In einem Gegenblog mit dem Titel "Ich schreibe grundsätzlich keinen Gegenblog" schrieb eine Kollegin mit leicht bitterem Unterton: "Plattformregeln verhalten sich hier offenbar so, wie der Joker an nem Glückspielautomaten..."

Sie zu trösten schrieb ich ihr:

Juristische Regeln, vulgo Gesetze verhalten sich oft willkürlich. "Recht is Glyxach", sag ich. "Auf Hoher See und vor Gericht sind wir alle in Gottes Hand", sagt der Volksmund.

Nimm nur mal etwas so vergleichsweise Simples wie die Postingregeln hier auf "Fisch und Fleisch".

Bei den "Fisch und Fleisch"-Endverbrauchern geht das von der Moderation genährte Gerücht um, es sei in Blogbeiträgen jedwede Bezugnahme auf einen anderen User oder auf einen seiner Kommentare strengstens verboten. Schreibe in deinem Blogbeitrag das Wort "Erregger" hin und schon ist dein Blogbeitrag weg. Bei mir hat seinerzeit die wirklich vornehme Umschreibung "HIV-Erreger" gereicht, meinen Blogbeitrag offline zu nehmen.

Dabei sind die Postingregeln sehr viel scheneröser als wir alle annehmen.

"10. Wir ersuchen Sie, keine Beiträge und Kommentare über andere UserInnen dieser Plattform zu verfassen, die diese als beleidigend empfinden könnten. Beiträge und Kommentare über andere UserInnen, in denen diese unangebracht kritisiert und thematisiert werden, werden umgehend von unserer Plattform FuF gelöscht."

"Wir ersuchen Sie..." - Es ist kein Verbot, sondern eine höfliche Bitte (1).

"...keine Beiträge und Kommentare über andere UserInnen dieser Plattform zu verfassen, die diese als beleidigend empfinden könnten." - Nicht alle Äußerungen über andere User sind also verpönt, sondern lediglich beleidigende. "Michlmayr", dies nur als Beispiel, "deine gottvollen Texte lese ich stets kniend und mit gefalteten Händen" darf ich also durchaus in einem Blogbeitrag schreiben.

"Beiträge und Kommentare über andere UserInnen, in denen diese unangebracht kritisiert und thematisiert werden, werden umgehend von unserer Plattform FuF gelöscht." - Das Thematisieren und sogar Kritisieren anderer User ist also erlaubt, gelöscht wird nur unangebrachte Kritik.

Möglicherweise hat die Postingregeln ein Jurist verfaßt. Juristen lernen während ihrer Ausbildung sowohl in Deutschland als auch anscheinend in Österreich, Gesetze und andere Vorschriften möglichst unpräzise zu formulieren.

Ich vermute mal, das ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, denn anderenfalls bräuchte man keine Rechtsanwälte. Es ist dies ein allgemeines Gesetz, scheint mir, auch Literaturwissenschaftler, Literaturkritiker und Philosophen (2) schätzen auffallenderweise dunkle Rauner besonders hoch ein, denn sie geben obig aufgeführten Personen Arbeit und Brot. Für Schriftsteller und Philosophen, deren Texte aus sich heraus verständlich sind, ist dagegen das Verdikt der Oberflächlichkeit vorgesehen. Sie werden zum Beispiel in die Schubladen "süffig", "anekdotisch" oder "auf Effekt bedacht" einsortiert.

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(1) Ja, gut, okay, man kann auch strikte Befehle in Form einer höflichen Bitte kleiden. "Wenn Sie bitte mitkommen möchten", sagt etwa der Michi Mohr in den "Rosenheim-Cops", wenn er am Schluß den Mörder festnimmt und in die Untersuchungshaft abführt, die in eine lange, lange Strafhaft münden wird. "Wenn Sie bitte mitkommen möchten" ist übrigens wortwörtlich der Satz, den ich seinerzeit gesagt habe, wenn ich einen MPU-Kandidaten aus dem Wartezimmer abgeholt habe.

Der Schauspieler Max Müller, der den Mohr gibt, ist übrigens Klagenfurter, lebt in Wien und spricht kein Wort Bairisch. Zum Dreh hat er seinen Rollentext auswendig gelernt, er weiß die ganze Zeit nicht, was er da spricht.

(2) Es gibt zweierlei Arten von Philosophen: Zum einen Philosophen-Philosophen, zum anderen Philosophie-Philosophen. Letztere denken sich irgendwelche Theorien aus, erstere verwalten diese und legen sie aus. Erstere sind Diplom-Philosophen, Philosophen mit Diplom, mit Philosophen-Diplom (damit man was eigenes hat, wenn die Kinder aus dem Haus sind), letztere sind häufig Amateure. Philosophie verwalten ist fast immer deutlich habseliger als Philosophie erfinden.

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