Als die ersten Europäer den Bereich des mittleren Westens der heutigen USA erkundeten fanden sie Reste beeindruckender Bauten. Das war insofern verwunderlich als dass diese Bauten nicht von den dort lebenden (teilweise nomadischen) Kulturen errichtet hatten werden konnten, ihnen fehlte die Expertise und die nötige Organisation.

Auf die Frage wer sie errichtet hatten hörten sie von den Einwohnern Geschichten von Göttern und Riesen.

Heute wissen wir dass die Mississippi-Kultur beeindruckende Leistungen zwischen dem zehnten bis (allerhöchstens) ins fünfzehnten Jahrhundert leistete.

Als die Europäer ankamen waren die Leistungen aber bereits Legenden. Die Stadt Cahokia war zu dieser Zeit schon lange Geschichte. Plätze bleiben aber nicht leer. Die Ausgrabungen von A.J. White (UC Berkeley) etwa legen die Vermutung nahe dass Cahokia zwar von seinen Errichtern verlassen wurde, dann aber von anderen Gruppen wieder besiedelt wurde.

Es waren also nicht die Nachfahren der Errichter die schlichtweg vergaßen dass ihre Ahnen diese Wunderwerke der Baukunst errichteten, es waren Migranten die sich in den Gerippen einer Zivilisation niederließen nachdem die Nachfahren der Erbauer einfach verschwunden waren. Sie lebten zwar zwischen den beeindruckenden Bauten waren aber nicht fähig sie selber zu errichten oder zu erhalten. Sich diese fehlende Kompetenz einzugestehen ist deutlich schwieriger als zu vermuten dass übernatürliche Wesen all diese Wunder errichtet hätten. Entsprechend bildeten sich Legenden.

Zivilisationen kollabieren. Eine Zivilisation macht, neben anderen Dingen, die Spezialisierung ihrer Bürger aus. In einem unzivilisierten Setup macht sich der Einzelne sein Essen und seine Kleider selber. Man tauscht schon aber im Wesentlichen ist man unabhängig. Die Amish etwa sind keine Zivilisation sondern höchsten ein unzivilisierter Stamm der in einer Zivilisation eingebettet ist.

Eine Zivilisation ist da anders, dort ist ein wesentlicher Teil der Bevölkerung nicht fähig sich selber Kleidung oder Nahrung von Grund auf selber herzustellen, dafür gibt es Spezialisten wie Ärzte, Architekten und Agrarwissenschaftler die die Effizienz deutlich erhöhen und es so ermöglichen dass auf engstem Raum mehr und mehr Menschen unterzubringen. Jede Stadt ist eine Zivilisation, egal ob wir vom antiken Babylon sprechen oder vom modernen New York.

Irgendwann aber liefern die Bauern das Korn aber nicht in die Stadt (die Gründe reichen von Rebellion bis Missernte) und die Spezialisten verhungern: die Stadt wird zur Todesfalle. Als Resultat wandert ein Teil der Stadt aufs Land ab, dort wird der Architekt dann zum Knecht des Bauern und sein Wissen geht verloren. Die Zivilisation verschwindet und wird durch ein unzivilisiertes, eher autarkes Setup ersetzt.

Wenigstens für ein paar Generationen, manchmal für Jahrtausende.

Im Laufe der Zeit etabliert sich eine neue städtische Kultur die dann die Ruinen der Alten neu besiedelt. Diese Kulturen sind aber geradezu zwangsläufig andere Kulturen (Die genetisch ident sein können!) und wenn diese Kulturen weniger kompetent sind als die gefallene Kultur, was häufig der Fall ist, dann verfallen die Errungenschaften der Alten.

Manchmal gehen die Alten auch einfach weg. Kolonien werden aufgegeben und die ehemals Unterworfenen beziehen dann die ehemaligen Häuser der ehemaligen Herrscher, bis diese eben in sich zusammenfallen.

Der Fall einer Zivilisation ist nicht die Ausnahme, er ist die Regel. Die Zeit nach der Zivilisation ist dann für das Land tendenziell weniger schmerzhaft als für die Stadt. Der Städter ist in so einem Fall in erheblicher Gefahr und verliert üblicherweise Alles was er hat. Der Bauer hingegen nutzt diese Wende üblicherweise um sich Freiheiten zu schaffen, was möglich ist da sein Produkt plötzlich wertvoller ist als in der Zeit der Zivilisation.

Unsere moderne Zivilisation besteht zu über 95% aus hochgradig abhängigen Menschen und gerade jene sehen dem „Ende unserer Zivilisation“ überaus gelassen, mitunter mit Freude entgegen. Der hochgebildete, kultivierte Städter genauso wie der Punk feiern das Ende der Zivilisation ohne zu erkennen dass seine Überlebenswahrscheinlichkeit in der Zeit danach eher bescheiden ist.

Die Geschichte lehrt uns dass er, sofern er überlebt, als Knecht endet. Und dann hatte er Glück.

Selbst für Leute die sonst nichts aus der Geschichte lernen sollte diese Lektion sehr eindringlich ans Herz legen dass man den Bogen nicht überspannen sollte. Fällt die Zivilisation, verschwindet die Lebensgrundlage für die am höchsten Gebildeten, den Künstler und den Beamten rascher als für den Bauern und Handwerker.

Genau jene sollten daher sehr aktiv daran arbeiten die Zivilisation nicht mittels waghalsiger Experimente zu gefährden.

So unmöglich es uns auch erscheinen mag, es ist durchaus möglich dass auch die Wunder die wir erschaffen haben irgendwann als Zauberei angesehen werden, wenn wir, aus purer Überheblichkeit, unsere Zivilisation für einen unrealisierbaren Traum geopfert haben werden.

Und das ist die Sache einfach nicht wert.

Yonas Reynald https://soundcloud.com/yonasrnd/ancient-space-shuttle-old1

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