Trampen und Couchsurfen: Von Vertrauen und Fernsehen...

Ich bin leidenschaftlicher Tramper und Couchsurfer. Mir bereitet es riesigen Spaß, auf Reisen zu sein, und dabei „echte“ Menschen kennen zu lernen. Keine Busfahrer, Stewardessen oder Hotelangestellte, die ja beruflich mit einem Touristen wie mir zu tun hätten.

Ich meine die ganz normalen Menschen: Studenten, Geschäftsleute, Uhrmacher, Goldschmied oder Gesellschaftsspiel-Erfinder, zum Beispiel. Die Menschen, die man beim Trampen oder beim Couchsurfen trifft, sind einerseits extrem unterschiedlich, aber sie haben auch Gemeinsamkeiten: Sie sindhilfsbereit, gastfreundlich, offen und aufgeschlossen – es macht Spaß, solche Menschen kennen zu lernen.

Nach solchen Reisen habe ich meist sehr viel zu erzählen. Ich berichte meiner Familie von diesen kleinen Abenteuern, meinen Freunden in der Kneipe und den Lesern meines Blogs. Die Reaktionen auf  diese Geschichten sind oft sehr ähnlich: „Spannend! Aber auch mutig! Ich würde mich das nicht trauen!“.

Ich versuche dann meistens, solche Sorgen ernst zu nehmen. Soll man ja. Ich beschwichtige, erkläre und argumentiere. Ich erzähle, dass ich selber noch nie, und zwar wirklich noch nie, irgendetwas passiert ist, was auch nur unangenehm wäre. Weder beim Couchsurfen in irgendwelchen Plattenbauten in einem düsteren Vorort von Bratislave und auch nicht auf dem Anhänger hinter dem Traktor eines equatorianischen Bauerns im Dschungel - nie.

Ich habe begonnen, Leute nach ihren Erfahrungen zu fragen.Vielleicht bin ich ja einfach ein Glückskind? Also habe ich seit Jahren jeden Tramper und jeden Couchsurfer nach Negativerfahrungen gelöchert. Und ich werde mir langsam immer sicherer: Es gibt sie einfach nicht, diese schlechten Erfahrungen.

Oder besser: Die gibt es nur im Fernsehen. Tramper sind für unkreative Drehbuchschreiber einfach gefundenes Fressen: Dem unbekannten Mann vom Straßenrand ist einfach alles zuzutrauen. Und demjenigen, der ihn auch noch in sein Auto einläd, eigentlich auch.

Wir leben offesichtlich in einer Zeit, in der es verdächtig ist, wenn man anderen, fremden Menschen Vertrauen entgegen bringt. Für mich sagt das viel über diese Zeit aus –leider nichts Gutes! In vielen Köpfen hat sich festgesetzt, dass Menschen, die man nicht kennt, in erster Linie ein großes Risiko darstellen. Wenn ich ehrlich bin, macht mich das ganz schön wütend!

Ich habe beim Trampen und beim Couchsurfen die tollsten Menschen kennen gelernt. Menschen, die es manchmal in einer halben Stunde geschafft haben, dass ich sie mir auch nach Jahren noch im Gedächtnis bleiben. Leute, die mich mit ihrer Einstellung inspirieren und motivieren – selbst dann, wenn der Kontakt mittlerweile abgebrochen ist.

Bei jeder meiner Reisen habe ich mehr Vertrauen gewonnen – in mich selber, aber auch in die ganze Menschheit an sich. Ich habe gelernt, keine Angst mehr vor Unbekanntem zu haben, sondern mich genau darauf zu freuen. Ich bin gelassener, geduldiger und optimistischer geworden. Und ich weiß, dass ich auch mit Menschen sehr gut zurecht komme, die einen komplett anderen Erfahrungshorizont haben als ich mit meiner Kindheit in gesicherten Verhältnissen, gefolgt von Abitur und elternfinanziertem Studium.

Solche Erfahrungen helfen mir nicht nur beim Reisen, sondern in nahezu jeder Lebenssituation. Und ich bin mir sicher, sie würden auch denjenigen helfen, die hinter jedem Fremden eine Gefahr vermuten. Ich glaube, ich höre auf, die Leute zu beschwichtigen.

Statt dessen werde ich sagen: Ich bin nicht mutig, aber du hast offensichtlich einen extrem negativen Blick auf deine Umwelt! Schau weniger fern!

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Johanna Vedral

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