Der Kampf der Weltbilder wird nicht zum Frieden führen ...

Das letzte englische Buch, welches ich mit Begeisterung gelesen habe, war »Islam and the Future of Tolerance: A Dialogue«. Geschrieben wurde es von dem Bestseller-Autoren und stark islamkritischen Atheisten Sam Harris sowie vom gläubigen Muslim (und ehemaligen islamistischen Extremisten) Maajid Nawaz (früher Anhänger einer radikalen Gruppe nahe am Terror, heute moderater Moslem und politischer Aktivist).

Zwischen linker Apologetik, dringendst notwendiger Religionskritik und gefährlichem Rassismus

Der direkte Diskurs zwischen den entgegengesetzten Weltbildern und der offene und ehrliche Diaolog, den beide in diesem Buch führen, hat für Furore gesorgt. Harris wurde von anderen (gleichfalls sehr scharfen) Islamkritikern unterstellt, er sei auf einmal „nachgiebig“ geworden, da er sich überhaupt auf so ein Gespräch eingelassen habe. Der Liberale Nawaz bekam von seitens seiner eigenen Glaubensgenossen wiederum ironischerweise den Vorwurf, Islamophobie schüren zu wollen [siehe Video]. Beide Unterstellungen finde ich persönlich gleich lächerlich und unüberlegt, was mir wieder einmal beweist wie dermaßen undifferenziert und stur „gefangen“ in ihren jeweiligen Meinungen der Großteil der Leute zu sein scheinen, traurigerweise. Hier sind zwei Personen, mit teils sehr unterschiedlichen Anschauungen und Ansichten, ja - vor allem was die metaphysische Ebene (und die grundsätzlich philosophische Frage nach Gott usw.) betrifft - aber beide sind bereit, auf den anderen einzugehen, sich selbst kritisch zu hinterfragen, Überschneidungen zu suchen und dadurch einen gemeinsamen Konsens zu finden. Ist das nichts?

„In der Islam- und Integrationsdebatte haben sich die Fronten verhärtet: Während die einen jegliche Kritik an der patriarchalen Herrschaftskultur des orthodoxen Islam ablehnen, schüren die anderen eine gefährliche Muslim-Feindlichkeit, die die beträchtlichen Differenzen innerhalb des ‚muslimischen Spektrums‘ unzulässig ausblendet“, heißt es in einer Broschüre aus der KIK (Kritische Islamkonferenz Deutschland) von der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs). Genau diesen äußerst deprimierenden Eindruck gewinne ich selbst auch - zurzeit vielleicht leider stärker dennje. Keines der ganzen jeweiligen „Lager“ (ob nun politisch oder religiös motiviert) erscheint mir momentan differenziert und vernünftig genug zu sein. Während die einen beispielsweise aus Unwissenheit heraus plumpe Hetze schüren, üben sich andere wiederum naiv aus übertriebener Angst vor genau diesem Vorwurf in gefährlicher Apologetik, die in meinen Augen absolut kontraproduktiv ist. (Sehr lesenwerter Beitrag auch darüber zu finden hier)

Als säkularer Humanist halte ich eine einschneidende Reform des Islams (bzw. moderne Reformen ALLER Religionen, wenn wir schon dabei sind) generell für wirklich notwendig und extrem wichtig - nur gemeinsamer Fortschritt und Liberalisierung in alle Richtungen können zusammen zur Revolution und eine transkulturelle Gesellschaft führen. Parallel-Gesellschaften bringen selten etwas Gutes. Einen ehemaligen Islamisten wie Ahmad Mansour oder mutige Frauen wie Seyran Ateş und Ayaan Hirsi Ali halte ich deshalb zum Beispiel für ganz wichtige Sprachrohre unserer Zeit.

Diffamieren fällt nicht schwer, Differenzieren dagegen sehr

Nichts jedoch halte ich von den Sarrazins, Trumps, Straches und Le Pens dieser Welt. Rechtspopulismus ist meiner Meinung nach unendlich primitiv, aber Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit füttern natürlich perfekt die Vorurteile, Ängste und den Hass, welche auf Verallgemeinerungen, Vereinfachungen und Verabsolutierungen von Teilwahrheiten und Halbwissen basieren. Menschlichkeit und Respekt fehlen. Eine gesamte, riesengroße und extrem vielfältige Bevölkerungsgruppe verschiedenster Kulturen unter Generalverdacht zu verunglimpfen und als Sündenbock darzustellen, das hatten wir in der Geschichte der Menschheit schon unzähliche Male - mit gravierenden Folgen, wie wir alle wissen. Für Demagogen ist das natürlich ein gefundenes Fressen. Demagogie ist salonfähig geworden, so scheint es - und die Folgen davon sind leider mehr als nur dramatisch.

Etwas Entscheidendes dürfen wir nämlich nicht vergessen: „Den Islam“ gibt es in dem Sinne nicht (siehe Video), genauso wenig wie es „das Judentum“ oder „das Christentum“ etc. gibt ...

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