meinung abgeben. Auch hier werde ich nur kurze Auszüge bringen, die Gesamtheit der Stellungnahmen auch zu einzelnen Punkten, kann man auf der Seite des Parlaments nachlesen (diverse Links und Quellen werde ich im Anhang anfügen)

Dr. Christian Ortner, Rechtsanwalt:

Insgesamt erweist sich der vorliegende Gesetzesentwurf rechtsstaatlich und aus dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit der Grundrechtseingriffe unhaltbar. Die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen reichen aus bzw. wären im Sinn der Herstellung eines akzeptablen rechtsstaatlichen Standards vor allem im Bereich des § 55 SPG zu überarbeiten.

Österreichischer Journalisten Club:

So sehr der Schutz des Staates vor Terrorismus nachvollziehbar ist, umso weniger können wir massive Eingriffe des Staates in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger, wie z.B. des Redaktionsgeheimnisses, akzeptieren. Der vorliegende Entwurf ist daher ein massiver Angriff auf die Grundrechte. Der ÖJC verurteilt die Schaffung eines Inlandsgeheimdienstes ohne Kontrolle durch unabhängige Richter, dies ist eines demokratischen Staates unwürdig.

Netzwerk kritischer Rechtswissenschaften:

Jedoch nicht nur der individuelle Rechtsschutz wird stark beschränkt, sondern das Gesetz sieht außerdem weder eine unabhängige, richterliche, noch eine effiziente parlamentarische Kontrolle vor. Allein die Vorlage des Berichts des Rechtsschutzbeauftragten an einen Unterausschuss des Nationalrats, der wie beschrieben selbst in seinen Auskunftsrechten beschnitten ist, reicht nicht, um die demokratische Kontrolle des Behördenhandelns zu garantieren. Wir appellieren dringend an die Abgeordneten zum Nationalrat, sich in ihren Kontrollrechten über die Exekutive nicht beschneiden zu lassen. Dieses Gesetz ist zur Gänze abzulehnen.

Österreichischer Gewerkschaftsbund:

Wir sind der Ansicht, dass wir unser auf Achtung der Menschenrechte gerichtetes demokratisches System bewahren und verteidigen müssen. Das Ziel politisch oder religiös motivierten Terrors ist jedoch, gerade diese Werte der Demokratie und der Menschenrechte ins Wanken zu bringen. Wenn wir nun zur Vorbereitung auf mögliche Bedrohungsszenarien an die Grenzen der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit gehen, dann laufen wir Gefahr, unsere Werte selbst aufs Spiel zu setzen. Der vorliegende Entwurf scheint uns in Bezug auf die notwendige Abwägung zwischen möglichen Grundrechtseingriffen und unbedingt notwendigen Maßnahmen einer effektiven Bekämpfung diverser Bedrohungsszenarien in einigen Bereichen als nicht verhältnismäßig.

Nächste Woche wird dieses Gesetz im Nationalrat beschlossen werden und trotz des entschiedenen Auftretens der Opposition im Mai sind nur wenige Dinge geändert worden. Die Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen werden hier mit Füßen getreten, und in der Öffentlichkeit totgeschwiegen.

Während über Max Schrems und seinen Sieg gegen die Datenkrake Facebook in jedem Medium berichtet wird, fällt die Einführung von 10! Innengeheimdiensten und Spionage im Auftrage des Staates nicht ins Gewicht.

Auch wenn viele Leute anderer Meinung sind so hoffe ich, doch wieder einen Diskurs in der Öffentlichkeit anzuregen, und vielleicht unsere Bürgerrechte nicht zum Opfer von Ängsten und Sorgen machen zu lassen. Einmal installiert, kann jeder ein Verdächtiger sein. Wollen wir das?

Seite zum Staatsschutzgesetz mit Gesetzestext, Erläuterungen und Stellungnamen:

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00110/

Petition gegen das geplante Staatzschutzgesetz:

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/BI/BI_00079/index.shtml#tab-Zustimmungserklaerung

Diverse Artikel (mehr über Google)

https://netzpolitik.org/2015/staatsschutzgesetz-in-oesterreich-soll-zwischen-13-und-15-oktober-beschlossen-werden/

http://www.heute.at/news/politik/art23660,1213653

http://derstandard.at/2000022594521/Staatsschutzgesetz-AKVorrat-diskutiert-mit-Sicherheitssprechern

http://derstandard.at/2000018504208/DatenschuetzernNicht-genuegend-von-zu-Staatsschutzgesetz

Quellen:

Parlament: www.parlament.gv

Die Presse: www.diepresse.at

Der Standard: www.derstandard.at

Heute: www.heute.at

NEOS: https://neos.eu/fuehlen-sie-sich-ueberwacht/

Netzpolitik: www.netzpolitik.at

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