Und da sind sie wieder: Die vermehrten Meldungen der Wiener Linien zu "erkrankten Fahrgästen" in der Wiener U-Bahn, also meist zu jenen Ereignissen, in denen Menschen sich "freiwillig" das Leben nehmen. Denn gerade in der Weihnachtszeit merken viele, wie alleine sie sind, während alle Anderen im Kreise Ihrer Liebsten feiern. Manche von ihnen sehen dann den einzigen Ausweg im Selbstmord.

In den Medien werden wir nichts davon lesen, und das hat seinen guten Grund: Nach aktuell gültigen Theorien sorgen Medienberichte in der Folge für weitere Selbstmorde. Menschen, die zuvor bereits völlig am Boden ihrer psychischen Existenz angekommen sind, sehen nun den Selbstmord als Ausweg klar vor sich.

Selbstmord: Berichten oder Totschweigen?

Respekt gilt natürlich allen Medien, die sich in Überzeugung der Richtigkeit ihres Tuns derartiger Berichte enthalten.Dafür wird über besonders aufsehenerregende oder prominente Selbstmorde dennoch berichtet. Das ist eine ganz bewusst inkludierte Ausnahme. Sie ist auch mit öffentlichem Interesse vollkommen zu begründen. Was würden Menschen sonst wieder von "Lügenpresse" sprechen, wenn ein besonders spektakulärer Zwischenfall ohne mediale Erklärung bliebe? Gleichzeitig sehen so potenzielle Selbstmörder, wie sie möglichst spektakulär aus dem Leben scheiden - und der Selbstmord erscheint umso erstrebenswerter. Mit einem "lauten Knall" aus dem Leben scheiden. Damit ja alle merken, wie schlecht es einem gegangen ist, was sie einem angetan, wie sie einen im Stich gelassen haben. Nicht berichten? Meiner Meinung nach dennoch keine Lösung.

Was den generellen Verzicht auf Berichte zu Selbstmorden betrifft, erweist sich dieser aber als gewaltiger Bumerang. Denn dadurch kommt Selbstmord in der öffentlichen Diskussion nicht vor, ist gesellschaftlich kein Thema, wird tabuisiert. Und dabei gibt es in Österreich um ein vielfaches mehr Menschen, die durch Selbstmord aus dem Leben scheiden als Verkehrstote. In die Verkehrssicherheit wird unfassbar viel Geld (zurecht!) investiert. Für die Selbstmordprävention wird kaum etwas unternommen - ja ganz im Gegenteil: Die Krankenkassen kommen für die dringend notwendigen psychotherapeutischen Maßnahmen gar nicht erst auf. Patienten müssen zumindest den Großteil der Kosten selbst übernehmen. Für potenzielle Selbstmörder, oft in ausweglosen finanziellen Situationen, schlicht unmöglich.

Selbstmord: Allein gelassen

Doch die finanzielle Seite ist nur ein Teilaspekt. Weitaus problematischer ist die Tabuisierung des Themas in der Gesellschaft. Über Selbstmord wird nicht gesprochen. Wer psychische Probleme hat, ist schwach. Man redet nicht darüber - man tabuisiert das Thema in der Gesellschaft. Und man spricht selbst dann nicht darüber, wenn man selbst Probleme hat. Man gibt sich keine Blöße.

Und wenn über Selbstmord nicht gesprochen wird, werden jene, die akut gefährdet sind, nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen. Wie sie mit ihren Problemen umgehen können. Wer ihnen helfen kann. Sie sind allein: Allein in einem dunklen Sog, der sie immer weiter nach unten zieht. Allein in einer kalten Welt, die ohne Ausweg scheint. Allein mit ihrer tiefen Sehnsucht, das alles nicht länger aushalten zu müssen. Am Weg in den Selbstmord gibt es kein Stopp-Schild.

Nicht länger totschweigen

Die Lage selbstmordgefährdeter Menschen wird sich nicht bessern, wenn wir nicht darüber reden. Und die Lage wird auch nicht besser, wenn die Medien sich nicht mit dem Thema befassen. Ja, es ist wahrscheinlich, dass es weitere Selbstmorde gibt, wenn über "erfolgreiche" Suizide berichtet wird. Wie spektakulär sie sind. Wie schnell alles vorbei ist.

Aber was wäre daran falsch, verstärkt das Thema "Suizid" in den Fokus zu bringen, aber auf eine andere Art? Ein Bericht etwa über den Selbstmörder, der seine Tat schwer verstümmelt überlebt und den Rest seines Lebens unter schweren Schmerzen im Rollstuhl oder bettlägrig verbringen muss. Oder über den U-Bahn-Fahrer, der nach dem Überfahren eines Selbstmörders so traumatisiert ist, dass er seiner bisherigen Arbeit nicht mehr nachgehen kann. Oder umgekehrt: Warum wird nicht über Fälle berichtet, in denen Selbstmörder Hilfe gefunden haben, der starke Sog nach unten sich umgekehrt hat in einen stetigen materiellen und emotionalen Aufstieg?

JEDER kann helfen!

Und schließlich sind wir alle, jeder Einzelne von uns, gefragt, werden nicht aus der Verantwortung entlassen: Reagiert auf Warnzeichen Eurer Freunde! Übernehmt Verantwortung, wenn die Facebook-Posts eines Freundes immer mehr in Richtung Depression und suizidaler Gedanken gehen, wenn ein Freund schon schreibt, er kann nicht mehr, er will nicht mehr...! Kümmert Euch um Menschen, die allein sind, die alleingelassen werden. Überlasst sie gerade zu Weihnachten nicht sich selbst!

Denn Weihnachten ist mehr als das Fest der eigenen Freude, kulinarischer Gelage und materieller Reichtümer. Die Geburt Jesu Christi sollte mehr für uns alle bedeuten: Nicht nur die materiell Armen brauchen unsere Hilfe, sondern oft noch viel mehr jene, die emotional am Ende sind. Helfen kann man nicht nur durch Geld. Helfen kann man durch Taten und Worte. Und Weihnachten könnte dafür ein guter Anfang sein...

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