Manchmal muss man sich entscheiden. Das ist aber oftmals gar nicht so einfach. Ich kann mich momentan z. B. nicht entscheiden, ob in Bezug auf die deutsche Medienlandschaft eher dem Begriff "Lügenpresse" oder doch besser der "Lückenpresse" der Vorzug zu geben ist. Beide Kennzeichnungen haben etwas für sich und sind auf ihre Weise zutreffend.

Worum geht es? In Deutschland wird momentan das Buch "Finis Germania" des im letzten Herbst verstorbenen Historikers Rolf Peter Sieferle heiß diskutiert. Und ein Buch, das heiß diskutiert wird, das liegt in der Natur der Sache, wird meist auch viel gelesen. Das trifft auch auf Sieferles Buch "Finis Germania" zu. Und so landete es denn folgerichtig unter den Top-10 der ebenso maßgeblichen wie vielzitierten Spiegel-Bestsellerliste. Genauer gesagt in der Kategorie Sachbuch. Und ganz konkret auf Platz sechs. In der letzten Woche. In dieser Woche sucht man das Werk in dieser Liste vergeblich. Ein plötzlicher Absturz? Keinesfalls. Beim Spiegel hat man sich einfach nur entschlossen, das Werk von der Bestsellerliste zu verbannen, weil man die Verbreitung des "antisemitischen" (das zieht immer) Werkes nicht unterstützen wolle.

Ohne Zweifel ist "Finis Germania" ein interessantes, lesenswertes und notwendiges Buch, auch wenn ich manche Begeisterung darüber nicht teile. Vielleicht war mein Erwartungshorizont zu hochgeschraubt nach den Diskussionen um das Werk. Man kann dem Buch gewiss einiges vorwerfen, der Vorwurf des Antisemitismus erscheint mir doch sehr konstruiert. Umso erstaunlicher ist, dass ein einstmals renommiertes Magazin wie der Spiegel es kurzerhand von der Bestsellerliste strich, nur weil es nicht in den Mainstream passt und unbequem ist.

Der Spiegel hat sich damit endgültig selbst entfernt, aus der Liste der ernst zu nehmenden Publikationen. Er steht geradezu symbolhaft für den Weg in eine paternalistische Gesellschaft, eine Gesellschaft, die ihren Bürgern abspricht, selber zu entscheiden und die statt dessen meint, für ihn entscheiden zu müssen, z. B. was er zu lesen hat und was nicht. Er befindet sich damit in guter Gesellschaft, denn auch Amazon und Thalia waren zuvor schon so verfahren.

Indem man auf diese Weise von Amazon über Spiegel bis Thalia versucht, die Menschen für dumm zu verkaufen, legt man nur den beschränkten eigenen geistigen Horizont offen. Eine solche Gesellschaft und eine Medien- und Presselandschaft, deren Geschäft es offensichtlich ist, Lücken (z. B. in Bestsellerlisten) zu produzieren und uns Lügen aufzutischen (im Hinblick auf Bücher, die wir selber bitte nicht lesen sollen), haben allen Anspruch verwirkt uns und die Menschen in anderen Ländern über demokratische Tugenden belehren zu wollen.

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