Die Wahrheit über Obdachlose

"Eh klar, die reden schon wieder über Traiskirchen und unsere Obdachlose frieren. Sollen sich mal ums eigene Volk kümmern!" (Zitat eines Facebookusers; Rechtschreibfehler überarbeitet)

Wo soll denn das auch hinführen: Nur den Flüchtlingen wird geholfen - und das eigene Volk leidet darunter. So, und jetzt eine Frage an die Runde: WER leidet darunter? Achja, unsere Obdachlosen. Witzig ist nicht die Tatsache, dass da eventuell ein Fünkchen Wahrheit dahinter stecken könnte, als witzig wird empfunden, dass genau die, die in der Hinsicht am lautesten schreien, am wenigsten mit der Materie vertraut sind. Da werden fleißig Videos geteilt, wo ein Motorradler besten Gewissens und der guten Tat willens am Straßenrand stehen bleibt und einem Tramper ein Sandwich bringt. Natürlich muss das gefilmt werden, wie sollte man denn auch sonst von dieser Heldentat erfahren. Moment. Bezeichnet man als Tramper nicht einen solchen, der eigentlich einfach nur von A nach B kommen möchte? Mag sein, dass dieser dann nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung hat, um seine Reise antreten zu können, aber Hand aufs Herz, sämtliche Tramper, welchen ich in meinem jungen Leben begegnen durfte, wollten alle nur eine Mitfahrgelegenheit zum Nova Rock, Frequency oder zum Donauinselfest. Kein Wunder, dass da das Geld für Öffis nicht ausreicht, wenn man es doch für ein erhöhtes Maß Ottakringer hinblättern muss. (Kein Angriff, nur eigene Erfahrungen.)

Zurück zum Thema: Unter den Flüchtlingen leiden unsere Obdachlosen, sagen sie. ("sie" = was den Wissensstand betrifft minderbemittelte Moralapostel.) Haben "sie" denn jemals einen Obdachlosen kennengelernt? Und damit meine ich nicht, beim Vorbeifahren mal einen am Straßenrand oder im Park sitzen zu sehen. Hat man denn jemals ein Gespräch gesucht oder den armen Menschen, um die sich niemand kümmern will, gar seine Hilfe angeboten? Ich wage es zu bezweifeln. Eines soll gesagt sein: Auch vor dem Flüchtlingsstrom gab es in Österreich Menschen ohne Obdach. Wer hat sich da darum geschert? So frage ich mich, basieren eure Posts auf reiner Nächstenliebe oder werden Gründe gesucht, Hass zu schüren und Unmut zu verbreiten?

Hier will ich anmerken, ich kenne die Obdachlosen. In "meiner Gegend" sind es um die 40 Menschen, die tagtäglich im "Billapark" mit ihrer Dose (ob eine oder 12, was macht es schon für einen Unterschied) Bier, in Eiseskälte frierend, ihr Leben dem aussetzen, was es zu bieten hat. Dass diese aber sehr wohl den Luxus genießen, eine beheizte Wohnmöglichkeit samt halbwegs vollem Kühlschrank zur Verfügung haben, weiß niemand - woher auch, es redet ja keiner mit ihnen. Übrig bleiben vier. Vier Menschen, die tatsächlich keinen Schlafplatz haben. Was aber noch lange nicht heißt, dass sie keinen haben könnten. Betreutes Wohnen, Männerwohnheim, Förderungen in einer Höhe, die mir als simple Arbeiterin nicht mal zu einem Bruchteil zustehen würden, all das steht ihnen zur Verfügung. Um es beim Wort zu nennen,es ist ein Lebensstil, welchen sich die "Obdachlosen" selbst ausgesucht haben. Natürliuch brauchen sie unsere Hilfe. Allerdings kann ich, als Vorstandsvorsitzende eines gemeinnützigen Vereines, welcher sich solchen Menschen annimmt, es nicht als Heldentat verzeichnen, wie im oben erwähnten Videoclip, einen Tramper, oder auch einen "richtigen" Obdachlosen, ein Sandwich hinzuhalten. Tatsache ist, dass die meisten dieser Menschen entmündigt sind, weil sie geistig nicht in der Verfassung sind ihr Leben selbst in den Griff zu bekommen. So kommt es, dass jene Menschen meistens kein Sandwich benötigen, sondern beispielsweise Motivation, ihren seit Jahren im Kehlkopf heranwachsenden Tumor von einem Arzt untersuchen zu lassen. Oder einen Wink in Richtung der zuständigen Ämter, sodass sich ihre zustehenden, finanziellen Mittel beantragen können. Oder einfach nur Eingliederung in die Gesellschaft, in verschiedensten Formen. Arm sind diese Menschen, das sind sie wirklich. Und alldas hier ist kein Angriff, eher ein Zurückholen der nächstenliebenden Hetzer in die Realität.

Dies ist kein Aufschrei gegen unsere "Obdachlosen", es ist ein Appell an jene, die es doch nur gut meinen, all jene, die helfen wollen. Mit einem Facebookaufschrei "Die Flüchtlinge nehmen unseren Obdachlosen alles weg, keiner kümmert sich um sie", ist ihnen allerdings auch nicht geholfen. Wenn es euch tatsächlich so am Herzen liegt: Steht auf. Seht mal genauer hin. Sucht das Gespräch. Findet heraus, welche Hilfe tatsächlich benötigt wird. Helft.

Und am ehrenhaftesten wäre dies, wenn es auch ohne Kamera geht. Wenn nicht die ganze Welt von eurem Mitgefühl und Ehrenamt erfahren muss. Wenn ihr helft, weil ihr helfen wollt, und nicht, weil ihr es eurem gesellschaftlichen Status zugute "müsst".

Bezüglich der Hilfe seitens der Regierung kann man anderweitig diskutieren. Dieser Apell richtet sich an dich und mich, als Menschen wie wir sind. Nicht zuständig vielleicht, aber mit ein bisschen Verstand und einem Hauch von Menschlichkeit, könntest auch du dich betroffen fühlen. Ich wiederhole: Steht auf. Seht mal genauer hin. Sucht das Gespräch. Findet heraus, welche Hilfe tatsächlich benötigt wird. Helft.

Dieser Text bezieht sich ausschließlich auf Wiener Neustadt.

- Über alle anderen Städte und Einwohner will und kann ich aufgrund mangelndem Know How's nicht urteilen.

Da ich als weibliches Geschöpf zwecks der besseren Leserlichkeit auf das Gendern verzichtet habe, bin ich guter Dinge, dass sich keine Frau benachteiligt oder ausgegrenzt fühlt. Natürlich bezieht sich der Beitrag auf Männlein und Weiblein gleichermaßen.

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Spinnchen

Spinnchen bewertete diesen Eintrag 11.01.2016 16:30:13

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